Das Dreimastvollschiff "Deutschland" im Dienst der Hapag um 1848 (Gemälde, das sich im Besitz von Hapag-Lloyd befindet - Maler: H. Pollack) © Hapag-Lloyd AG, Hamburg

Mit der Hapag von Hamburg in die Welt

Stand: 17.01.2024 11:40 Uhr

Um am lukrativen Post- und Passagierverkehr mit Amerika teilzuhaben, gründen Hamburger Kaufleute 1847 die Schifffahrtslinie Hapag. Der Container-Boom bringt Hapag und den Konkurrenten Norddeutscher Lloyd aus Bremen später zusammen - zur Hapag-Lloyd AG.

von Dirk Hempel

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts rücken Europa und die Neue Welt enger zusammen. Immer größere und schnellere Schiffe befördern Menschen, Post und Waren über den Atlantik. Neben Großbritannien gehört Bremen zu den bedeutendsten Handelspartnern der USA. An der Weser landen amerikanische Klipper Baumwolle und Tabak an, gleichzeitig verlassen von hier Hunderttausende Auswanderer aus Deutschland und Osteuropa den Kontinent.

Mit der Hapag im Liniendienst nach New York

Hamburg hingegen hat von diesem Boom bislang kaum profitiert, weil es mehr auf den Handel mit Südamerika gesetzt hat. Doch als Bremen auch noch den deutschen Postverkehr mit den USA organisiert, werden die Hamburger endlich aktiv. 41 Kaufleute, darunter so renommierte Unternehmer wie August Bolten und Ferdinand Laeisz, gründen am 27. Mai 1847 eine eigene Schifffahrtslinie, die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz: Hapag.

"Deutschland" startet im Oktober 1848 den Nordatlantikdienst

Das Dreimastvollschiff "Deutschland" im Dienst der Hapag um 1848: Einblick in den "Herrensalon" (aus: R. Landerer: Geschichte der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft, Hamburg 1897 - bzw. ursprünglich aus der Leipziger Illustrierten Zeitung) © Hapag-Lloyd AG, Hamburg
Männer unter sich: "Die Deutschland" hat neben dem Herren- aber auch einen Damensalon.

Am 15. Oktober des folgenden Jahres eröffnet das Dreimast-Vollschiff "Deutschland" mit 500 BRT und 700 Tonnen Tragfähigkeit den regelmäßigen Nordatlantikdienst von Hamburg nach New York. Das heutige Schifffahrtsunternehmen Hapag-Lloyd schreibt in einer Broschüre rückblickend: "Die Hapag versteht ihre Passagiere erstmals nicht als Menschenfracht, sondern als Kunden, die es zu umwerben gilt." Die "Deutschland" biete "auch für Auswanderer zeitgemäß bescheidene, aber spürbare Verbesserungen. Service auf See: dieses Konzept bedeutet Erfolg."

Drei Schiffe sind zunächst im Einsatz. Sie haben 15 bis 17 Mann Besatzung, können 20 Passagiere in der Kajüte und 200 Reisende im günstigeren Zwischendeck befördern, es gibt Herren- und Damensalons. Die Schiffe verfügen außerdem über Laderäume für Gepäck, Handelsgut und Postsendungen.

Schnelle Schiffe, positives Image

Längsschnitt vom Dreimastvollschiff "Deutschland" im Dienst der Hapag um 1848 (aus: R. Landerer: Geschichte der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft, Hamburg 1897 - bzw. ursprünglich aus der Leipziger Illustrierten Zeitung) © Hapag-Lloyd AG, Hamburg
Der Längsschnitt der "Deutschland" zeigt, wo sich Ladebereich und Unterkünfte befinden.

Das Geschäft wächst schnell. Denn die Hamburger legen im Gegensatz zu ihren Konkurrenten nicht nur Wert auf Schnelligkeit: 40 Tage benötigen die Segler nach New York und - auch dank des Westwinds - 28 Tage zurück, womit sie die übliche Fahrdauer halbieren. Sie achten auch auf eine gute Ausstattung der Schiffe und arbeiten von Anfang an an einem positiven Image. "Sämtliche 3 Schiffe seien sehr schön ausgefallen", liest man im Protokoll der Generalversammlung der Hapag-Aktionäre vom 16. Dezember 1848. Die Kajüts- und Zwischendeckseinrichtung sei "so hübsch und komfortabel, wie man es sich nur wünschen könne, und zwar unter Vermeidung alles überflüssigen Luxus". Der Passagierandrang ist groß, und in Bremen wird darüber geklagt, dass die Hapag mit zu gutem Essen an Bord die Auswanderer abwerbe.

