Ein Strauß Rosen in einer Toilettenschüssel © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
Ein Strauß Rosen in einer Toilettenschüssel © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
Ein Strauß Rosen in einer Toilettenschüssel © picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
AUDIO: NachGedacht: Großes Geschäft - Liebeserklärung an die Toilette (4 Min)

Großes Geschäft: Liebeserklärung an die Toilette

Stand: 17.11.2023 06:00 Uhr

Unsere Nachgedacht-Kolumnistin Lena Bodewein muss mal, ganz dringend, über etwas sehr Wichtiges reden: Am Sonntag wird der Welttag der Toilette begangen. Das ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit.

von Lena Bodewein

"Ich muss mal", sagt sich so leicht. Für die allermeisten von uns, ist das, was dann folgt, ebenso einfach: Wir benutzen ein sauberes, funktionierendes, privates Klo. Haben Sie doch wahrscheinlich, oder?

Weitere Informationen
Verkleidete Karnevalisten warten am 12.02.2015 in Duesseldorf waehrend der Weiberfastnacht auf eine freie Toilette. © picture alliance / dpa Themendienst | Caroline Seidel Foto: Caroline Seidel

Die Schlange vor den Damentoiletten

Während bei den Männern alles frei ist und sie fröhlich kommen und gehen, stehen sich die Frauen die Beine in den Bauch. mehr

Wir verlieren kein Wörtchen übers stille Örtchen: "Ich muss mal nach den Pferden sehen", "mir die Nase pudern", "für kleine Königstiger", "dahin, wo auch der Kaiser zu Fuß hingeht", "dem Ruf der Natur folgen" - lauter ausweichende Formulierungen. Es ist irgendwie peinlich, die Sache beim Namen zu nennen. Blödsinn!

Liebeserklärung an die Toilette

Eine Liebeserklärung würde er seiner Toilette machen, Lieder über sie dichten, sie loben und preisen - mit Blumen und Parfum, sagt Jack Sim, der Gründer der Welttoilettenorganisation. Denn ein Klo ist etwas Wunderbares, ein Luxus, über den man reden soll, ein Ort, an dem wir im Durchschnitt siebenmal am Tag die Hose runterlassen. Jack Sim nennt sich The World’s Number Two Man, grob übersetzt: der Mann fürs große Geschäft. Denn seine Mission sind Klos für die Welt. Er will, dass wir über Toiletten reden, denn: "Worüber wir nicht reden, das können wir nicht ändern."

Ein Klo ist keine Selbstverständlichkeit

Lena Bodewein © Lena Bodewein
Lena Bodewein berichtete für die ARD jahrelang aus Singapur und Südostasien.

Ich muss also mal - über Sanitärversorgung sprechen. Denn, ob Sie’s glauben oder nicht: Ein Klo kann entscheiden, ob ich als Mädchen eine Schulbildung bekomme. Ob ich als Kleinkind an Durchfallerkrankungen sterbe. Oder als junge Frau vergewaltigt werde, weil ich im Dunkeln aufs Feld gehen muss, um mich zu erleichtern. Für Milliarden von Menschen besteht eine Toilette oft nur aus einem einzigen Verschlag. Für viele aus einem Eimer, einem stinkenden Loch im Boden, aus zwei Planken über einer Matschkuhle oder einem Bach, aus einem Stab, an dem man sich auf dem Feld hockend abstützt, aus einem Fleckchen Strand.

Sie haben nicht das, was für die westliche Welt selbstverständlich ist und worüber wir fast nie nachdenken: die Möglichkeit, sich in geschützter Privatsphäre zu erleichtern. Ungefährdet einen Wasserhahn aufdrehen und die Hände waschen - das ist ein Luxus, den ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung nicht genießt. Täglich sterben mehr als 800 Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen: mehr als an Aids, Malaria und Masern zusammen. Wo keine Toiletten sind und die Menschen sich überall hin entleeren, ist die Sauberkeit des Trinkwassers in Gefahr, und damit die Gesundheit. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO müssen zwei Milliarden Menschen Trinkwasser nutzen, das mit Fäkalien verunreinigt ist.

Toiletten unterstützen bei der Bildung

Mädchen ohne Toilette in der Schule brechen ihren Schulbesuch oft ab, sobald sie in die Pubertät kommen - weil sie sich während ihrer Regelblutung nicht säubern können. Jedes weitere Jahr, das ein Mädchen zur Grundschule geht, sorgt dafür, dass es später zehn bis 20 Prozent mehr verdient, so Unicef. Gerade in armen Ländern würden gebildete Frauen das Ende der Armut voranbringen. Alles verloren, wenn es keine Toiletten gibt.

Das sollte einem nicht am Allerwertesten vorbei gehen, um es so deutlich wie Jack Sim von der Welttoilettenorganisation zu sagen. Ob Sie jetzt ein japanisches Klo mit gewärmter Brille, Hinterndusche und kleiner Nachtmusik besitzen (haha) oder nur ein Nullnull8/15-WC: Sie haben eins! Feiern Sie es! Abziehen und hochleben lassen!

Weitere Informationen
Eine Frau hält auf dem Steintorplatz in Hannover ein Plakat, auf dem steht "I stand with Israel". © NDR Foto: Felix Franke

Nachgedacht: Wenn Tabus und rote Linien verschwinden

Angriff auf Israel, Wahlergebnisse in Bayern und Hessen: Die letzten Tage werfen fürchterliche Fragen auf - nicht nur nach der Gewaltfähigkeit von Menschen. mehr

Ulrich Kühn, Claudia Christophersen und Alexander Solloch. © NDR Foto: Christian Spielmann

NachGedacht

Unsere Kolumnisten lassen die Woche mit ihren Kulturthemen Revue passieren und erzählen, was sie aufgeregt hat. Persönlich, kritisch und gern auch mit ein wenig Bösartigkeit gespickt. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NachGedacht | 17.11.2023 | 10:20 Uhr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur Livestream

NDR Kultur Neo

22:00 - 00:00 Uhr
Live hörenTitelliste