Vorderansicht des Buches "Catperson" der Autorin Kristen Roupenian © Aufbau Verlag

Buch "Cat Person" - Packender Höllenritt durchs Dating 2.0.

Stand: 14.11.2023 15:00 Uhr

Die Kurzgeschichte "Cat Person" der jungen US-Autorin Kristen Roupenian war im Netz eine Sensation: 2,6 Millionen Mal wurde sie geteilt. 2019 hat ist sie in einem einen Band mit Short Storys erschienen.

von Eva Garthe

Veröffentlicht Ende 2017 im Magazin "New Yorker" traf sie im Zuge der MeToo-Debatte einen Nerv und wurde zum viralen Hit. Dass der überwältigende Erfolg auf ein Buchprojekt hindrängte, war abzusehen.

"Cat Person": Dates, die schieflaufen

Kristen Roupenian im Porträt © picture alliance/Elisa Roupenian Toha/Aufbau Verlag/dpa Foto: Elisa Roupenian Toha
Kristen Roupenian wurde 1982 in Plymouth, im US-Bundesstaat Massachusetts, geboren.

"Cat Person" - genau wie ihre Erfolgs-Story heißt nun auch Kristen Roupenians Erzählband mit elf weiteren Kurzgeschichten. Was alles schieflaufen kann beim Dating in Zeiten von Whatsapp und Tinder, das legt Roupenian in der titelgebenden Story mit großer Präzision offen: Die 20-jährige College-Studentin Margot lernt den älteren Robert kennen, sie schicken sich Textnachrichten, und nach einem verunglückten Date findet sie sich in seinem Schlafzimmer wider. Nach dem schlechten Höflichkeitssex versucht Margot den Kontakt abzubrechen, aber Robert bombardiert sie mit Textnachrichten.

"Hey, du scheinst gerade ziemlich beschäftigt zu sein, was? schrieb Robert, drei Tage nachdem sie miteinander geschlafen hatten, und sie wusste, das war die perfekte Gelegenheit, um ihm die angefangene Schlussmach-SMS zu schicken. Aber stattdessen schrieb sie einfach nur: Haha, ja stimmt, sorry und Ich melde mich. Und dann dachte sie: Warum mache ich das bloß?, und fand keine Antwort darauf." Leseprobe

 

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Situationen, die eskalieren

Die Kernfrage, die Kristen Roupenian in verschiedenen Variationen stellt, lautet: Warum tun Menschen das, was sie eigentlich nicht tun wollen oder sollen? Sehnsüchte, Ängste, Projektionen und verdrängte Gefühle sind dabei die Katalysatoren, die ihre Stories vorantreiben.

Vorderansicht des Buches "Catperson" der Autorin Kristen Roupenian © Aufbau Verlag
Der Band enthält Kurzgeschichten, die von Problemen mit Online-Bekanntschaften erzählen.

"Cat Person" ist nur eines der Highlights in diesem Erzählband. Gleich die erste Geschichte "Böser Junge" vermag einen in den Bann zu ziehen. Sie beginnt zunächst harmlos: Ein Pärchen gewährt einem gemeinsamen Freund nach dessen Trennung Asyl und macht sich einen Spaß daraus, beim Sex besonders laut zu sein. Berauscht von der Erfahrung gemeinsam ausgeübter Macht eskaliert die entstehende Dreiecksbeziehung von lustvoll zu gewaltsam.

"Er war wie ein glitschiges Etwas, das wir in unseren Händen gefangen hielten, und je fester wir zudrückten, desto mehr davon quoll uns durch die Finger. Wir jagten nach etwas in ihm, das uns aufputschte, aber wie Hunde wurden wir ganz verrückt von dem Geruch. Wir experimentierten ein wenig - mit Schmerzen und blauen Flecken, Fesseln und Sexspielzeug - und danach brachen wir in einem Durcheinander von feuchten Gliedmaßen zusammen, alle ineinander verschlungen wie der Müll, der nach einem Sturm an den Strand geschwemmt wird." Leseprobe

Geschichten, die vage bleiben

Düstere Fantasien, Manipulation, sexuelle Gewalt… Zimperlich sollte man bei der Lektüre dieser Texte nicht sein, die zum Teil arg blutrünstig, sexuell explizit und provokant daherkommen. Doch auch das ist Teil der Faszination dieser Erzählerin: Das Erschauern, die Gänsehaut, der Kloß im Hals beim Lesen sind physische Beweise der Effektivität dieser Texte.

Stilistisch brennt Kristen Roupenian zwar kein Feuerwerk ab. Doch sie weiß, wo es weh tut. Und sie ist eine Meisterin des Suspense, des Spannungsaufbaus. Dass sie diese Spannung nicht immer zufriedenstellend auflöst, ist einer der Schwachpunkte dieses Buches. Zu oft enden die Geschichten im Diffusen, im Vagen, bleiben pointenlos.

Einige Stories sind wahrhaft erstklassig, andere fallen dagegen etwas ab. Das Buch ist ein Erstlingswerk, das offenbar unter Zeitdruck entstanden ist, weil man die Gunst der Stunde nutzen wollte. Aber an seinen besten Stellen ist es ein packender, verstörender und bitterkomischer Höllenritt durch die Abgründe sexuellen Begehrens und die Irrungen und Wirrungen in Zeiten von Dating 2.0. Es lässt einen das außergewöhnliche Potential dieser jungen Autorin ahnen.

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Cat Person

von Kristen Roupenian, aus dem Englischen von Nella Beljan und Friederike Schilbach
Seitenzahl:
228 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Blumenbar / Aufbau Verlag
Veröffentlichungsdatum:
2019
Bestellnummer:
978-3-351-05057-3
Preis:
20,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 30.01.2019 | 12:40 Uhr

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