Gerhard Ehlert: Mit 101 Jahren noch immer an der Bratsche

Stand: 15.04.2024 14:35 Uhr

Dieser Mann ist ein Phänomen: Gerhard Ehlert aus Meiersberg. Er ist 101 Jahre alt und spielt immer noch mit bei den Uecker-Randow-Sinfònies in Torgelow - und hält mit der Jugend mit.

von Friederike Witthuhn

Kaum zu glauben: Dieser Mann nimmt keine Tablette, macht jeden Tag Gymnastik und hält sich mit Bratsche-Spielen fit: Gerhard Ehlert aus Meiersberg bei Ueckermünde. Dort ist er der mit Abstand älteste Einwohner. Und auch im Orchester, in dem er schon seit vielen Jahren ein wichtiger Mann an der Bratsche ist.

Ehlert blickt auf ein bewegtes Leben

Der 101-jährige Gerhard Ehlert sitzt am Tisch und schreibt. © NDR
Seine Erfahrungen bringt Gerhard Ehlert auf Papier.

Zu den Proben fährt er immer noch allein mit seinem Auto. Hinter Ehlert liegt ein bewegtes Leben. Als er 3 Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm aus Meiersberg weg - nach Göttingen. Das war 70 Jahre lang sein Zuhause. Doch im hohen Alter meinte er: Er muss zurück in seine alte Heimat. Und da lebt der ehemalige Bauingenieur und Pilot jetzt allein, kommt ohne Tabletten durch den Alltag und wie sagt er so schön: "Ich bin so gesund, mein Ende sehe ich gar nicht kommen."

Jeden Dienstag ist Gerhard Ehlert bei den Proben der Uecker-Randow-Sinfònies dabei, und jeden Tag übt er zwei Stunden. Kann er noch mit der Jungend mithalten? "Ja, lässig, lässig. Ich bin besonders laut im Ton, ich bin nicht so ein Piepser", so Ehlert.

Gerhard Ehlert: Musizieren war schon immer sein Hobby

Ein altes Familienporträt in Schwarz-weiß. © NDR
Unten rechts im Bild der junge Gerhard Ehlert.

Früher arbeitete er als selbständiger Bauingenieur. Musizieren war schon immer sein Hobby. Und er hat so seine Lieblingskomponisten: "Ich mag nicht alles von Bach, als wenn das nun der große Gott ist. Dann kommen die großen Romantiker. Da schlägt es bei mir ein - Schubert", erzählt er. "Und der für mich ganz, ganz große Meister ist Tschaikowsky. Der ganz große Erfinder von richtig schönen Melodien. Da kommt keiner ran an ihn."

Schon mit fünf Jahren hat Gerhard Ehlert angefangen, Geige zu spielen, eiferte seinem Vater nach, der Militärmusiker war. Ein künstlerischer Haushalt. "Meine Mutter und meinen Vater kenne ich immer nur lesend", berichtet er. Geboren ist Ehlert in Meiersberg bei Ueckermünde. 1925 zogen seine Eltern mit ihm aus Vorpommern nach Rendsburg, Stendal, und Rathenow - zuletzt lebte er mehr als 70 Jahre in Göttingen. Immer an seiner Seite: seine Frau Marie-Luise. Als sie starb, zog es ihn in seine alte Heimat zurück. Leidenschaftlich gern schreibt er Briefe, aber auch seine Erinnerungen bringt er zu Papier: Im Krieg ist er Pilot. Er stürzt ab, überlebt, landet in russischer Gefangenschaft. "Silvester 1949, da habe ich die Wohnung meiner Eltern betreten", erzählt er. Das war das Ende der Gefangenschaft.

So kann es weitergehen

Gerade fühlt er sich jedoch nicht so fit. Dem 101-Jährigen macht eine Magenverstimmung zu schaffen. Trotzdem: Bewegung und frische Luft müssen sein. Regelmäßig besucht er seinen Geigenbauer in Potsdam. Dass seine Instrumente gut spielen, ist ihm sehr wichtig. "Viele Leute, die so alt sind, schaffen es nicht mehr so richtig. Doch er kommt trotzdem jede Woche hier her und spielt mit uns zusammen, als Gemeinschaft - und das schätze ich sehr an ihm", sagt Orchester-Mitstreiter Daniel Kasper.

Und die 19-jährige Leonie Gutgesell findet: "Er ist auch sehr leidenschaftlich beim Geigenbau mit dabei und gibt mir auch noch Tipps, wie ich meine Bratsche verbessern kann und was er da für Vorschläge hat. Ansonsten auch Interpretationen, die er für Stücke hat, wie er die gerne spielen würde, bringt er auch hier im Orchester immer mit ein. Ja, er hat da schon viele Vorschläge."

Gerhard Ehlert - der Mann an der Bratsche. Geht es nach ihm, kann es gern noch ein paar Jahre so weiter gehen.

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