Stand: 17.03.2015 14:37 Uhr

KZ-Aufseherin: Das dunkle Geheimnis der Hilde M.

von Anne Ruprecht
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Blumen an einem Gedenkstein in Bergen-Belsen. Archivbild 2013. © picture-alliance/ dpa/dpaweb Foto: Rainer Jensen

Ausstellung über Todesmärsche der KZ-Häftlinge

Zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers plant die Gedenkstätte Bergen-Belsen eine Feier sowie eine Ausstellung. Sie thematisiert die Todesmärsche der Häftlinge. mehr

Nun wird erneut gegen Hilde M. ermittelt. Darüber hatte Anfang Februar zuerst die "Welt am Sonntag" berichtet. Fast zehn Jahre lang lag das Interview aus dem Jahr 2004 unbeachtet im Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Nun ist es Auslöser der aktuellen Ermittlungen. Die konzentrieren sich auf mögliche Straftaten auf einem Todesmarsch, den Hilde M. Anfang 1945 mit beaufsichtigte - eine Woche lang, vom KZ-Außenlager Grünberg in Schlesien bis nach Guben, das heute an der deutsch-polnischen Grenze liegt. Von dort aus sollten die Häftlinge später noch wochenlang weiter in Richtung Westen getrieben werden und schließlich im März in Bergen-Belsen ankommen. Von diesem Marsch berichtet sie in dem Interview: "Bei den Bauern haben wir übernachtet und die Kühe standen im Stall und brüllten, die waren angebunden und wurden nicht gemolken. Ich konnte ja melken und bin in den Stall und hab gemolken, dann haben wir uns Suppe gekocht und Kakao." Auf die Frage, ob auch die Häftlinge zu essen hatten, antwortet Hilde M. eilig: "Ja! Da wurde dann irgendwie gekocht, weiß nicht mehr wie, aber jeder hat sein Essen gehabt nachher." In ihrer Erzählung klingt kein Mitleid an.

Überlebende des Todesmarsches

Lene Kessler
Lene Kessler hat den Todesmarsch überlebt. Doch wer nicht mehr weitergehen konnte, sei erschossen worden.

Lene Kessler war eine kurze Strecke mit Hilde M. gemeinsam auf diesem Marsch, bevor ihr die Flucht gelang. Nur schemenhaft erinnert sich die 93-Jährige an ihre damaligen Bewacher. Umso deutlicher an Kälte, Hunger - und Erschöpfung: Wer nicht mehr weitergehen konnte, sei erschossen worden. Darum sei sie immer weitergegangen. "Wenn die zweite Möglichkeit ist, dass Sie erschossen werden, dann laufen Sie halt."

"Wie ist es möglich, dass man sieht und nichts gesehen hat?"

In der Erinnerung von Hilde M. gibt es keine Toten. Keine Leichen. Keine Erschießungen. Auf die Frage, ob sie da jemals gesehen habe, wie Grünberger KZ-Häftlinge misshandelt worden seien: "Nee, eigentlich nicht. Das muss ich sagen, das waren so richtig brave Gefangene!" Und fügt hinzu: "Die wollten doch auch leben!"

Panorama 3 hat der KZ-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch einige Interview-Ausschnitte von Hilde M. gezeigt. "Wie ist es möglich, dass man sieht und nichts gesehen hat?" fragt sie und sagt: "Sie hat das aus ihrem Bewusstsein herausgestrichen. Aber es ändert nichts an den Tatsachen."

Hilde M. reagierte weder auf Anrufe noch Interviewanfragen. Ob sich die Schuldfrage nach so vielen Jahren juristisch fassen lässt, ist fraglich. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 17.03.2015 | 21:15 Uhr

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