Lautes Lachen und intime Momente mit Helga Schubert in Rostock
Am Donnerstag hat Helga Schubert bei "Der Norden liest" aus ihrem Roman "Vom Aufstehen" gelesen. Für die 81-Jährige, offen und mitunter verletzlich wirkende Autorin war der Auftritt fast ein Heimspiel: Sie lebt bei Schwerin.
Endlich wieder live vor Publikum! "Der Norden liest" - die Veranstaltungsreihe von NDR Kultur und dem Kulturjournal des NDR Fernsehens war am Donnerstagabend mit Helga Schubert und ihrem Roman "Vom Aufstehen" in einem Zirkuszelt zu Gast. Genauer: in dem riesigen, gelb-blauen Zirkuszelt Fantasia im Rostocker Stadthafen. Das Zelt ist offen, frische Luft kommt hinein, aber auch Geräusche von der viel befahrenen Straße in unmittelbarer Nähe, was für eine ganz eigene Atmosphäre sorgte. Es war der erste Lesungsabend mit Publikum seit fast acht Monaten in der Reihe "Der Norden liest."
Helga Schuberts Lesung in Rostock: Fast ein Heimspiel
Im September 2008 müssen Helga Schubert und ihr Mann zum Ordnungsamt in dem Ort Lübstorf, Mecklenburg. Die Beamtin am Schalter ist offenbar etwas übereifrig und belässt es nicht bei der gewünschten Änderung der Papiere. Schubert erzählt bei der Lesung: "Nachdem die Standesbeamtin uns die berichtigten Personalausweise überreicht hatte, gab sie noch den Tipp, uns für unsere Beerdigung gleich noch den Friedwald in Lübstorf anzusehen. Nah und romantisch als privater Buchenwald an den Hängen des Schweriner Sees gelegen, das Café der Schlossgärtnerei gleich nebenan. 'Die richten dort auch sehr schön die Beerdigungsfeierlichkeiten aus mit selbst gebackenem Kuchen und Vollwertkost', sagte sie."
Banales und Außergewöhnliches liegen nah beieinander
So ist das bei Helga Schubert, Banales und Außergewöhnliches, Trauriges und Komisches liegen in ihren Geschichten ganz dicht beieinander, und am Ende geht immer irgendwie alles um Leben und Tod. Am Anfang steht immer der Alltag, aber schnell drehen und wenden sich ihre Geschichten in die nahe und in die ganz ferne Vergangenheit. DDR und BRD, der Zweite Weltkrieg, die Flucht. Faszinierend ist: Helga Schubert erzählt auf diese Weise nicht nur zwischen zwei Buchdeckeln, sondern auch im ganz normalen Gespräch. Zum Beispiel mit NDR Kultur Redakteur Alexander Solloch von NDR Kultur, der den Abend moderierte und ab und an in die langen Erzählperioden gleichsam hineingrätschte.
Schubert: "Das empfinde ich ja auch als einen ungeheuren Fundus, in einer geschlossenen Gesellschaft groß geworden zu sein ..."
Solloch: "Aber das ist interessant, heute sagen Sie, das ist ein Fundus, ein Schatz gewissermaßen. 1993, als sie den Hans-Fallada-Preis bekommen haben, haben Sie in Ihrer Dankesrede gesagt, sie empfänden Traurigkeit über die vielen eingeschlossenen Jahre."
Schubert: "Ja, aber das ist doch dasselbe für mich. Ich bin wirklich traurig darüber."
Helga Schubert wirkt bei "Der Norden liest" offen, verletzlich
Auch das ist faszinierend an Helga Schubert: in ihren Texten, ebenso wie im Gespräch, wirkt sie offen, gerade heraus, mitunter verletzlich. In Rostock erzählte sie von der Ehe mit ihrem 13 Jahre älteren Mann, dem Maler Johannes Helm, der schwer krank ist und den sie seit Jahren in ihrem Dorf bei Schwerin pflegt. Ob das ihr idealer Ort sei, wollte Alexander Solloch wissen. "Ich hab den Ort nicht in der Realität. Ich habe den Ort dort, wo ich einen Menschen liebe. Das ist jetzt schon fast 60 Jahre lang so, denselben, und wenn er nicht mehr leben sollte, dann werde ich da nicht mehr leben, nehme ich an."
Lautes Lachen und intime Momente machten die Lesung im Zirkuszelt im Rostocker Stadthafen aus.
Das Rostocker Publikum blickt zurück auf eine gelungene Lesung mit Helga Schubert, endlich wieder eine Literaturveranstaltung live mit Gästen. Eine Hörerin erzählt: "Mir hat das sehr gut gefallen, mein Eindruck ist durchweg positiv..." Ein anderer sagt: "Mir hat das sehr gut gefallen, ich hatte das Buch vorher schon gelesen, beziehungsweise 'Am Morgen vorgelesen' gehört. Und sie jetzt live zu erleben und ihre Lebendigkeit und ihre Jugend in ihrem Alter, also das finde ich faszinierend."