Baumschule Lorenz von Ehren: Vom Obsthändler zum Klimaschoner

Stand: 06.04.2024 00:00 Uhr

1865 im Elbvorort Nienstedten gegründet, hat die Hamburger Baumschule Lorenz von Ehren mit ihren exotischen Riesen schon Hofgärtner und Gartenliebhaber weltweit beglückt. Heute versucht sie, mit ihren Bäumen dem Klimawandel zu trotzen.

von Wolfgang Klauser

In Hamburg stehen in vielen öffentlichen Grünanlagen oder privaten Gärten ausgewachsene Bäume der Baumschule Lorenz von Ehren: vom größten Parkfriedhof der Welt in Ohlsdorf über die Parkanlage Planten und Blomen im Zentrum bis zum Stadtpark in Winterhude. Manche der knorrigen Riesen sind über 100 Jahre alt. Zum privaten Kundenstamm zählen Adlige, Kaufleute und Reeder: Stadtbekannte Dynastien wie von Jenisch, Laeiz, Blohm oder Hagenbeck vertrauen dem Angebot an exotischen Gehölzen und alten Bäumen. Ihre hochwertige Ware liefern die von Ehrens außerdem an Königshäuser in England, Schweden, Dänemark und Preußen sowie die Schlossgärten von Versailles und den russischen Zarenhof. Ab und an geht ein tonnenschwerer Baum von Nienstedten per Seekiste nach New York oder Schanghai. Der Versand ist eine logistische Meisterleistung, da die Baumriesen sehr transportempfindlich sind.

Der Norden Deutschlands wird Hochburg der Baumschulkunst

Der Hamburger Raum gilt als die Region Deutschlands, von der vor über 200 Jahren das moderne Baumschulwesen ausgeht. Ende des 18. Jahrhunderts kann der wohlhabende hanseatische Kaufmann Baron Caspar Voght auf einer Rundreise durch Schottland den Gärtner James Booth dafür gewinnen, sich in Klein-Flottbek niederzulassen. Der schottische Pflanzen-Experte sollte ihn bei der Verschönerung seines Landguts, dem heutigen Jenischpark, beraten und unterstützen. Erst betreut Booth die sogenannte Ornamental Farm des Barons, ab 1800 leitete er die Baumschule auf eigene Rechnung.

Die Gärtnerei James Booth & Söhne entwickelte sich über drei Generationen zu einer der bedeutendsten Baumschulen, berühmt für ihre duftenden Rosenzüchtungen: "Eigene Anzucht und Vermehrung, aber auch Forschungen und weltweite Handelskontakte ermöglichten der Firma ein unglaublich großzügiges Sortiment handelbarer Pflanzen und beförderten so sicherlich auch die Entwicklung der Gärten und Parkanlagen am Elbufer", erläutert Heino Grunert, Gartendenkmalpfleger der Hamburger Umweltbehörde.

Die Baumschule von Ehren: Verwurzelt in Hamburg

In der damals berühmten Baumschule James Booth in Flottbek machte Johannes von Ehren ab 1847 seine Gärtnerleere. © Baumschule Lorenz von Ehren
Lernen von den Besten. Johannes von Ehren macht seine Ausbildung in der berühmten Baumschule von James Booth.

Johannes von Ehren I., Sohn eines Schiffers, lernt 1847 in der berühmten Baumschule von James Booth das Gärtner-Handwerk und reist während seiner Lehrjahre durch Europa. Als der Krieg mit Dänemark 1865 beendet ist und die Flottbeker Baumschulen florieren, gründet von Ehren sein eigenes Geschäft am Nienstedter Markt. Anfangs handelt er mit Kartoffeln, Obst- und Ziersträuchern. Beim zahlungskräftigen hanseatischen Klientel sind damals exotisches Kernobst wie Pfirsiche, Aprikosen und Nektarinen gefragt. Nach der deutschen Reichsgründung 1871 erlebt auch Hamburg einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung, überall wird gebaut, prachtvolle Parks und Privatgärten entstehen. Die Baumschule profitiert von der großen Nachfrage nach außergewöhnlichen und kostbaren Pflanzen. Der größte Auftrag aus den Gründerjahren kommt aus Hannover: 5.000 Stück Weißdorn für die Anlagen in Herrenhausen, bestellt vom Hofgärtnermeister Borchers.

Neues Firmengelände liegt zwischen den reichen Elbvororten

Da das knapp sechs Hektar große Baumschulgelände schnell zu klein ist, wird ein neues Grundstück an der heutigen Kanzleistraße gekauft. Die Gegend ist verkehrstechnisch und aus wirtschaftlicher Sicht ideal für den Baumschulbetrieb: Das Gelände liegt mitten zwischen den reichen Elbvororten, vor den Städten Altona und Hamburg. In nachbarschaftlicher Nähe zu dem wohlhabenden Baumschul-Kundenkreis. Vom nahegelegenen Bahnhof Hamburg-Klein Flottbek kann die exklusive Ware weltweit verschickt werden.

