St. Paulis Hauke Wahl (Mitte) umarmt Marcel Hartel. © picture alliance/dpa

Hauke Wahl: Das Gleichgewicht St. Paulis wird immer wichtiger

Stand: 14.03.2024 11:47 Uhr

Bei Zweitliga-Spitzenreiter St. Pauli fokussiert Vieles auf die Achse Smith-Irvine-Hartel. Doch genauso wichtig für Trainer Fabian Hürzeler sind die Führungsspieler in Reihe zwei wie Hauke Wahl. Das zeigen auch die Daten.

von Tobias Knaack

Wenn eine Mannschaft eine Saison spielt, wie die Braun-Weißen es in dieser Spielzeit tun, spricht man gerne davon, dass alle Teile ineinander greifen. Optisch wird dann das Bild eines Puzzles bemüht, das, sind alle Teile vorhanden und an der richtigen Stelle platziert, ein Gesamtwerk ergibt.

Stanislawski lobt St. Pauli für Wahl-Transfer

Wie man ein solches baut, kann Holger Stanislawski sehr gut beurteilen. Auch wenn der ehemalige Trainer, der die Braun-Weißen von 2006 bis 2011 coachte und mit dem Verein von der Dritten bis in die Erste Liga aufstieg, schon lange nicht mehr an der Seitenlinie steht: Der 54-Jährige hat einen Blick und ein Gespür für das Gefüge von Teams, für die Bedürfnisse eines Clubs.

Stanislawski lobte zuletzt seinen Ex-Verein für den "guten Transfer mit Wahl vergangenen Sommer" - und benannte damit das Puzzleteil, das im St.-Pauli-Bild noch gefehlt hatte: einen weiteren Führungsspieler, einen Akteur, der der Achse um Abwehrboss Eric Smith und die Mittelfeldspieler Jackson Irvine und Marcel Hartel den Rücken freihält, kurzum: einen Balance-Spieler in jeder Hinsicht.

Wahl ist Leader ohne Binde und Integrationsfigur

Wahl, der als Kapitän von Holstein Kiel in seine Geburtsstadt Hamburg wechselte, ist bei St. Pauli ein Leader ohne Binde, Integrationsfigur, Kommunikator, Organisator im Stillen. "Auf dem Platz Führung zu übernehmen, heißt, in den kritischen Momenten da zu sein", sagt der 29-Jährige. Ob in den engen Phasen eines Spiels - oder mit Blick auf eine ganze Saison.

Wahl wird dieser Verantwortung seit Tag eins am Millerntor gerecht. Als rechter Halbraumverteidiger in Coach Hürzelers anspruchsvollem 3-4-3-System ist er unter anderem für die Absicherung der offensiven Ausflüge Smiths zuständig, der sich bei Ballbesitz häufig ins zentrale defensive Mittelfeld einschaltet.

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Gute Ergänzung zu Smith

Im Schnitt steht er knapp sechs Meter tiefer als der Schwede. Von Wahl verlangt das ein hohes Maß an taktischer Disziplin, räumlichem Bewusstsein und physischer Ausdauer.

Mit seinem Eins-gegen-Eins-Verhalten, seinem Kopfballspiel und präzisen Tacklings ist er einer der besten Verteidiger der Liga. Und Einschätzungen der GSN-Datenanalysten zufolge - auch im Verbund mit dem linken Halbraumverteidiger Karol Mets - als Ergänzung zu Smith zu verstehen. Wahl nutzt seine körperliche Überlegenheit und sein exzellentes Timing, um gegnerische Angriffe zu neutralisieren.

Taktische Intelligenz und Antizipationsvermögen

Hinzu kommt seine taktische Intelligenz, mit der er sich an dynamische Spielsituationen anpasst. Er identifiziert, wann er die Position halten muss, um Unterstützung zu leisten oder die durch Smiths Vorstöße entstandenen Räume zu decken. Seine Antizipationsfähigkeit ermöglicht es ihm, potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu handeln.

Die Bewegung ohne Ball ist eine Anforderung, die Coach Hürzeler an seine Spieler - insbesondere im Defensivverhalten - stellt, wie er im vergangenen Dezember im Millernton-Podcast erklärte: "Bereit sein für Ballverluste, um die Räume zu verteidigen, in die der Gegner spielen kann." Für einen Verteidiger wie Wahl bedeutet das beispielsweise: Wenn er nicht mehr anspielbar ist, muss er sich einen Gegenspieler suchen, um bei einem Ballverlust sofort ins mannnahe Gegenpressing gehen zu können.

