Arno Surminski: Für Versöhnung, gegen das Vergessen
Arno Surminski gilt als "Ostpreußen-Chronist". Aber der bald 90-Jährige hat mehr zu bieten als Vertriebenen-Thematik. Es geht ihm vor allem um Versöhnung und Völkerverständigung. Inspiration zu seinen Werken findet er unter anderem im schleswig-holsteinischen Wacken.
Dort, wo Jahr für Jahr im August Zehntausende Fans das größte Heavy-Metal-Fest der Welt feiern, hat Surminski mit seiner Frau Traute ein Sommerhäuschen. Viel länger schon, als es das "Wacken Open Air" gibt. Erworben hat er es 1975, ein knappes Jahr nach seinem literarischen Durchbruch mit "Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland". Das zweite Buch, "Kudenow oder An fremden Wassern weinen" ist fast ausschließlich in Wacken entstanden.
Jugend in Trittau, Holzfäller in Kanada
Die beiden Werke sind mittlerweile zwei literarische Denkmale, die bis heute für das Schicksal vieler Millionen Flüchtlinge stehen, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur aus Ostpreußen kamen, um in Westdeutschland wieder Fuß zu fassen.
Sie sind auch stark autobiografisch gefärbt, denn Surminski hat genau das erlebt: Als Zwölfjähriger flüchtete er 1945 ohne seine Eltern, die in die Sowjetunion deportiert wurden, aus dem ostpreußischen Jäglack (heute Jeglawki) und landete in Trittau bei Hamburg. Nach einer Lehre in einem Anwaltsbüro wanderte er aus und lebte drei Jahre als Holzfäller in Kanada.
Schreiben über Flucht und Vertreibung
Nach der Rückkehr nach Deutschland arbeitete er in der Rechtsabteilung einer Hamburger Versicherungsgesellschaft, ehe er sich der Schriftstellerei widmete. Er bewarb sich 1974 mit seinem "Jokehnen"-Manuskript unter anderem beim renommierten Hamburger Verlag Hoffmann & Campe, doch der wollte seinem Autor Siegfried Lenz, ebenfalls gebürtiger Ostpreuße, keine Konkurrenz ins Haus holen. So griff ein Stuttgarter Verlag zu.
Mit dem großen Erfolg von "Jokehnen", habe er nicht gerechnet, sagte Surminski in einem dpa-Interview zu seinem 80. Geburtstag: "Ich führe es darauf zurück, dass es eine neue Form des Schreibens über Krieg und Nachkriegszeit war - eben aus der Sicht der Kinder." Das Thema Ostpreußen sei damals von Vertriebenenverbänden besetzt worden - samt mancher Vorwürfe und Forderungen.
Bundesverdienstkreuz 2016
Es ging Surminski in seinen Werken eben nicht um Revanchismus, sondern neben der Wiederbelebung der verlorenen Welt Ostpreußens auch immer wieder um Völkerverständigung und Versöhnung. Dafür gab es 2016 in Hamburg das Bundesverdienstkreuz.
Die damalige Sozialsenatorin der Hansestadt, Melanie Leonhard (SPD), würdigte in ihrer Laudatio, dass Surminski von Flucht und Elend ohne Schuldzuweisungen schreibe. Der Autor sei zu einem Sprachrohr für die Kriegsopfer geworden - in Surminskis Büchern gehe es darum, "eine neue Identität zu finden, ohne die eigenen Wurzeln zu vergessen".
Arno Surminski: "Ich habe mehrere Heimaten"
Seine Wurzeln hat Surminski - inzwischen achtfacher Großvater - nicht vergessen. Auch wenn er mehrere Orte als seine Heimaten bezeichnet. "Meine Kindheit ist natürlich Ostpreußen, an Hamburg hänge ich auch sehr, ebenso an Trittau", sagte er mal in einem NDR Interview.
"Aber da bei mir das Heimatgefühl mehr vom Menschen kommt und nicht vom Boden, kann ich Heimat überall haben, wo man mit der Familie und mit Freunden und Bekannten lebt." Arno Surminski
Jäglack, der Ort seiner Kindheit, sei nicht mehr so sehr Heimat. Am Ende sei dort alles zerstört oder abgebrannt, die Menschen geflohen, die Eltern verschleppt: "Damit erlosch das heimatliche Gefühl", erzählte er im "Hamburger Abendblatt" ein. Ein neues habe sich dann für Trittau entwickelt: "Als ich nach Kanada ging und dort als Holzfäller arbeitete, hatte ich manchmal Heimweh - und zwar nach Trittau, nach den Menschen dort."
Nicht nur Ostpreußen als Thema
Dass er oft als Ostpreußen-Schriftsteller bezeichnet wird, ärgert ihn nicht, auch wenn es ihn nach eigenen Worten "etwas einschränkt". Schließlich hat Arno Surminski zahlreiche Bücher über ganz andere Themen geschrieben.
So verarbeitete er in "Fremdes Land oder Als die Freiheit noch zu haben war" (1980) sein "Aussteiger"-Leben in Kanada. "Kein schöner Land" (1993) handelt von der deutschen Wiedervereinigung. In "Amanda oder Ein amerikanischer Frühling" (2009), reisen ein Student und eine extravagante ältere Dame gemeinsam durch die USA. Der Erzählband "Im Garten des Schönen" (2013) vereint heitere und besinnliche Geschichten aus dem Norden, zum Beispiel über die Dorfbewohner in Wacken.
Eine Autobiografie wird es nicht geben
Im vergangenen Jahr erklärte Surminski, an einem Roman zu arbeiten, "in dem die russischen und kanadischen Wälder die Hauptrolle spielen". Außerdem an Erzählungen "über Ost und West, Liebe und Tod" - 2023 sei mit Veröffentlichungen zu rechnen, verriet der 88-Jährige dem Portal "Weltexpress".
Eine Autobiografie werde er aber nie verfassen, "weil", wie er mal gesagt hat, "meine Bücher schon ein Stück autobiografisch sind". Da sei das Wichtigste gesagt worden, was man über sein Leben wissen möchte.