Chemie und Mikroplastik: Kleidung als Umweltproblem
Dass in der Textilindustrie zum Teil verheerende Arbeitsbedingungen herrschen, ist spätestens seit dem Einsturz eines Fabrikgebäudes in Bangladesch mit mehr als 1.100 Toten kein Geheimnis mehr. Weniger bekannt ist, dass die Textilbranche ein großer Umweltverschmutzer ist: Studien zufolge verursacht sie rund 1,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr, mehr als internationaler Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Dazu kommt ein hoher Wasserverbrauch, denn allein für die Herstellung eines 250 Gramm schweren T-Shirts werden bis zu 2.275 Liter Wasser gebraucht. Die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert zudem den massiven Einsatz von gesundheits- und umweltgefährdenden Chemikalien bei der Produktion von Kleidung.
Textilproduktion mit Tausenden Chemikalien
Bis zu 3.000 verschiedene Chemikalien würden im Herstellungsprozess für Kleidung eingesetzt, sagt Pharmazeutin Viola Wohlgemuth, die sich für Greenpeace mit den Umweltaspekten der Textilindustrie beschäftigt. Die Abwässer aus den Fabriken vergiften Flüsse und Trinkwasser in den Produktionsländern, vor allem in Asien und Mittelamerika. Aber auch die Kleidung selbst ist mit Chemikalien belastet. Bereits 2011 startete Greenpeace die weltweite Detox-Kampagne: Textilhersteller wurden aufgefordert, ihre Produkte zu entgiften und bis zum Jahr 2020 Schadstoffe durch ungefährliche Substanzen zu ersetzen. Inzwischen haben sich weltweit rund 80 Modemarken der Initiative angeschlossen. Ein erster Schritt Richtung saubere Kleidungsproduktion.
Outdoor-Bekleidung voller Chemie
Ein Problem sind nach wie vor wasserabweisende per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC), die vor allem in Outdoor-Bekleidung zu finden sind. Sie sorgen für wasserfeste und zugleich atmungsaktive Jacken und Hosen, können beim Menschen aber die Fruchtbarkeit und das Immunsystem schädigen und zu Schilddrüsenerkrankungen führen. Bei Untersuchungen im Jahr 2016 stellte Greenpeace fest, dass 36 von 40 getesteten Outdoor-Artikeln teils hohe PFC-Konzentrationen aufwiesen. Den Stoff fand die Organisation zudem bereits in den entlegensten Gegenden der Erde wie dem Himalaya oder den Anden - weit entfernt von Industriea nlagen. PFC ist in der Umwelt biologisch nicht abbaubar, Wind und Wasser transportieren den Stoff überallhin.
Synthetik-Kleidung setzt Mikroplastik frei
60 bis 70 Prozent der heutzutage produzierten Bekleidung bestehen nicht aus Naturfasern wie Baumwolle oder Seide, sondern aus Polyester und sind damit erdölbasiert. Verbraucher schätzen den Stoff wegen seiner guten Pflegeeigenschaften - Kunstfasern trocknen schnell und passen sich dem Körper gut an. Allerdings verlieren diese Kleidungsstücke bei jedem Waschgang Fasern in Form von Mikroplastik: 77 Gramm gelangen dem Fraunhofer-Institut Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik zufolge pro Kopf und Jahr auf diese Weise in die Umwelt. Besonders viele Fasern verlieren Fleece-Produkte mit ihrer aufgerauten, kuscheligen Oberfläche.
Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein forschen derzeit an Synthetik-Stoffen, die weniger Plastik abgeben, und an Alternativen aus natürlichen Rohstoffen.
Modemacher auf der Suche nach neuen Stoffen
Auf der Suche nach Fasern, die in Zeiten von Fast Fashion weniger schädlich für die Umwelt sind, gehen auch immer mehr junge Modemacher neue Wege. Die Düsseldorfer Designerin Gesine Jost zum Beispiel macht Mode aus Brennnesseln. Die Hannoveranerin Anke Domaske stellt Mode aus Milch her: Aus alter Milch wird das Eiweiß Kasein getrennt und daraus eine Faser gesponnen. Auch Leder aus Ananas und Mode aus Orangenschalen wurden schon produziert. Noch sind all diese Ideen aber nicht massentauglich.
Schon gängiger sind Textilien aus Holzfasern. Viskose ist ein weit verbreiteter Stoff, dessen Basis Zellulose ist, gewonnen aus Holzfasern zum Beispiel von Buchen, Fichten oder Eukalyptus. Chemisch aufbereitet ist das Endprodukt aber wieder ein halbsynthetischer Stoff, keine reine Naturfaser.
Ökologisch verträglichere Varianten sind Modal oder Lycocell, auch Tencel genannt. Die Zellulose stammt von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Bei der Faserherstellung sollen nur Wasser und ungiftige Lösungsmittel im Einsatz sein und die Fasern sind biologisch abbaubar.