Wahl ist permanent in Bewegung

Der Einschätzung der GSN-Experten zufolge macht der 29-Jährige das "fast ideal". Offensiv, weil er sich so anbietet, dass er über ein Dreieck eigentlich immer zwei Mitspieler anspielen kann, Smith und den rechten Mittelfeldspieler Manolis Saliakas. Und defensiv steht er mit seinem antizipativem Laufverhalten bei Ballverlusten ebenfalls gut: Er kann im Verbund mit Mets auf Abseits spielen, Smith in der Mitte absichern oder die rechte Seite dicht machen, sollte Saliakas zu hoch stehen oder überlaufen werden.

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Die Daten zeigen: Wahl ist permanent in Bewegung - durchschnittlich 11,18 Kilometer pro Partie. Genau so viel wie Smith und etwas mehr als Mets. Mit fast 15 Sprints pro Partie liegt er zwischen dem Esten (15,4) und dem Schweden (14) - hat allerdings mit 60 deutlich mehr intensive Läufe als seine beiden Abwehrkollegen.

Im Vergleich zu den vergangenen beiden Spielzeiten in Kiel agiert Wahl dabei offensiver, musste sein Spiel also an die Anforderungen des Systems bei St. Pauli anpassen.

Kommunikator und Organisator

Eine weitere dieser Anforderungen ist die Sicherheit im Passspiel. Ob bei der allgemeinen Passquote, bei den Pässen ins letzte Drittel, den Offensivpässen oder den progressiven Pässen: In vielen Statistiken erreicht der gebürtige Hamburger auf seiner Position im Ligavergleich Spitzenplätze. Wahl ist ein Muster an Beständigkeit, er verliert nur zwei Bälle pro Partie in der eigenen Hälfte. Ligaspitze.

Darüber hinaus haben die "Kiezkicker" in Wahl einen Spieler verpflichtet, der eine zentrale Rolle in der Kommunikation und Organisation der Defensive übernimmt - insbesondere, wenn Smith das Mittelfeld unterstützt. Seine Anweisungen und sein taktisches Verständnis helfen dem Team, auch unter Druck eine strukturierte Formation zu wahren und effizient zwischen Angriff und Verteidigung zu wechseln.

Erfahrung aus mehr als 300 Partien in 2. Liga und 3. Liga

Wohl keine Mannschaft ist nach Gegentoren - oder wie zuletzt in Unterzahl gegen Braunschweig - so gefestigt wie die Hürzeler-Elf. Auch ein Verdienst Wahls, der mit seiner Erfahrung aus mehr als 300 Partien in der 2. und 3. Liga Ruhe ausstrahlt - und das Spiel in der Balance hält.

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Ein Gleichgewicht herzustellen, ist aber nicht nur eine Aufgabe auf, sondern auch neben dem Platz, wie nicht nur seine direkte Wahl in den Mannschaftsrat zeigt. Es ist eine Qualität Wahls, die Hürzeler bereits zu Beginn der Saison lobte: "Die Spieler, die nicht spielen, müssen am meisten Wertschätzung bekommen von denen, die spielen. Darauf achtet Hauke zum Beispiel sehr gut."

Noch mehr Verantwortung in Nürnberg

Und weiter hatte der Coach - ohne Wahl explizit zu nennen - gesagt: "Im Mannschaftsrat haben wir Spieler, die besonders viel Verantwortung übernehmen und das Team anführen werden."

In den kritischen Momenten da sein. Wahls Selbstverständnis und dieser an sich selbst gestellte Anspruch, sie werden am Sonnabend beim Gastspiel des Tabellenführers beim 1. FC Nürnberg (13 Uhr, im NDR Livecenter) stärker gefordert sein denn je. Zwar sah es beim zuletzt verletzten Smith unter der Woche wieder besser aus, wie Hürzeler am Donnerstag sagte.

Ob er gegen die Franken schon wieder spielen kann, ist aber ebenso unklar wie bei Mets (Knie) und David Nemeth (zuletzt muskuläre Probleme und Krankheit). Definitiv gesperrt fehlen wird Saliakas (fünfte Gelbe Karte).

Bestreitet Wahl im Sommer sein erstes Bundesliga-Spiel?

Den 29-Jährigen ficht die Verletzungsmisere nicht an: "Wir haben einen breiten Kader." Und er selbst das Vertrauen, die Dinge in der Balance halten zu können. Für den persönlichen Traum vom ersten Bundesliga-Spiel. Das könnte er, der den GSN-Daten zufolge als "solider Bundesligaspieler" eingestuft wird, mit dann 30 Jahren Mitte August bestreiten. Es wäre für ihn mit Sicherheit ein schönes Puzzleteil im Gesamtbild seiner Karriere.

 

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 16.03.2024 | 15:17 Uhr

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