Kristine Ringe und die Fotografin von Lebefrauu © Katharina Preuth Foto: Katharina Preuth

Lebefrauu aus Hamburg provoziert mit Vulven und Brüsten

Stand: 09.05.2024 17:37 Uhr

Stillen in der Öffentlichkeit oder Menstruation: Die Hamburger Fotografin, die unter dem Künstler*innen-Namen Lebefrauu auftritt, provoziert mit Tabuthemen. Im Mai erscheint ihr erstes Buch - gemeinsam mit Texterin und Konzepterin Kristine Ringe.

von Katharina Preuth

Einmal im Jahr findet im Hamburger Millerntor-Stadion die Kunstaustellung "Millerntor Gallery" statt. Die Kunst dort provoziert und polarisiert sowieso schon. Doch im letzten Jahr hat ein Foto für besonders viel Aufsehen gesorgt: Eine überdimensionierte Vulva, die durch Blumen nur leicht verdeckt war.

"Kurz vor der Eröffnung wurde das Bild wieder entfernt. Es gab Diskussionen, auch mit Menschen, von denen wir es nicht erwartet hätten. Am Ende konnten wir es doch zeigen", erklärt Kristine Ringe. Die Texterin und Konzepterin hat in den letzten Jahren mit und für Lebefrauu gearbeitet. Die Hamburger Fotografin tritt nicht mit ihrem Klarnamen auf, sondern unter ihrem Künstler*innen-Namen Lebefrauu.

Das Foto in der Millerntor Gallery sollte dazu beitragen, weibliche Geschlechtsteile zu entsexualiseren. "Es ist der männliche Blick, der sie sexualisiert. Dem wollen wir mit unserer Kunst und Arbeit entgegenwirken. Wir fragen Frauen und Flinta-Personen, wie sie sich selbst und andere Frauen sehen. Uns geht es um den weiblichen Blick", sagt die Fotografin.

Bilder von Lebefrauu entstehen mit analogen Kameras

Das Mood-Board von Lebefrauu mit dem Logo © Katharina Preuth Foto: Katharina Preuth
Das Board mit dem Logo von Lebefrauu und Ideensammlungen steht in der Küche der Fotografin.

Die Menschen vor ihrer Kamera entscheiden selbst, in welchen Posen sie sich ablichten lassen wollen. Pro Shooting macht die Fotografin etwa 70 analoge Bilder - ein Mix aus Polaroid, einer Point-and-Shoot-Blitz-Kamera und einer Spiegelreflex-Kamera. "Wir sehen die Bilder erst, nachdem sie entwickelt sind. Die Menschen vor der Kamera müssen mir anders vertrauen, als bei digitalen Fotos. Analoge Fotografie hat etwas verletzliches. Der Look ist raw ", erzählt die 36-jährige Hamburgerin.

Sie hat Lebefrauu am 8. März 2020, am Weltfrauentag, gegründet, um dem männlichen Blick auf Frauen in der Fotografie etwas entgegenzusetzen. "Wenn ein Mann Frauen fotografiert, sieht man seine sexuellen Vorlieben, ob es Brüste sind, der Po oder Füße. Ich fotografiere auch Brüste, aber aus einem anderen Blickwinkel", erklärt die Fotografin. Dass Brüste in der Kunst der beiden eine besondere Rolle spielen, ist auch im Logo zu erkennen: die beiden "U's" in Lebefrauu stehen für die weibliche Brust.

"Weißer Feminismus": Migrationsgeschichte ist Teil der Kunst

Beide Künstlerinnen verbindet unter anderem ihre Migrationsgeschichte. Kristine Ringe kam als Fünfjährige aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Die 29-Jährige leitet heute ihre eigene Werbeagentur in Wittenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Beiden ist der Migrationshintergrund nicht anzusehen. Sie werden, so sagen sie es selbst, als weiße Personen gelesen.

Dennoch spielt ihre Geschichte eine Rolle in ihrer Kunst. In einem aktuellen Projekt hat sich Lebefrauu mit "Weißem Feminismus" auseinandergesetzt. Vor ihrer Kamera stand dafür Autorin und Aktivistin Fatima Remli im roten Hosenanzug vor einer roten Wand und im Jeans-Zweiteiler vor einem gewebten Teppich. Das Künstler*innen-Kollektiv kritisiert den weißen Feminismus, weil er die Perspektiven nicht-weißer Frauen vernachlässigt.

Genau wie Fatima Remli stand kurz nach der Gründung von Lebefrauu Kristine Ringe vor der Kamera. Bei diesem Shooting haben sich die beiden Frauen kennengelernt, um von da an gemeinsam Kunst zu machen.

Kampagne für Sea Watch: Europa aus feministischer Sicht

Ihr bisher größtes gemeinsames Projekt war eine Kampagne für Sea Watch. "Die Idee war, Europa aus feministischer Sicht darzustellen und dem Thema Seenotrettung andere Bilder zu geben", erklärt Kristine Ringe. Heraus kamen drei Filme. Im Mittelpunkt steht eine schwarze Frau, die das neue Europa darstellen soll:

Im Mai erscheint ihr erstes Buch mit Bildern aus den ersten gemeinsamen Lebefrauu-Jahren.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kultur im Norden | 09.05.2024 | 17:30 Uhr

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