Ein symbolischer Holzstempel, gehalten von einer Hand mit der Aufschrift "Bürgergeld". © picture alliance / SULUPRESS.DE Foto: Torsten Sukrow

Hartz-IV soll Bürgergeld werden: Reaktionen aus Schleswig-Holstein

Stand: 14.09.2022 17:50 Uhr

Aus Hartz-IV soll Bürgergeld werden - dazu hat das Bundeskabinett am Mittwoch den entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Das Jobcenter Kiel sieht das positiv, Kritik kommt vom Sozialverband und von der Arbeitgeberseite.

Laut Landesarbeitsagentur leben in Schleswig-Holstein etwa 176.000 Menschen von der sogenannten Grundsicherung - sie könnten ab 1. Januar 50 Euro mehr pro Monat erhalten. Das sieht ein Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor, Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Der Geschäftsführer des Jobcenters in Kiel, Karsten Böhmke, spricht von einer sinnvolles Weiterentwicklung.

Ein symbolischer Holzstempel, gehalten von einer Hand mit der Aufschrift "Bürgergeld". © picture alliance / SULUPRESS.DE Foto: Torsten Sukrow
AUDIO: Bürgergeld: Was das für Schleswig-Holstein bedeutet (1 Min)

Grundsicherung soll Stigma verlieren

In den Jobcentern solle wieder auf Augenhöhe miteinander gesprochen werden, so Böhmke. "Es gibt bisher eine sehr engmaschige Eingliederungsvereinbarung, die immer auch versehen war mit der Androhung von Sanktionen", erklärte er. Diese soll mit der Einführung des Bürgergelds durch eine sogenannte Kooperationsvereinbarung ersetzt werden. Außerdem soll es eine sechsmonatige Vertrauenszeit geben und zwei Jahre lang die vorhandene Wohnung vom Jobcenter weiter bezahlt werden, damit nicht gleich ein Umzug fällig wird. Auch vorhandenes Vermögen soll erstmal nicht angetastet werden, es gibt zum Beispiel für Alleinstehende einen Freibetrag von 60.000 Euro. "Dieses Stigma, das Jobcenter macht dich nackig und greift einfach gleich auch auf alle möglichen Dinge zu, das wollen wir nicht mehr", sagt Böhmke.

Sozialverband: Erhöhung zu niedrig

Dass Betroffene in den ersten sechs Monaten nicht mit Sanktionen rechnen müssen, wenn Sie Arbeitsangebote ablehnen oder Termine versäumen, begrüßt auch der Sozialverband. Nach Ansicht von Landesgeschäftführer Alfred Bornhalm braucht es aber mehr finanzielle Unterstützung: "Vor dem Hintergrund exorbitanter Kostensteigerungen in den letzten Monaten ist das, was jetzt vorgeschlagen wird, eine Anhebung um 50 Euro, absolut nicht vertretbar", sagt er. Es müsse ein anderes Bemessungssystem her. Aufgrund der schwierigen Situation müssten aus seiner Sicht 100 Euro pro Empfänger und Empfängerin monatlich gezahlt werden.

UV Nord: Gefahr der Ungleichbehandlung

Die Vereinigung der Unternehmensverbände (UV Nord) befürchtet eine Ungleichbehandlung zwischen Geringverdienenden und Bürgergeld-Beziehenden. "Wenn wir auf der einen Seite sehen, dass Geringverdiener in der Industrie beinahe dasselbe verdienen wie Bedarfsgemeinschaften unterm Strich übrig haben, aber selber die steigenden Energie- und Heizkosten tragen müssen, während andere es vollständig übernommen bekommen, dann ist eine Schieflage vorprogrammiert", meint Hauptgeschäftsführer Michael Thomas Fröhlich. Er kritisiert zudem die Entschärfung des Sanktionsmodells.

Nach Ansicht von Bundesarbeitsminister Heil dagegen wird mit dem neuen Bürgergeld mehr dafür getan, wieder in Arbeit zu kommen, als mit dem bisherigen Hartz-IV-System. Dazu beitragen soll unter anderem eine Prämie, wenn Betroffene eine Ausbildung nachholen. Wenn Bundestag und Bundesrat dem Entwurf zustimmen, könnte die Reform zum 1. Januar kommenden Jahres greifen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 14.09.2022 | 17:00 Uhr

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