VIDEO: Theater Lüneburg: Drastische Sparmaßnahmen befürchtet (5 Min)

Lüneburger Symphoniker: Selbstbewusst in schwierigen Zeiten

Stand: 17.10.2023 14:07 Uhr

Die Lüneburger Symphoniker sind das kleinste Theaterorchester Deutschlands, haben aber finanzielle Sorgen. Trotz der ungeklärten Zukunft der 29 Musikerinnen und Musiker ist zum Start der Spielzeit eine leichte Aufbruchstimmung bemerkbar.

Wie ein Damoklesschwert hängt das Gutachten zur Finanzierbarkeit über dem Orchester, dem die Verkleinerung, wenn nicht gar die Schließung droht. Das Land Niedersachsen scheint sich zumindest vorübergehend zu bewegen, der Zuschuss für diese Spielzeit soll nachträglich um zehn Prozent steigen. Auch für das kommende Jahr soll das geschehen.

Um die Musiksparte zu erhalten, braucht das Theater aber vor allem eins: Langfristige Perspektiven. "Wir wollen eine Vereinbarung, die uns durch die Übernahme der Tarifsteigerungen Planungssicherheit gibt. Wir sind in Verhandlungen, und ich bin wie immer optimistisch, das man das auch hinbekommt, aber die derzeitigen Signale aus Hannover deuten nicht darauf hin", sagte Landrat Jens Böther NDR Kultur.

"Ich glaube, das Publikum versteht, was es bedeutet, so ein Orchester im Kulturleben dieser Stadt zu haben." Dirigent Tohar Gil

Die Musiker sind eng mit dem städtischen Leben verbunden, leisten viele Angebote für Kinder - auch über das Theaterleben hinaus, bestätigt beispielsweise Sängerin Paula Rohde vom Opernchor: "Viele meiner Kolleg*innen sind auch als Lehrende tätig". Mit anderen Worten: Wenn die Orchestermitglieder wegziehen, leidet auch der Musikunterricht. Das wissen die Menschen: Das Lüneburger Theater sammelte bisher mehr als 10.000 Unterschriften für den Erhalt der Musiksparte.

Weitere Informationen
Ein Theatergebäude in der Nacht. © Violaine Kozycki Foto: Violaine Kozycki

Spargutachten veröffentlicht: Theater Lüneburg in großer Not

Jährlich beläuft sich das Defizit auf einen Millionenbetrag. Jetzt liegen erstmals konkrete Zahlen auf dem Tisch. mehr

Am Montag haben die Lüneburger Symphoniker nun ihr erstes Konzert der neuen Spielzeit gegeben. Stephan Sturm aus der Musikredaktion von NDR Kultur war dabei.

Wie ist das Konzert gelaufen?

Stephan Sturm: Ich würde sagen, es gab drei Gewinner an diesem Abend: zum einen das Orchester, das sich mit einem anspruchsvollen Programm und von seiner besten Seite präsentiert hat. Zum anderen das Lüneburger Publikum, das sein Orchester feierte und sich gerade in diesen so schwierigen Zeiten deutlich auf der Seite seines Orchesters zeigte. Der dritte Gewinner war der eigentliche Star an diesem Abend: der israelische Dirigent Tohar Gil. Er hat das Orchester mit seiner Begeisterung mitgerissen; er konnte klar zeigen, wo es musikalisch hingehen soll.

Es waren sicher auch viele Emotionen im Spiel?

Sturm: Ja, das stimmt. Da war eine Art Trotz-Stimmung zu spüren: "Jetzt erst recht, jetzt zeigen wir mal, was wir können." Da war auch ein großer Zusammenhalt unter den Orchestermitgliedern zu spüren. Ich persönlich fand es ein starkes Zeichen vom Orchester, dass nicht internationale Solisten eingekauft wurden, wie das sonst üblich ist, sondern dass alle Solisten aus den eigenen Reihen stammen: die beiden Bratschen-Solistinnen im Telemann-Stück, Antje Dampel und Hyunmin Oh, sowie Konzertmeister Markus Menke und der Flötist Idan Levi im zweiten Brandenburgischen Konzert. Sie alle sind Orchestermitglieder.

Lüneburger Symphoniker in einem Park © Theater Lüneburg/ Lüneburger Symphoniker / Jochen Quast Foto: Jochen Quast
AUDIO: Lüneburger Symphoniker in unruhigen Gewässern (7 Min)

Wie ist der Stand der Dinge?

Sturm: Das Gutachten ist veröffentlicht. Es rät zu einer Verkleinerung des sowieso schon für ein Opernorchester recht kleinen Ensembles - oder gar zu einer Auflösung. Aber eines ist bei dem Gutachten auch herausgekommen, darauf hat Intendant Hajo Fouquet deutlich hingewiesen: "Es gibt kein Theater, das wirtschaftlicher und effizienter ist."

Da müssen die Stadt und der Landkreis Lüneburg und das Land Niedersachsen nun abwägen. Im schlimmsten Fall - wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen - hätte das Aus des Orchesters große Auswirkungen auf die Mitglieder. Das hat uns auch die Cellistin Julia Schumann gesagt: "Für mich würde das eine Umschulung bedeuten."

Wann soll die Entscheidung fallen?

Sturm: Wenige Tage vor Weihnachten. Aber man muss auch sagen, dass es immer mehr Stimmen gibt aus der Politik, seitens der Stadt und dem Landkreis, die sich für den Erhalt des Orchesters einsetzen wollen. Dieser leichte Rückenwind, diese leichte Aufbruchstimmung machte sich gestern bemerkbar im Konzert und während der anschließenden kleinen Feier im Theater-Foyer, zu der das Orchester und das Theater eingeladen hatten.

Das Gespräch führte Philipp Cavert.

Weitere Informationen
Mitarbeiter des Theaters Lüneburg demonstrieren für mehr Gelder.

Sternmarsch für den Erhalt der Lüneburger Symphoniker

Beim Theater Lüneburg wird das Geld knapp. Das Orchester sucht Unterstützung und hat bei einer Aktion in der Lüneburger Innenstadt Unterschriften gesammelt. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 16.10.2023 | 22:45 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

This Band is Tocotronic, Cover
Podcast von ARD Kultur, rbb, NDR Kultur © ARD

"This Band is Tocotronic" in der ARD Audiothek

Der Podcast von rbb und NDR erzählt die Geschichte der Band. extern

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Schauspieler David Bennent (links) und Regisseur Volker Schlöndorff beim Filmkunstfest MV auf der Bühne © Frank Hormann/dpa Foto: Frank Hormann

Filmkunst-Ehrenpreis für Schlöndorff - "Fliegender Ochse" für Dresen

Volker Schlöndorff ist beim Filmkunstfest MV mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet worden. Andreas Dresens Film "In Liebe, Eure Hilde" gewinnt den Hauptpreis. mehr