Passagiere stehen im Mittelpunkt

Bei der Auswahl der Kapitäne setzt Hapag nicht allein auf tüchtige Seeleute, sondern auch auf Leute, "die durch ein freundliches, aufmerksames und umgängliches Wesen den Passieren den Aufenthalt am Schiff möglichst angenehm zu machen wüssten", wie der Vorstandsvorsitzende Adolph Godeffroy auf der Aktionärsversammlung 1848 erklärt. Eine eigene Uniform für Kapitäne und Steuerleute sorgen zudem für eine eindrucksvolle Erscheinung.

Godeffroys heute etwas umständlich klingenden Worten zufolge "sei es das Bestreben der Direktion gewesen, etwas Ausgezeichnetes in dieser Art zu schaffen, weshalb dieselbe das ganze Unternehmen von vornherein im Innern gediegen und durch und durch respektabel angelegt, wie auch nach aussen hin mit dem nötigen Lustre versehen habe", einem gewissen Glanz also, der das Unternehmen nicht nur in den Augen vieler Hamburger noch heute umgibt.

Viele Menschen wandern per Schiff aus

Auswanderer auf einem Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) um 1908. © picture-alliance / Imagno Foto: Joseph Byron
Auswanderer um 1908 an Bord eines Hapag-Dampfers auf der Fahrt von Hamburg in die USA.

Weil immer mehr Menschen in die sogenannte Neue Welt auswandern, wächst das Unternehmen rasant. Immer wieder müssen zusätzliche Schiffe gechartert werden, um das steigende Passagieraufkommen zu bewältigen. 1858 fahren acht eigene Segelschiffe im Liniendienst zwischen Hamburg und New York sowie zwei moderne Schraubendampfer. Die "Borussia" und die "Hammonia" ließen, "was Solidität der Bauart, Raschheit und sonstige Vorzüge anbelangt, nichts zu wünschen übrig", schreibt die "Allgemeine Auswandererzeitung". 15 Jahre später befördert die Hapag schon 58.000 Fahrgäste über den Atlantik. Das stellt damals einen neuen Rekord dar.

Ständiger Konkurrenzkampf mit dem Norddeutschen Lloyd

Dennoch übernimmt der am 20. Februar 1857 in Bremen gegründete Norddeutsche Lloyd bald die Führung im Nordatlantik-Dienst und begründet so die mehr als 100 Jahre dauernde Konkurrenz mit der Hapag. Seine 18 Knoten schnellen Dampfer laufen auch Baltimore, New Orleans und Havanna an. Für die Überfahrt brauchen sie nur noch acht Tage.

Das Kerngeschäft der beiden Liniendienste bleibt bis weit ins 20. Jahrhundert der Transport von Auswanderern. Millionen Menschen verlassen in diesen Jahrzehnten den von Überbevölkerung, Armut, Arbeitslosigkeit und Kriegen geprägten Kontinent. Mit komfortabler Betreuung und Beförderung der Passagiere übertrifft die Hapag bald sogar die Konkurrenten. In Hamburg lässt sie sogar eine eigene Auswandererstadt mit Gleisanschluss und ärztlicher Betreuung bauen.

Unter Ballin wächst die Hapag

Porträt des Hamburger Reeders Albert Ballin. © picture-alliance / dpa
Albert Ballin macht die Hapag um 1900 zur größten Reederei der Welt. Als am 9. November 1918 die Republik ausgerufen wird, nimmt sich der "Freund des Kaisers" das Leben.

Unter dem Generaldirektor Albert Ballin, der die Hapag seit 1889 führt, expandiert das Unternehmen, setzt verstärkt auf das stetig wachsende Frachtgeschäft und nimmt Vergnügungsfahrten auf prächtig ausgestatteten Passagierschiffen in ihr Programm auf. Am 22. Januar 1891 startet die "Augusta Victoria" erstmals von Cuxhaven aus - mit 240 Passagieren an Bord. Diese müssen viel Zeit und Geld mitbringen, denn vor ihnen liegt eine zwei Monate lange Reise: über Southampton und Gibraltar, durch das Mittelmeer bis nach Syrien und Ägypten, zurück über Malta und Lissabon an die deutsche Küste. Es ist die Geburtsstunde der Kreuzfahrt.

