Peter Fechter: Der tödliche Traum von der Freiheit
Peter Fechters Tod an der Berliner Mauer am 17. August 1962 löst weltweit Entsetzen aus. DDR-Grenzensoldaten schießen auf den 18-Jährigen. Er verblutet vor den Augen der Welt. Am 14. Januar wäre er 80 Jahre alt geworden.
In der Nähe vom Checkpoint Charlie versucht der 18-jährige Ost-Berliner Peter Fechter am 17. August 1962, zusammen mit seinem Arbeitskollegen Helmut Kulbeik die Mauer zu überwinden. Seit gut einem Jahr ist der DDR-Teil der Stadt streng abgeriegelt. Ohne gesehen zu werden gelingt es den beiden, über den ersten Stacheldrahtzaun zu klettern. Als sie die letzten Meter zur Mauer im Laufschritt zurücklegen, werden sie von den Grenzsoldaten entdeckt und beschossen. Fechters Kollege Kulbeik schafft es: Er kann die Mauer unverletzt überwinden. Peter Fechter wird mehrfach in Bauch und Rücken getroffen. Schwer verwundet und bewegungsunfähig bleibt er kurz vor der Mauer liegen. Etwa eine Stunde lang.
Langer Todeskampf vor aller Augen
Auf beiden Seiten der Mauer stehen zu diesem Zeitpunkt Menschen, durch Fechters Hilfe-Rufe werden es noch mehr. Aber niemand kommt ihm zu Hilfe. Die US-amerikanischen Soldaten auf der West-Seite werfen ihm zwar Verbandsmaterial zu und stellen eine Leiter auf - doch mehr können sie nicht tun. Sie haben die Order, still zu halten. Denn Fechter liegt auf dem Gebiet der DDR.
Dort werden die Augenzeugen von den Ordnungskräften zertreut. Sonst passiert zunächst einmal nichts. Die DDR-Grenzposten könnten zwar helfen, wollen es aber offenbar nicht. Und so verblutet Peter Fechter. Den Körper tragen die DDR-Grenzsoldaten dann fort. Wenig später stirbt Fechter in einem Krankenhaus. Er ist Berlins Mauertoter Nummer 27 - und mit seinen 18 Jahren ist der Maurergeselle einer der jüngsten.
Willy Brandt: "Wer randaliert, der hilft Ulbricht"
Hilflosigkeit, Schuld und Schmach: Fechters öffentliches Sterben mitten im Grenzstreifen erschüttert die Berliner auf beiden Seiten wie kein Mauertoter zuvor. Viele West-Berliner sind fassungslos darüber, dass die US-Soldaten nicht in Aktion getreten sind, nicht tätig werden durften. Noch am selben Abend formiert sich ein großer Demonstrationszug - und zum ersten Mal richtet sich der Protest auch gegen die Amerikaner. Einige wollen gar die Mauer zum Einsturz bringen. Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt (SPD) sieht sich genötigt, zu beschwichtigen: "Bleiben Sie besonnen", bittet er die Demonstranten. "Wer randaliert, der hilft Ulbricht. Wer die Angehörigen unserer Schutzmächte in unflätiger Weise angreift, der hilft Ulbricht."
Fall Peter Fechter markiert für viele den Bruch mit der DDR
Die DDR-Sicherheitsorgane wiederum tun alles, um den Zorn der eigenen Bevölkerung im Keim zu ersticken. Peter Fechters Familie wird eingeschüchtert. An seinem Grab wacht anfangs stets ein Stasi-Mitarbeiter. Doch so sehr sich der sozialistische Staat auch bemüht: Für viele DDR-Bürger markiert der Fall Peter Fechter ihren Bruch mit dem System - zeigt er in ihren Augen doch die menschenverachtende Art und Weise, mit der dafür gesorgt wird, dass die Grenze mitten durch Berlin möglichst unüberwindbar bleibt. Gerade das mag einige anstacheln, es trotzdem zu probieren.
Mindestens 140 Mauertote allein in Berlin
Mindestens 140 Menschen sind es, die bis 1989 allein an der Berliner Mauer ums Leben kommen - erschossen beim Versuch, die Grenzanlagen zu überwinden, verunglückt oder durch den selbstgewählten Tod. Insgesamt sterben zwischen 1961 und 1989 mindestens 600 Menschen bei dem Versuch, aus der DDR zu fliehen.
Am 9. November 1989 sind es schließlich die DDR-Bürger, die die Mauer zum Einsturz bringen. Wenig später erstatten Hinterbliebene der Mauertoten erstmals Anzeige. Unter ihnen sind auch Verwandte von Peter Fechter. Doch in fast allen Prozessen - auch im Fall Fechter - kommen die Mauerschützen mit Bewährungsstrafen davon.