NachGedacht: Die Nüsse des Zorns
Leben heißt letztlich, Problemlösungen zu suchen. Über eine sehr gewitzte, womöglich vielseitig anwendbare Problemlösungsstrategie denkt Alexander Solloch nach.
Ich hör' nur immer: Kaufrausch, Kaufrausch - pass bloß auf, dass Du nicht in den Kaufrausch gerätst, sonst wird es böse enden mit Dir! Aber ich sage: Erstmal alles aufkaufen. Mal sehen, ob sich das nicht noch als nützlich erweist. Zum Beispiel neulich im Supermarkt: Natürlich legte ich da gleich zwei Exemplare des neuen kicker-Sonderhefts für die Bundesliga-Saison 23/24 in den Einkaufswagen - eins für mich und das andere als Geschenk für ein ähnlich tickendes Kind im Freundeskreis. Diebisch freute ich mich schon auf die aufmerksame Frage der Kassiererin: "Wirklich zwei Hefte?" Ich hätte dann nämlich geantwortet: "Aber ja, das kicker-Sonderheft ist so toll, dass man es gut und gerne zweimal lesen kann!" Nicht schlecht, oder? Leider aber scannte sie stumpf und kritiklos beide Hefte einfach nur ab. Wo ist sie hin, die gute alte Fürsorge?
Schokolade ist Obst und Gemüse gleichermaßen
Trotzdem halte ich es für wichtig, stets vorbereitet zu sein auf kritische Nachfragen. Wenn sich also demnächst mal wieder jemand in Ansehung meines Abendbrottellers bei mir erkundigt, ob ich nicht vielleicht etwas mehr Obst und Gemüse zu mir nehmen wolle, werde ich antworten: "Danke, ich hab' schon. Zwei Tafeln Schokolade am Tag sollten reichen." Ihre Sachdienlichkeit bezieht diese Aussage daraus, dass Schokolade aus Kakaobohnen gemacht wird; die Bohne wiederum zählt in der Botanik zum Gemüse und wird zugleich als Hülsenfrucht bezeichnet. Schokolade ist also Obst und Gemüse gleichermaßen - besser kann's doch gar nicht laufen im Leben.
Es ist eben längst nicht immer alles so, wie es scheint. Die Erdbeere ist keine Beere, sondern eine Nuss - genauer: eine Sammelnussfrucht -, wohingegen die Erdnuss keine Nuss ist, sondern auch wieder eine Hülsenfrucht wie die Schokolade. Und sie macht ja auch ähnlich süchtig. Man könnte sich glattweg in einen Erdnusskaufrausch hineinsteigern!
Die Macht der Angst vor Erdnüssen
Leider reagieren manche Menschen auf Erdnüsse, obgleich sie Früchte sind, nicht so erfreulich. Ich denke an meine liebe alte Kollegin Ulrike, die, wenn man ihr eine Handvoll Erdnüsse anbot, lakonisch feststellte: "Nee, du, wenn ich die esse, muss ich leider sterben." Und das war dann schon recht überzeugend. Englische Tageszeitungen berichteten in dieser Woche von einer Reisenden, die auf dem Flug von Düsseldorf nach London sämtlichen im Flugzeug verfügbaren Vorrat an Erdnüssen aufgekauft habe.
Die junge Frau sei in Sorge vor einer schweren allergischen Reaktion gewesen, die nach ihren Befürchtungen hätte auftreten können, wenn auch nur ein Passagier eine Packung erworben und geöffnet hätte. Wissenschaftler sagen zwar, Allergiker hätten allein durchs Einatmen von Erdnussprotein nichts Schlimmeres als allenfalls eine milde Hautreizung zu erwarten, aber die Macht der Angst ist, wie wir wissen, keine kleine. Weil die Fluggesellschaft nach Angaben der jungen Frau nun aber ihre Bitte zurückwies, auf den Verkauf der Erdnüsse zu verzichten, wusste diese sich nicht anders zu helfen, als selbst alle 48 Packungen zu erwerben. 168 Euro habe sie dafür ausgegeben, gibt sie zornig an. Fürwahr keine Peanuts.
Was nervt, wird aufgekauft
Aber jenseits von finanziellen Erwägungen ist der Gedanke doch genial: das, was peinigt, nervt und ängstigt, vollständig aufzukaufen, damit es weg ist und keinen Schaden mehr anrichten kann. Die Fantasie arbeitet: Wie wär's, alle Autos zu kaufen und alle sonstigen Waffen, sämtliche Verkehrsministerien und jegliches Gemüse (außer Schokolade)? Da müsste sich doch ein Mäzen finden lassen.
Es gibt ja nun eine Partei, aus der es völkischbeobachtend tönt, die EU müsse sterben, damit Europa leben könne. Die und ihren ganzen ideologischen Trödel würde ich bitte gern auch kaufen. Ich biete fünf Euro.