Sendedatum: 24.03.2014 20:15 Uhr

Schlechte Noten für Pflege-TÜV

von Carola Beyer
Ein Pfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer bettlägerigen Bewohnerin. © dpa Foto: Oliver Berg
Bei der Auswahl eines Pflegeheims orientieren sich viele Betroffene an den Noten des Pflege-TÜV.

Den sogenannten Pflege-TÜV gibt es seit 2009. Jede Pflegeeinrichtung wird einmal im Jahr vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen geprüft. 77 Punkte werden aktuell abgefragt. Am Ende gibt es für jedes Heim eine Note. Die Pflege-Note soll die Qualität der Einrichtungen widerspiegeln. Ähnlich wie bei den Schulnoten gibt es Noten von eins bis fünf. Menschen, die auf der Suche nach einem Pflegeheim sind, finden diese Noten auf den Internetseiten der Krankenkassen oder auch auf der Seite der Heime. Für viele Angehörige sind sie ein wichtiges Kriterium bei ihrer Entscheidung.

Die meisten Heime haben Bestnoten

Dabei wird der Pflege-TÜV mit seinem Notensystem seit Jahren kritisiert und die Aussagekraft infrage gestellt. Denn die meisten Heime in Deutschland haben Bestnoten vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen erhalten. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 1,2. Dabei sieht die Realität in vielen Heimen anders aus. Weil das Personal fehlt, kommt es immer wieder zu schwerwiegenden Pflegefehlern.

Insiderin: "Dokumente werden gefälscht"

Ein Pfleger füttert eine alte Frau. © picture-alliance / dpa Foto: Patrick Pleul
Eine Insiderin wurde unter Druck gesetzt, Dokumente für den Pflege-TÜV zu fälschen.

Die nötige Pflege könne aus Zeitmangel oft gar nicht durchgeführt werden, berichtet eine Pflegerin, die anonym bleiben möchte. In den Patientenakten würden Arbeitsschritte aber häufig auch dann als erledigt vermerkt, wenn sie nicht gemacht wurden.Die Insiderin schildert ihren Arbeitsalltag in verschiedenen Pflegeheimen mit Bestnoten: "Ich wurde nach Dienstende angehalten alle Pflegeleistungen zu dokumentieren, die beim Bewohner eigentlich hätten gemacht werden müssen. Auch wenn ich das gar nicht geschafft habe. Wenn man sich  geweigert hat, wurde man ins Personalbüro zitiert und entweder zeichnet man ab oder sie haben gedroht, die Zusammenarbeit zu beenden. Sie werden genötigt, täglich Dokumente zu fälschen."

Heimleiter: "Pflege-TÜV ist legalisierter Betrug"

Und die Dokumentation ist bei der Prüfung für die Pflege-Noten das A und O. Denn die Fragen des Pflege-TÜV werden größtenteils anhand von Dokumentationen und schriftlichen Konzepten beantwortet. Darauf haben sich die Heime in den letzten Jahren gut vorbereiten können. Sogar Heimleiter, die von guten Noten profitieren, prangern den Pflege-TÜV an. So wie Armin Rieger, Heimleiter in Augsburg: "Für mich ist der Pflege-TÜV der legalisierte Betrug und Verbrauchertäuschung, denn ich kann schlechte Pflege mit guter Dokumentation gut schreiben. Das heißt ein miserables Heim kann eine Eins bekommen. Das kann nicht sein."

 

Dieses Thema im Programm:

Markt | 24.03.2014 | 20:15 Uhr

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