Zeitschriften liegen in einem Geschäft nebeneinander, darunter die Magazine "Barbara" und "Guido". © picture alliance Foto: Jörg Carstensen
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Zeitschriften liegen in einem Geschäft nebeneinander, darunter die Magazine "Barbara" und "Guido". © picture alliance Foto: Jörg Carstensen
AUDIO: Printmagazine: Auslaufmodell oder Medium mit Zukunft? (6 Min)

Printmagazine: Auslaufmodell oder Medium mit Zukunft?

Stand: 12.09.2023 16:40 Uhr

Es ist einiges in Bewegung auf dem Markt der Printmagazine: Die einen werden eingestellt - andere laufen gut oder sogar immer besser. Und immer wieder liegen neue Magazine in den Kiosken aus.

Ein Gespräch mit dem Medien- und Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert.

Herr Weichert, wann haben Sie denn zuletzt ein Printmagazin gelesen?

Stephan Weichert: Das ist die übliche Fangfrage. Aber ich kann die ganz ehrlich und authentisch beantworten: Gerade eben habe ich noch den "Spiegel" zur Hand genommen - den kaufe ich mir jede Woche als gedruckte Ausgabe - und habe da einen sehr spannenden Artikel gelesen, warum digitale Medien in den Schulen jetzt doch nicht mehr so stark Verbreitung finden sollten: weil die Kinder nicht mehr lesen und schreiben können.

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Und warum haben Sie ausgerechnet dieses Magazin als Printversion?

Weichert: Ich liebe das gedruckte Wort. Das liegt an meinem eigenen Rezeptionsverhalten, vielleicht auch ein bisschen an meinem Alter. Ich hasse es, lange Texte am Rechner zu lesen und greife immer wieder gerne auch noch zur Wochenzeitung als Printausgabe, zur "Süddeutschen Zeitung" oder zur "FAZ".

Und doch haben Sie schon vor rund zehn Jahren Print zum Auslaufmodell erklärt. Damals ging es in der öffentlichen Diskussion allerdings im Kern um die Zukunft der Zeitungen - wir sprechen aber heute über Magazine. Wie ist generell Ihr Eindruck: Hält sich das Kommen und Gehen auf dem Markt die Waage? Oder naht wirklich das Ende?

Stephan Weichert © picture alliance/dpa Foto: Sebastian Isacu
"Ich glaube, dass wir wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren das Ende vieler Zeitungen erleben werden", sagt Stephan Weichert.

Weichert: Es hielt sich die ganzen Jahre ein bisschen die Waage, aber jetzt nimmt der Druck extrem zu. Wir haben eine Energiekrise, der Vertrieb ist so teuer geworden, die Druckkosten sind ins Astronomische gestiegen. Diese ganze Zustellthematik fällt vielen Verlagen derzeit auf die Füße. Deswegen glaube ich, dass wir wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren das Ende vieler Zeitungen erleben werden. Beim Magazin ist es ein bisschen anders: Hier ist eine andere Lesequalität, eine Bereitstellungsqualität - sagt die Wissenschaft - vorhanden. Eine "Gala", ein buntes Magazin zu Oldtimern beispielsweise - das funktioniert in Print immer noch ganz gut. Aber auch hier sind die Wirtschaftskrise, die Inflation und die anderen Entwicklungen in der Gesellschaft eher negativ.

Das Satiremagazin "Titanic" und das Wissensmagazin "Katapult" haben Leserinnen und Leser um Unterstützung gebeten, weil ihnen die Insolvenz droht. Was würden Sie denen empfehlen? Ist das die richtige Strategie?

Weichert: Das ist natürlich schade. Die "Titanic" ist ja so ein Überbleibsel der alten Bundesrepublik, aber es entspricht wahrscheinlich nicht mehr so ganz dem Zeitgeist. Satire findet inzwischen häufig auf sozialen Medien statt und es gibt im Fernsehen einige sehr gute Satire-Sendungen bei den Öffentlich-Rechtlichen. Aber als Print-Magazin ist "Titanic" eigentlich schon lange ein Auslaufmodell. Sich jetzt mit so einer Solidaritätskampagne an die treuen Leser*innen zu wenden, ist sicherlich vernünftig, aber es ist auch so ein bisschen ein Hilfeschrei. Ich habe da wenig Hoffnung, dass das glücken wird, weil so viele Magazine in der Auflagengröße in den letzten zwei, drei Jahren Insolvenz anmelden mussten und auch vom Markt gefegt wurden.

Auch ganz wichtige Magazine in der Musikwelt haben sich aus der Printwelt verabschiedet: das "Fono Forum", "New Musical Express", die "Spex" oder "Intro". Liegt es vielleicht auch am Medium, dass zum Beispiel in der Musikwelt Musikjournalismus keine Chance mehr im Print hat?

Weichert: Ja, in Hamburg ist es noch extremer: Hier haben auch ganz viele Kulturmagazine dichtgemacht. Es gab ganz viele unterschiedliche Magazine, die das Kultur- oder Musikangebot in der Stadt abgebildet haben. So etwas findet heute fast immer online statt. Was noch dazukommt, ist der Anzeigenschwund: Die Kulturveranstalter, Plattenlabels und so weiter sind überhaupt nicht mehr in der Lage und bereit, groß in Magazine zu investieren - und das Geld fehlt dann den meisten.

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Wie muss sich ein neues Magazin ausrichten, um heutzutage eine Chance auf dem Markt zu haben?

Weichert: Das ist schwierig. Ich glaube, was immer noch gut zieht, sind Bilder, gute Fotografien, Abbildungen, vielleicht auch leichte Kost. Auf der anderen Seite auch gut gemachte, mit hohem journalistischen Anspruch produzierte, lange Texte - auch das funktioniert an manchen Stellen; man sieht es an der Wochenzeitung "Die Zeit", die nach wie vor hohe Auflagen verzeichnet. Es gibt Zielgruppen aus dem Bildungsbürgertum, die gern längere Texte lesen. Ich glaube, dass der Pluspunkt vieler Magazine immer noch die Fotografie und gute Bilder sind. Aber: Wir haben jetzt das Problem mit der künstlichen Intelligenz, und so verliert auch authentische Fotografie leider an Bedeutung. Wir wissen noch gar nicht so genau, was da in den nächsten Monaten oder Jahren passieren wird, speziell in diesem Segment, womit viele Magazine nach wie vor auftrumpfen können.

Das Interview führte Julia Westlake.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal Gespräch | 12.09.2023 | 16:45 Uhr

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