NachGedacht: "Frauen, Leben, Freiheit" - das neue Gefühl
Am kommenden Sonntag sind vier Wochen seit dem Tod einer jungen Iranerin vergangen. Seitdem beklagen Frauen und Männer ihren Tod, demonstrieren im Iran und weltweit. Auch in Deutschland solidarisieren sich Menschen.
Entschlossen, wütend, zornig steht sie da: eine Frau in grauer Jeans und schwarzem T-Shirt. Ihre rechte Hand hält eine Schere, die linke wedelt mit einem abgeschnittenen Haarbüschel. Bilder, die in Melbourne aufgenommen wurden, durch die sozialen Medien um die Welt gehen und eine klare Sprache sprechen: Nein zum Kopftuchzwang, nein zur Unterdrückung, nein zu einem Regime, das Menschen gängelt und erniedrigt.
In diesen Tagen zeigen sich so viele Frauen auch in Deutschland: Schauspielerinnen wie Meret Becker oder Katharina Thalbach. Sie schneiden ihre Haare ab, eine Strähne oder mehr. Symbolaktionen weltweit, Zeichen der Trauer, der Solidarität.
Proteste im Iran seit dem Tod von Mahsa Amini
Schauplatz: Iran. Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini mobilisiert: Frauen nehmen ihr Kopftuch ab, verbrennen es und tragen die Haare offen, selbstbewusst. Vor vier Wochen war die junge Mahsa Amini in Teheran auf offener Straße von sogenannten iranischen Sittenwächtern festgenommen worden. Ihre Kleidung sei unziemlich, unzüchtig, unmoralisch. Der Rest ist bekannt: Amini stirbt drei Tage später in der Haft. Die offizielle Todesursache lautet Herzinfarkt, doch ihre Familie, und mit ihr viele Iranerinnen und Iraner, wollen daran nicht glauben.
Proteste haben Schulen erreicht: Mädchen ziehen ihr Kopftuch ab. Studentinnen, junge Frauen machen es vor. Ihre Kopftücher schwenken sie kraftvoll über den Köpfen. In Sprechchören rufen sie: "Frauen, Leben, Freiheit" oder "Tod dem Unterdrücker".
Instagram und WhatsApp abgeschaltet
Der Große Bazar in Teheran blieb, so berichten Zeitungen, am vergangenen Wochenende geschlossen, die Rollläden der Geschäfte heruntergezogen. Stille an einem Ort, wo sonst das Leben tobt, wo Handel und gesellschaftlicher Alltag pulsieren, wo Geschäfte gemacht werden. Ja, auch die Bazar-Händler haben Angst, dass durch die Proteste ihre Waren beschädigt werden könnten. Ihr eigentlicher Impuls aber ist klare Solidarität mit den Demonstrierenden.
Weniger freiwillig und eigeninitiativ ist die Sperrung eines anderen Marktplatzes: Instagram und WhatsApp, im Iran äußerst beliebte Kommunikationsplattformen, wurden vom Innenministerium abgeschaltet. Man wertet sie als Teil der "Verschwörungsoperationen" durch die "Hetzmaterial verbreitet" und die "nationale Sicherheit" gefährdet werde. Klares Ziel: Die iranische Regierung will die Veröffentlichung von Aktionen per Video kappen.
Hoffnung auf Veränderung
Wovor hat man Angst? Gruppensolidarität kann zur Gruppendynamik werden, die Systeme zum Sturz bringen könnte. Ist es das? Ist die Zeit in Teheran reif für eine tatsächliche, tiefgreifende Veränderung? Weg mit den verkrusteten, alten Überzeugungen, die viele Menschen nicht verstehen können und wollen.
Das, was gerade im Iran passiert, könnte weitreichend sein. Es wird getragen von einem Gefühl, das anders ist als bei den Protesten der vergangenen Jahre. Menschen haben Angst, um ihr Leben, um ihre Existenz, um ihre Freiheit. Aber das starke Gefühl der Entschiedenheit schweißt zusammen und lässt sie hoffen auf Veränderung.