Zwei Jahre Krieg: Wie Ukrainerinnen in Lauenburg leben
Vor zwei Jahren begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Fast 1,2 Millionen Menschen sind seitdem vor dem Krieg nach Deutschland geflohen - viele auch nach Norddeutschland.
Kinder rennen aufgeregt durcheinander und spielen Fangen. An einem großen Tisch sitzen zehn Frauen zusammen und unterhalten sich. Sie sprechen Ukrainisch, lachen und haben gute Laune. Sie alle sind in das Begegnungscafé SML in Lauenburg gekommen, um ihre Geschichten zu erzählen: Geschichten von Krieg, Flucht und vor allem vom Leben im Kreis Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein. Weil aber keine von Ihnen so gut deutsch spricht wie Marina Litucha, soll sie stellvertretend für die anderen sprechen.
Marina Litucha ist vor knapp zwei Jahren nach Lauenburg gekommen
"Ich wohne normalerweise im Osten. Da, wo in der Nähe jetzt der Krieg ist. Deswegen bin ich hier", sagt Marina. Zusammen mit ihren zwei Söhnen und ihrer Mutter ist sie nach Deutschland geflohen. Im März vor knapp zwei Jahren war das. Marina hat große blaue Augen. Sie sieht ein bisschen müde aus, als sie davon erzählt, wie der Krieg in ihre Heimat kam. Gleich am ersten Tag des russischen Angriffs, am 24. Februar 2022, habe es Explosionen in ihrer Heimatstadt Dnipro gegeben, erinnert sich Marina: "Ich hatte Hoffnung, dass es vielleicht nicht so lange dauert. Und ich habe drei Wochen gewartet. Und dann habe ich verstanden, dass dieser Krieg noch lange dauern wird."
In der Ukraine wurde es einfach zu gefährlich
Marinas Mann habe damals entschieden, dass es für die gemeinsamen Kinder zu gefährlich in der Ukraine wurde, sagt sie. Da war aber auch schon klar, dass ihr Mann das Land nicht mehr verlassen darf. Er ist noch immer in Dnipro - ohne seine Frau und ohne seine Söhne. Marinas Augen strahlen, während sie von ihrem Mann erzählt. Und ganz plötzlich erfüllt Traurigkeit das Gesicht der jungen Frau aus der Ukraine: "Das ist schon zwei Jahre. Er hat heute Geburtstag. Aber er muss auch alleine feiern", erzählt Marina. Dann fängt sie an zu weinen und als wenn es ihr jetzt erst bewusst werden würde, wie lange sie ihren Mann nicht mehr in den Arm nehmen konnte, sagt sie immer wieder "zwei Jahre", während Tränen ihre Stimme ersticken.
Am Anfang war es für viele Geflüchtete besonders schwer
In den ersten Monaten, nachdem russische Armee-Einheiten in die Ukraine einmarschiert sind, sei das im hier oft passiert, sagt Mazena Podolski. Die drahtige Frau, die hier alle Jenna rufen, hat das Begegnungscafé mit zwei Freundinnen gegründet. In den ersten Wochen habe sie oft andere Frauen trösten müssen. Viele Kinder seien anfangs sehr verschlossen gewesen, erzählt sie. Als die Jungen und Mädchen angefangen haben wieder zu spielen und miteinander zu toben, da sei ihr klar geworden, dass die Kinder in Lauenburg angekommen sind.
Wie läuft das Leben in Deutschland?
Nachdem Marina sich wieder gefangen hat, erzählt sie vom Leben hier in Deutschland. Von der Ankunft, damals im März 2022.
"Zuerst war alles sehr fremd natürlich. Bei uns ist alles anders. Und außerdem habe ich immer gearbeitet. Ich und mein Mann, wir haben gearbeitet. Wir haben ein gutes Leben gehabt. Und hier? Ich bin mit einem Koffer nach Deutschland gekommen für mich und zwei meine Kinder." Marina Litucha
Entsprechend schwer sei der Anfang gewesen, erzählt Marina weiter.
Die Sprache ist ein großes Problem
Ein Problem: die deutsche Sprache. Sie habe Vorkenntnisse gehabt, sagt Marina, aber gerade mit den vielen Papieren der Behörden sei es am Anfang sehr schwer gewesen. "Es gibt sehr viele Sachen wo wir unterstützen müssen, zum Beispiel beim Ausfüllen von Papieren und viele können die Sachen ja auch nicht lesen, weil das eine ganz andere Schrift ist", sagt Mazena vom Begegnungscafé.
Von der ersten Hilfe zur Integration
Vor drei Jahren hatte Mazena mit ihren Freundinnen angefangen, Hilfsgüter für die Ukraine zu sammeln. Inzwischen kümmern sie sich um alles Mögliche: Deutschkurse, Freizeitangebote, Papierkram, Integration. Heute werden gemeinsam Muffins gebacken. Und Marina und die anderen Frauen aus der Ukraine sind sehr dankbar für diese Unterstützung. Ohne wäre es gar nicht gegangen, meint eine der anderen Frauen in der Runde. Marina hat inzwischen mehrere Deutsch-Kurse absolviert. Sie arbeitet halbtags im Jobcenter und hilft dort als Dolmetscherin. Und sie würde gerne mehr machen. "Ich mache alles, was hier in Deutschland nötig ist. Meine Kinder besuchen den Kindergarten und die Schule, ich habe jetzt eine Arbeit und suche eine Vollzeitarbeit." Es gehe darum, das zu machen, was gut für ihre kleine Familie ist, sagt Marina.
Eine ungewisse Zukunft
Marina befürchtet, dass der Krieg in der Ukraine kein schnelles Ende finden wird. Wie die Frauen links und rechts von ihr hofft sie natürlich darauf, dass die russischen Angriffe irgendwann aufhören - richtig überzeugt klingt kaum eine der Frauen hier. Auch deshalb frage sie sich täglich, wie es weitergehen wird, sagt Marina. "Und diese zwei Jahre hier versuche ich alles Schritt für Schritt, damit ich in Zukunft auch hier bleiben könnte", erklärt sie fast schon ein bisschen kämpferisch. Damit ihre Kinder in Sicherheit aufwachsen. Auch wenn Marina gerne wieder in Dnipro wäre. In der Ukraine. Bei Ihrem Mann. In ihrer Heimat.