Symbol für deutschen Geltungsdrang

Der "Imperator" auf einer historischen Postkarte © Naval History & Heritage Command, Washington, DC.
Schiffsreisen der Luxusklasse: Die "Imperator" ist 1913 mit Restaurant, Wintergarten, Festsaal und Marmor-Bad ausgestattet.

Vor dem Ersten Weltkrieg besitzt die Hapag mit 190 Seeschiffen die größte Flotte, befördert der Norddeutsche Lloyd die meisten Passagiere weltweit. Zusammen beschäftigen sie 51.000 Angestellte, davon 30.000 Menschen an Bord. Mit prächtigen Schiffen wie der "Imperator" befahren sie weltumspannende Routen nach Mittel- und Südamerika, Afrika, Asien und Australien.

Und werden so auch zu Symbolen für den deutschen Drang nach Weltgeltung. Auf einem Hapag-Dampfer spricht Wilhelm II. die legendären Worte: "Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser". Und Albert Ballin darf sich "Freund des Kaisers" nennen. Doch während des Kriegs liegen die Schiffe zumeist untätig im Hafen, kommt der Überseeverkehr fast ganz zum Erliegen, von Ausnahmen wie der spektakulären Fahrt des Handels-U-Boots "Deutschland" unter dem Kommando des Lloyd-Kapitäns König nach Baltimore abgesehen.

Luxusdampfer, Fluglinien, Weltreisen

Nach dem Ersten Weltkrieg dauert es einige Jahre, bis die Hapag wieder ihre alten Routen befahren kann, bald sogar mit neuen Luxuslinern im Stil der goldenen 1920er-Jahre. Schon 1923 haben Hapag und Lloyd die Deutsche Aero Lloyd gegründet, einen Vorläufer der späteren Luft Hansa AG. Weltreisen für ein internationales Publikum und kombinierte See-Luft-Reisen boomen, auch in der Wirtschaftskrise, die die Schifffahrt besonders hart trifft.

Verstaatlichung und KdF-Fahrten

Nach 1933 erholt sich das Passagiergeschäft kaum. Vor allem ausländische Gäste wollen nicht mit Schiffen unter Hakenkreuz-Flagge fahren. Das Reich übernimmt die Aktienmehrheit bei der Hapag, das Andenken an den bedeutenden Generaldirektor Albert Ballin, der jüdischer Herkunft war, wird getilgt. Die NS-Organisation "Kraft durch Freude" chartert jetzt die Schiffe, um preiswerte Kreuzfahrten für "verdiente Volksgenossen" anzubieten, der von Propaganda begleitete Beginn des Massentourismus auf See.

Die Irrfahrt der "St. Louis"

Im Sommer 1939 fährt der Hapag-Dampfer "St. Louis" mit mehr als 900 jüdischen Emigranten an Bord nach Kuba, aber weder dort noch in den USA dürfen die Flüchtlinge an Land gehen. Erst in Antwerpen endet ihre wochenlange Irrfahrt. Im Zweiten Weltkrieg liegen zahlreiche Schiffe in ausländischen Häfen fest oder fahren für die Kriegsmarine. 1941 wird die Hapag reprivatisiert, ihre Aktien vorwiegend an hanseatische Kaufleute abgegeben. Im Frühjahr 1945 sind ihre Schiffe an der Rettung von Millionen Menschen vor der Roten Armee beteiligt, die aus dem abgeschnittenen Ostpreußen über die Ostsee nach Westen gebracht werden.

Das Ende der Passagierlinien

In der Nachkriegszeit hält sich die Hapag zunächst mit dem Seebäderdienst zu den Nordseeinseln, Schleppschifffahrt und Gastronomiebetrieb über Wasser, etwa mit der schwer beschädigten "St. Louis", die in Hamburg als Hotelschiff dient. Während die Hamburger Reederei Mitte der 50er-Jahre mehr auf Frachtdienste und Seetourismus setzt, betreibt der Bremer Lloyd auch weiterhin die Passagierschifffahrt über den Nordatlantik, bevor sich im folgenden Jahrzehnt das Flugzeug durchsetzt. Der Liniendienst in die USA wird 1971 eingestellt.

Der Container-Boom führt zur Gründung der Hapag-Lloyd AG

Die MS "Alemannia" ist ein Schnellfrachter, der zu einem Semi-Containerschiffen umgerüstet wurde. © Hapag-Llyod
Der Stückgutfrachter "MS Alemannia" wird Ende der 60er zum Semi-Containerschiff umgebaut. Die Kisten stehen an Deck und in den Luken.