Von Ehren spezialisiert sich auf Solitärgewächse

Lorenz von Ehren I., der Sohn des Gründers, beginnt 1883 mit 16 Jahren seine dreijährige Gärtnerausbildung bei den Forstecker Baumschulen in Kiel. Danach reist er quer durch Deutschland, Frankreich und Belgien und sammelt Ideen für die zukünftige Ausrichtung des Familienbetriebes, den er 1898 übernimmt. Er entdeckt den Bedarf an großen Bäumen für ausgedehnte Landschaftsräume und spezialisiert sich auf Solitärgewächse. Diese Pflanzen können durch ihre besondere Wuchsform, Blattform und Färbung als Einzelexemplar eine Bepflanzung optisch dominieren. Die Kundenschar wächst - von privaten Parkbesitzern und berühmten Landschaftsarchitekten bis hin zu königlichen Hofgärtnern in ganz Europa. Er führt das Unternehmen an die europäische Spitze und heimst auf internationalen Gartenbau-Ausstellungen unzählige Preise für erlesene Hängebuchen, Koniferen oder Rosskastanien ein.

Ein Wald für den Hügelpark der Familie Krupp

Hängebuchentransport 1904: Ein Gärtner der Baumschule Lorenz von Ehren thront in der Baumkrone, um die weit ausladenden Äste ohne Schäden unter den Hamburger Telegrafenleitungen durch zu bekommen. © Baumschule Lorenz von Ehren
Beim Transport der Baumriesen wird jede Hand gebraucht. Auch, um sie wie hier, zum Beispiel unter störenden Telegrafenleitungen durch zu bekommen.

1901 beliefert Lorenz von Ehren I. auch den Industriellen Freidrich Alfred Krupp mit Pflanzen. Bei der Planung des weitläufigen Hügelparks in Essen äußert Krupp seine genauen Vorstellungen: "Einen Wald von Bäumen" wolle er haben, den er "noch bei Lebzeiten genießen" könne. Der Faktor Zeit wird zum Verkaufsschlager der Baumschule. Die Verschulung der großen, alten Bäume, ihr Transport und das Verpflanzen der Baumriesen fordert Spezialwissen der Gärtner und die Kraft vieler Arbeiterhände.

Weltkriege: Schwere Zeiten in der Baumschule

Die beiden Weltkriege bringen den Handel mit dem Ausland komplett zum Erliegen. Nach dem Ersten Weltkrieg muss die Baumschule von Ehren Reparationszahlungen mit Pflanzen aller Art leisten. Und zusätzlich kämpft der Betrieb mit den Folgen der hohen Inflation. Was nicht verkauft werden kann, wird vernichtet. Nur wertvollere Gehölze werden weiter kultiviert und zu großen Solitärs gezogen - in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Es folgt der nächste Weltkrieg. Von nun an bestimmen Obst- und Gemüseanbau den Baumschulbetrieb. Bäume werden nur noch zu Tarnzwecken gezogen: Die Hamburger Flugzeugwerft auf Finkenwerder bestellt dichte Laubbäume mit einer Mindesthöhe von 25 Metern. Sie werden auf Schuten auf der Elbe transportiert, vor Ort mithilfe eines Spezialkrans ausgeladen und als Sichtschutz vor die großen Produktionshallen gepflanzt.

Zu der Zeit arbeiten nur noch Frauen, alte Männer, die nicht für die Front gezogen wurden, und russische Kriegsgefangene in der Baumschule Lorenz von Ehren. Die Baumschule bleibt vom Bombardement weitgehend verschont. Nach Kriegsende sind Lebensmittel knapp. Die britischen Militärs verordnen deshalb, dass auf dem Baumschulgelände nur noch Gemüse angebaut werden soll.

Wiederaufbau und Aufschwung in den Nachkriegsjahren

Beide Söhne der dritten Generation der von Ehrens überleben den Zweiten Weltkrieg. Johannes und Lorenz II. führen die Geschicke des Betriebes in der Nachkriegszeit weiter. Die Quartiere in der Baumschule müssen komplett neu aufgebaut werden, doch es gibt in Deutschland kaum Ware zu kaufen. Erst ab 1949 ist der Handel mit dem benachbarten Ausland wieder möglich und somit auch die Beschaffung neuer Pflanzen. Die beiden Brüder fahren bis in die USA, um exotische und gefragte Gehölze einzukaufen.

Pflanzen für die erste Bundesgartenschau in Hannover

Mitarbeiter der Baumschule Lorenz von Ehren in den Nachkriegsjahren. Der Handel mit tonnenschweren knorrigen Baumriesen erforderte sehr viel Muskelkraft. © Baumschule Lorenz von Ehren
Anfangs braucht es noch viel Manneskraft für das Ausgraben oder Umsetzen von Bäumen. Heute übernehmen Maschinen einen Teil der Arbeit.

