Slam Poetry Gewinner Sven Kamin stellt stellt auf der Bühne dar, was passiert, wenn Roboter die Macht ergreifen. © Lornz Lorenzen

Hochdeutsch versus Plattdeutsch: Wer gewinnt den Poetry Slam?

Stand: 18.05.2023 11:53 Uhr

Von Rittern im Schogettenhemd und Robotern, die Humanisten sind: Plattdeutsche und Hochdeutsche Poetry Slamer begeisterten das Publikum in der ausverkauften Flensburger Kulturwerkstatt.

von Lornz Lorenzen

Die Stimmung ist kurz vor dem Siedepunkt. Im Finale des ausverkauften "Hochdeutsch vs. Plattdeutsch"-Poetry Slams in der Flensburger Kulturwerkstatt stehen sich die Kielerin Mona Harry und der Wedeler Sven Kamin gegenüber. Die erfolgreiche Autorin hat mit ihrer "Liebeserklärung an den Norden" ein Stück Heimat-Kulturgut geschaffen und will das Publikum jetzt mit märchenhaft gereimten Süßigkeiten überwältigen. Der Plattpoet aus Wedel dagegen spricht eine "Reisewarnung" für Besucher und Besucherinnen von Großenkneten aus, die dort im Nachtleben beim "Danz op de Deel" mit ungestümen Einheimischen zusammenstoßen könnten.

Mona Harry tritt gegen Sven Kamin an

Beide Slamer sind in Hochform. Mona Harry rezitiert ihre wohlgeformten Verse, die auf kaloriengeschwängerte Markennamen gemünzt sind, technisch perfekt und gleichzeitig mit viel Gefühl aus dem Kopf: "Lindwurm töten ist des Ritters Sport". Während Sven Kamin eine elektronische Lesehilfe zur Hand nehmen muss, seinen plattdeutschen Text dann aber mit einer solchen Stimmgewalt sowohl in den leisen wie in den lauten Passagen zum Leben erweckt und die Gäste mitreißt, dass sie ihm am Ende des sechsminütigen dichterischen Wettkampfes 20 Sekunden länger Applaus spenden. Sieg für den Slam-Poeten, Familienvater und Pressesprecher der Stadt Wedel. Herzlichen Glückwunsch.

Sven Kamin gewinnt in der Finalrunde und das "Team Hochdeutsch" in der Gesamtwertung

Blick ins Publikum bei einem Poetry Slam. © Lornz Lorenzen
Das Publikum entscheidet beim Poetry Slam in der Finalrunde durch Applaus.

Insgesamt gewinnt aber das "Team Hochdeutsch" an diesem Abend gegen das "Team Plattdeutsch" nach Punkten mit fünf zu drei siegreichen Wortduellen. Sowohl Lautstärke, Dauer und Häufigkeit des Applauses ließen jedoch darauf schließen, dass das Publikum von allen Poetry-Slam-Beiträgen und KünstlerInnen begeistert war. Einige waren zum ersten mal überhaupt bei einem Poetry Slam und freuten sich besonders über die plattdeutschen Beiträge.

Auch ernste Töne haben Platz

Shafia Khawaja liest auf einer Bühne. © Lornz Lorenzen
Shafia Khawaja kämpft gegen falsche Schönheitsideale in der Werbung.

Andere freuten sich, erzählten sie dem Reporter später ins Mikro, vor allem darüber, die prominenteste Slamerin Mona Harry zu sehen. Doch nicht nur sie zog alle Register ihres Könnens. In ihrem ersten Text erinnerte die in Bargteheide aufgewachsene Journalistin Shafia Khawaja an die Opfer rechter Gewalt in Deutschland. In ihrem zweiten Halbfinalbeitrag kritisiert sie am Beispiel einer Fernsehwerbung für pinke Nassrasierer für Frauen die Macht repressiver Schönheitsideale. Der mehrfache Slammeister Jan Wattjes, der Dritte im Team Hochdeutsch, führte dagegen zweimal mit gekonntem Wortwitz Geschichten von Oma Edeltraud ins Feld.

Carina Dawert: "Ik meen so rein genetisch stickt in mi jo ok n beten Revolutschoon"

Carina Dawert hebt auf der Bühne ihre rechte Hand. © Lornz Lorenzen
Carina Dawert trägt einen sehr persönlichen Text vor und trauert auf der Bühne.

Ernstere Töne schlug auch Carina Dawert aus dem Team Plattdeutsch an. In ihrer Geschichte "Mööd, man modig" (Müde, aber mutig) sinniert sie über den Verlust eines geliebten Menschen, schildert Trauer, Wut Verzweiflung. Es sei ihr ein wichtiges Anliegen, deutlich zu machen, sagt sie, dass Plattdeutsch viel mehr könne als lustige Döntjes:

Nu sitt ik hier vör dien Foto un föhl mi leddig un alleen. "Trauer kommt in Schüben" dat seggt en so. En Nett ut düüstere Gedanken maakt sik in mi breet. Ik weet nix mit mi antofangen. Bi woveel Milliliters fangt egens Alkoholismus an? Ik kiek na buten. Man dat Geföhl, Deel vun düsse Welt to ween, is nu wohrraftig keen Troost för mi. So as jümmers, so as fröher, villicht ut Reflex, wähl ik dien Nummer. Man nüms geiht ran." Carina Dawert

Jan Graf: Im Wechselbad der Gefühle

Jan Graf spricht auf einer Bühne. © Lornz Lorenzen
Jan Graf führt in seiner Geschichte das Publikum hinters Licht.

Im Wechselbad der Gefühle taucht Jan Graf, ebenfalls vom Team Plattdeutsch, ab in mystische Welten. Sagengestalten begegnen dem Erzähler bei seinen erfundenen Reisen nach Italien, wo er über den "Kanale de Brumbia" gondelt, der nirgendwo zu googeln ist. Dann reisen wir nach Schweden, begegnen auf einem Dorffest in "Snodderbacka" einer Tänzerin, die sich als weiblicher Troll entpuppt, und am Ende sitzen die ZuschauerInnen mit Jan Graf zusammen bei einem Glas Whisky, das sich als Produkt schwärzesten Humors entpuppt.

... de Poesie scheert sik nich üm Schranken, de düssiet vun güntsiet trennt, oder wohr vun unwohr. Jan Graf

Weitere Ausschnitte des "Hochdeutsch vs. Plattdeutsch"-Poetry Slams sind in den kommenden Wochen immer montags von 20 bis 21 Uhr im Programm von NDR1 Welle Nord zu hören. Und ein Vorgeschmack hier:

Sven Kamin liest auf der Bühne von einem Blatt ab. © Lornz Lorenzen
AUDIO: Sven Kamin beim Poetry Slam in Flensburg: "Roboter" (5 Min)

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 22.05.2023 | 19:00 Uhr

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