Forschungsergebnis: Enzym aus der Tiefsee zersetzt PET-Plastik

Stand: 30.09.2023 11:58 Uhr

Fünf Jahre hat ein Team aus Wissenschaftlern der Universitäten Kiel, Hamburg und Düsseldorf geforscht: Nun haben sie ein Enzym entdeckt, mit dessen Hilfe PET in Zukunft schneller recycelt werden kann.

von Julia Jänisch

Plastikflaschen aus PET, es gibt sie in jedem Supermarkt. Mehrere hundert Jahre dauert es, bis so eine Flasche komplett abgebaut ist. PET-Flaschen gibt es erst seit 50 Jahren - alle Flaschen, die nun in der Umwelt sind, werden dort also noch mehrere hundert Jahre bleiben. Forscher der Universitäten Kiel, Hamburg und Düsseldorf haben nun herausgefunden, wie PET schneller zersetzt und recycelt werden kann: Sie haben ein Enzym entdeckt, das PET schon innerhalb weniger Tage in seine Einzelteile zerlegt. Aus dem, was übrig bleibt, kann dann wieder neues Plastik hergestellt werden. Enzyme wirken in lebenden Organismen wie Katalysatoren. Dass Enzyme PET zersetzen können, ist also nicht neu. Doch das jetzt entdeckte Enzym PET46 unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den bisher bekannten.

Enzym: PET46 zersetzt Plastik

Bisher waren gut 80 solcher Biokatalysatoren bekannt, die den Kunststoff PET abbauen können - diese kommen in Bakterien und Pilzen vor. Das neu entdeckte Enzym PET46 wurde aber woanders gefunden: in Urzeitbakterien (Archaeen), die zum Beispiel in der Tiefsee vorkommen. Damit steht fest: Enzyme von uralten Bakterien können einen Kunststoff zersetzen, den es erst seit wenigen Jahrzehnten gibt - ein Durchbruch für die Wissenschaftler!

Die Suche nach diesem Enzym war für die Forschenden wie die Jagd nach der Nadel im Heuhaufen, fünf Jahre haben sie an dem Projekt gearbeitet. "Das Ziel unserer Forschung ist es, neue Enzyme zu finden, die am Ende industriell PET recyceln können", erzählt Dr. Pablo Perez-Garcia, Mikrobiologe von der Universität Hamburg und Erstautor der Studie. Mit Hilfe komplexer Analysemethoden durchsuchten er und seine Kollegen eine Datenbank mit Proben aus der ganzen Welt nach dem passenden Enzym - insgesamt 10.000 Enzyme kamen zunächst in Frage. Übrig blieben am Ende 10 Enzyme, die im Labor untersucht wurden.

Das neu entdeckte Enzym PET46 stammt aus der Tiefsee vor Venezuela. Dort treffen zwei Erdplatten aufeinander und schaffen hydrothermale Quellen - es ist also sehr warm. Dass das Enzym warme Temperaturen aushalten kann, unterscheidet es deutlich von den bisher bekannten Biokatalysatoren, die PET zersetzen können. Das hat einen großen Vorteil: PET wird bei Temperaturen um 70 Grad Celsius weicher und leichter zu zerstören. Die Enzyme können das PET also bei hohen Temperaturen schneller aufspalten.

PET ist nur die Spitze des Eisbergs

Die Eigenschaften von PET46 soll nun noch verbessert werden, damit PET dadurch noch effizienter abgebaut werden kann. In Zukunft soll das Enzym industriell hergestellt werden und in speziellen Anlagen PET zersetzen. Eine ähnliche und bisher einzigartige Anlage, die mit Hilfe von Enzymen aus Bakterien PET recycelt, gibt es in Frankreich. Dort werden Plastik-Getränkeflaschen zu komplett neuen Produkten verarbeitet. Doch das Konzept stößt in der Praxis an seine Grenzen. "Nach heutigem Forschungsstand können wir sagen: PET wird in der Natur abgebaut, aber kein anderes Plastik", sagt Professor Wolfgang Streit von der Universität Hamburg. Der Kunststoff PET ist aber nur die Spitze des Eisbergs - denn er macht nur 6 % aller Plastikarten aus. Im Müll, der aus dem Meer gefischt wird, sind aber alle Plastikarten vermischt - eine Trennung ist quasi unmöglich. Dieser Müll kann also nicht industriell mit Hilfe des Enzyms recycelt werden.

Mikroplastikproblem bleibt ungelöst

Die Forschenden wollen weitermachen, denn trotz des Durchbruchs stehen sie erst am Anfang. Das neu entdeckte Enzym PET46 ist bisher nur ein Ansatz. Die Wissenschaftler untersuchen zudem Plastik aus dem Meer auf mögliche weitere Enzyme. "Im Idealfall finden wir eine Kombination aus mehreren Enzymen, die gut zusammenarbeiten, um PET noch besser abzubauen", sagt Professorin Ruth Schmitz-Streit, Leiterin der Molekularbiologie der Mikroorganismen an der Universität Kiel. Denn am Ende haben die Forscher ein großes Ziel: Sie wollen ein Enzym finden, dass Mikroplastik im Meer abbauen kann.

Weitere Informationen
Eine Frau arbeitet in einem Labor. © NDR

Forschungsprojekt aus Kiel: Bakterien als Plastikfresser

Die Kieler Doktorandin Johanna Thomsen sucht nach Mikroorganismen, die Plastik auf natürlichem Weg zersetzen können. Es gibt erste Erfolge. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 29.09.2023 | 19:30 Uhr

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Während eines Unwetters laufen Feuerwehrleute über die Straße durch Knietiefes Wasser © Daniel Friederichs Foto: Daniel Friederichs

Starkregen, Wind und Gewitter über SH

Vor allem im Südosten des Landes kam es zu Überflutungen oder vollgelaufenen Kellern. Die meisten Einsätze gab es in Möln und Umgebung. mehr

Videos