In den 50er-Jahren geht es aufwärts: Bereits 1951 beliefert von Ehren die erste Bundesgartenschau in Hannover mit Pflanzen, 1952 kann der erste Traktor für die Arbeit in den Baumschulquartieren angeschafft werden. Das Geschäft floriert in den Wirtschaftswunderjahren und der Betrieb expandiert kontinuierlich.

"So, jetzt seid ihr dran!": 1970 übernimmt die vierte Generation die Geschäftsführung. Lorenz von Ehren III. kümmert sich um Vertrieb und die Kundenbetreuung, Bernd von Ehren leitet den Versand und entwickelt immer ausgefeiltere Maschinen. Sie erleichtern die Arbeit in der Baumschule und machen sie noch effektiver. Beide haben aber auch ein gutes Gespür für Trends in der Gartenkultur: von der Kultivierung von Heckenelementen nach dem Vorbild englischer Gärten bis zum kunstvollen Schnitt von Gartenbonsais nach japanischen Vorbild.

Wenn Pflanzen und Bäume umziehen müssen

1993 erfolgt der Umzug der kompletten Baumschule von Nienstedten nach Hamburg-Marmstorf. Zigtausende Pflanzen und Bäume werden aufwendig durch den Elbtunnel transportiert und dann in den 17 Hektar großen neuen Quartieren verpflanzt. Die alten Baumschulflächen in der Elbgemeinde werden renaturiert und in den heutigen Westerpark integriert. Es folgen Vorzeigeprojekte wie Bepflanzung des Pariser Disneylands oder die Begrünung des Bundeskanzleramtes.

Wella-Erben kaufen sich in Hamburger Baumschule ein

2013 übernimmt der Shampoo-Hersteller Wella die Mehrheit am Hamburger Traditionsbetrieb von Ehren. Die Führung bleibt allerdings in der Hand der Familie. Die Baumschule wird heute in fünfter Generation von Bernhard von Ehren geführt. Der Betrieb zählt mit 600 Hektar Anbaufläche und 200 Mitarbeitern an drei Standorten zu einer der größten Produktionsbaumschulen in Europa. Dort werden 500.000 Gehölze kultiviert und aufgezogen. Die Hamburger Baumschule verkauft auch heute noch meist große, alte, besondere Bäume an ein zahlungskräftiges Klientel und Metropolen, die nicht warten wollen, "bis aus einem Spargeltarzan ein kräftiger Kerl wird", sagt Bernhard von Ehren.

Von Ehren verkauft seinen Kunden "gewachsene Zeit"

Herbstquartier in der Baumschule. © NDR/Baumschule Lorenz von Ehren
Die Baumschule von Ehren kultiviert auf 600 Hektar ihre zum teils exquisiten Bäume und Pflanzen.

Die Pflege der knorrigen Riesen ist aufwendig. Alle paar Jahre müssen die Bäume ausgegraben werden, damit die Wurzeln nicht zu tief in die Erde greifen. Die Baumschätze müssen über Jahrzehnte regelmäßig begossen, gedüngt, beschnitten, gehegt und gepflegt werden. Die Bäume, die Bernhard von Ehren heute verkauft, hat sein Großvater gepflanzt. Die Bäume, die er heute pflanzt, wird vielleicht mal sein Enkel verkaufen. "Wir verkaufen den Faktor Zeit", sagt Bernhard von Ehren.

Die Baumschule von Ehren trotzt dem Klimawandel

Seit 1865 beobachten die Gärtner der Baumschule Lorenz von Ehren nun schon die Menschen und ihre unterschiedlichen Vorlieben für Gärten und Parks. Denn bei Pflanzen und Bäumen gibt es immer Trends und Moden, aber auch große Herausforderungen wie aktuell den Klimawandel: Extreme Trockenheit, heftige Unwetter, massiver Schädlingsbefall und die Verdichtung der Großstädte machen den etablierten Baumsorten schwer zu schaffen. Da ist auch die Baumschule gefordert - in einem speziellen Klimahain testet Bernhard von Ehren neue Baumsorten, die zukünftig in Städten wie Hamburg oder Paris überleben können oder für die Dachbegrünung geeignet sind. Für die Begrünung des ehemaligen Flakbunkers auf dem Heiligengeistfeld im Stadtteil St. Pauli hat die Baumschule von Ehren knapp 5.000 Pflanzen und Gehölze geliefert. Auf dem Dach des geschichtsträchtigen Hamburger Bunkers ist ein neuer Park entstanden. Geschäftsführer Bernhard von Ehren sagt darüber: "Ein Leuchtturmprojekt für den Klimawandel im betonierten Großstadtdschungel."

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Unsere Geschichte | 06.04.2024 | 12:00 Uhr

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