Adipositas: Letzter Ausweg Magenverkleinerung?
Für Menschen mit starkem Übergewicht können operative Eingriffe, wie der Schlauchmagen oder Magenbypass, eine Behandlungsoption sein. Unter bestimmten Voraussetzungen übernehmen Krankenkassen die Kosten.
Blutabnahme, Magenspiegelung, Anästhesie-Gespräch - dann ist Tania Hahn bereit für ihre Magenoperation. Die Neumünsteranerin ist adipös, hat viele Jahre versucht, abzunehmen. "Weight-Watchers, Sport, Low-Carb, No-Carb, ich habe gefühlt alles probiert. Die Kilos bleiben", erklärt sie. Im vergangenen Herbst fasste sie schließlich einen Entschluss: Sie möchte ihr Gewicht mithilfe einer Magenoperation reduzieren und suchte sich Beratung im Adipositaszentrum Pinneberg. Für sie war das der erste Schritt in ein leichteres Leben, so Hahn.
Multimodale Therapie
Seit ihrem ersten Gespräch mit dem Chefarzt des Adipositaszentrums, Dr. Hamid Mofid, ist knapp ein halbes Jahr vergangen. In dieser Zeit wurde Tania Hahn intensiv auf die OP und die damit verbundenen Folgen vorbereitet. "Das ist schon ein großer Eingriff in den Verdauungstrakt, das muss man sich klarmachen und eben rückgängig zu machen ist das auch nicht. Das heißt, man muss damit schon ein Leben lang leben", erklärt Dr. Mofid. Außerdem komme eine solche OP nicht für jeden Adipositaspatienten automatisch infrage. "Der Bodymassindex ist zwar ein Kriterium, aber wir schauen uns auch Begleiterkrankungen und Lebensgewohnheiten an."
Mithilfe einer multimodalen Therapie stellen die Mediziner am Klinikum schließlich fest, ob ein Patient für eine Magenverkleinerung geeignet ist. In sechs Monaten müssen die Patienten mehrmals zu einem Ernährungstherapeuten, jede Woche Sporteinheiten absolvieren und sich psychologisch begutachten lassen. "Erst wenn wir nach der Therapie konkret feststellen, dass die Patienten auf anderen Wegen nicht abnehmen können, operieren wir." Die Kosten für die Operation liegen nach Angaben der Klinik um die 6.000 Euro und werden inzwischen in der Regel von den Krankenkassen der Patienten übernommen.
Magenbypass oder Schlauchmagen?
Es gibt mehrere Methoden, wie stark übergewichtige Menschen operiert werden können. Am Adipositaszentrum in Pinneberg wird nach Angaben von Dr. Mofid am häufigsten die Methode des sogenannten Omea Loop Magenbypass gewählt. Dabei wird der Dünndarm so umgeleitet, dass sich Nahrung und Verdauungssäfte erst später vermengen können. "Das hat zur Folge, dass ein Teil der Kalorien nicht verdaut wird - sie können sich nicht in Fett absetzen", erklärt Dr. Mofid.
Für Tania Hahn kommt diese Methode aufgrund von Begleiterkrankungen aber eher weniger infrage. Sie erhält stattdessen einen sogenannten Schlauchmagen. "Dabei wird ein Großteil des Magens entfernt. Übrig bleibt der sogenannte Schlauchmagen", so Mofid. Die verzehrten Speisen hätten dadurch deutlich weniger Platz im Magen. Und: Das Hormon Ghrelin, welches das eigentliche Hungergefühl auslöst, ist kaum noch vorhanden - dadurch verspüren Menschen wie Tania Hahn nach der Operation deutlich weniger Hunger. Die Folge: Kalorien- und damit Gewichtsverlust.
Lebenslange Folgen
Jedoch können wichtige Nährstoffe, Vitamine und Spurenelemente vom Organismus durch diese operative Maßnahme schlechter aufgenommen werden. Deswegen müssen laut Dr. Mofid viele Patienten nach der Operation meist lebenslang Zusatzstoffe, Vitamine, Spurenelemente und Proteine zu sich nehmen. Diese Konsequenz nimmt Tania Hahn jedoch in Kauf. "Ich muss aufgrund einer Begleiterkrankung ohnehin schon supplementieren", so die Patientin.
"Was mir am wichtigsten ist: Wieder beweglich zu werden. Dass ich mir zum Beispiel die Schuhe wieder zubinden kann, ohne dabei nach Luft zu japsen, weil ich mir meinen Bauch einquetsche." Mit ihrem Mann habe sie bereits einen Urlaub am Comersee geplant. "Da wollen wir viel spazieren gehen. Momentan geht das nicht, weil mir das Gewicht auf die Knochen geht", so Hahn.
Volkskrankheit Adipositas?
Laut der Deutschen Adipositas Gesellschaft wurden in Deutschland 2023 circa 20.000 Operationen zur Behandlung von Adipositas durchgeführt. Zwar sei ein jährlicher, langsamer Anstieg der OPs zu verzeichnen, im Vergleich mit internationalen Zahlen sei Deutschland in dieser Hinsicht aber ein Entwicklungsland. Im Adipositaszentrum Pinneberg wurden im vergangenen Jahr 156 solcher OPs durchgeführt.
Zwar können OPs zur Behandlung von Adipositas das Risiko von Folgeerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Herz- Kreislauferkrankungen reduzieren. Dr. Hamid Mofid wünscht sich aber grundsätzlich mehr Aufklärung und Wissensvermittlung - damit zukünftig weniger Menschen adipös werden. "Was bedeutet eigentlich gesunde Ernährung? Und das muss viel mehr auch in den Schulen vermittelt werden, in Kursen, damit wir das Problem beheben. Sonst laufen wir wirklich gegen eine Wand, weil es immer mehr Leute werden", so der Mediziner.