Auch im Frachtgeschäft steht eine Revolution bevor: 1966 wird im Bremer Überseehafen der erste Container entladen. Zwei Jahre später starten die beiden Reedereien gemeinsam den ersten europäischen Vollcontainerdienst nach New York. 1970 beenden sie ihre Konkurrenz, die mehr als ein Jahrhundert die deutsche und die Weltschifffahrt geprägt hat, auch offiziell und fusionieren zur Hapag-Lloyd AG, mit 112 Seeschiffen und 10.000 Mitarbeitern. Nur zusammen können sie die Investitionen aufbringen, die für den Wandel zur Containerschifffahrt erforderlich sind.

Fusionen zur Sicherung der Zukunft

Während die Fluggesellschaft seit 1972 und die Kreuzfahrtsparte seit 2008 eigene Wege gehen, gehört eine der größten deutschen Reederei noch immer zu den führenden Liniendiensten weltweit. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, wird verstärkt auf internationale Kooperationen und Fusionen gesetzt, zuletzt mit der chilenischen Reederei CSAV, die neben der Kühne-Holding zu den größten Anteilseignern gehört. Drei Tage vor dem 170. Geburtstag der Hapag am 27. Mai 2017 konnte der Zusammenschluss mit der arabischen Reederei UASC perfekt gemacht werden.

Im Januar 2024 gibt Hapag-Lloyd bekannt, dass die Reederei ab 2025 eng mit dem Konkurrenten Maersk aus Dänemark zusammenarbeiten will. Maersk ist weltweit Nummer zwei, Hapag-Lloyd Nummer fünf unter den Containerreedereien. Zusammen wollen sie Liniendienste mit rund 300 Schiffen betreiben, in einigen Gebieten werden sie damit das stärkste Reederbündnis.

Weitere Informationen
Container mit den Schriftzügen "Hapag-Lloyd" und "Maersk" sind auf einem Frachter übereinenadergestapelt. © picture alliance Foto: Winfried Rothermel

Hamburger Reederei Hapag-Lloyd kooperiert mit Maersk

Die Containerreederei aus Hamburg will eine neue Allianz mit der Maersk-Gruppe bilden - und künftig weniger Ladung in den Hamburger Hafen schicken. mehr

Eine Visualierung zeigt ein Containerschiff von Hapag-Lloyd mit Segeln. © Hapag-Lloyd

Hamburger Reederei Hapag-Lloyd plant segelnde Containerschiffe

Der Containerfrachter soll zusätzlich einen Motor bekommen, der mit grünem Methanol betrieben werden kann. mehr

Das neue Schiff der Reederei Hapag Lloyd "Hamburg Express" © dpa-Bildfunk Foto: Angelika Warmuth
2 Min

Heimatkunde: Reedereien

Die Reedereien haben in der Hansestadt große Traditionen und wirtschaftliche Bedeutung. Vier Fakten, die man als Hamburger über Reedereien wissen sollte. 2 Min

Ein Feuerlöschboot begrüsst am 31.05.1968 das Containerschiff "American Lancer" beim Einlaufen in den Hafen von Hamburg. © dpa

Containerschifffahrt: Beginn einer neuen Ära in den 60ern

1968 legt das erste Containerschiff im Hamburger Hafen an. In Kürze revolutionieren die Kisten Schifffahrt und globalen Handel. mehr

Die Viermastbark Sedov © Stema Service Foto: Vallery Vasilivsky

Die schönsten Schiffe des Nordens

Traditionsschiffe sind die optischen Höhepunkte bei Hafenfesten und Großseglertreffen. Eine Auswahl geschichtsträchtiger Großsegler und Dampfschiffe im Porträt. mehr

Dieses Thema im Programm:

Unsere Geschichte | 30.04.2022 | 12:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Schifffahrt

Neuzeit

Hamburger Geschichte

Mehr Geschichte

Im Sassnitzer Stadthafen liegt am 24.07.2000 der aus der Ostsee geborgene Fischkutter "Beluga". © picture-alliance / ZB Foto: Stefan Sauer

1999: Der rätselhafte Untergang der "Beluga" in der Ostsee

Vor 25 Jahren sank der Sassnitzer Fischkutter "Beluga". Drei Seeleute starben in der Ostsee. Noch immer ist die Ursache unklar. mehr

Norddeutsche Geschichte