"Zeitenwende": Wie die Bundeswehr SH krisenfest machen will
Wie sollen das Militär und die Zivilgesellschaft in einem Krisenfall zusammenarbeiten? Dazu hat die Bundeswehr den "Operationsplan Deutschland" erarbeitet. Den hat sie nun der Landesregierung vorgestellt.
Rückblick ins Jahr 1986: 18.000 Fahrzeuge vom Jeep bis zum Panzer rollten über Schleswig-Holsteins Straßen. 60.000 Soldatinnen und Soldaten aus unterschiedlichen Nato-Staaten marschierten über die Felder zwischen Nord- und Ostsee. Tagelang trainierten sie im Rahmen der NATO-Übung Bold-Guard den Ernstfall - den Angriff aus dem Osten. Damals befand sich Deutschland mitten im Kalten Krieg. Mit der innerdeutschen Grenze, die direkt an Schleswig-Holstein grenzte, lag das Land unmittelbar an der Front. Das Bewusstsein für eine mögliche Bedrohung war in der Bevölkerung verankert.
Rückkehr zu altem Bewusstsein
Heute, 2024, ist das anders. Das Bewusstsein für kriegerische Auseinandersetzungen ist in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Konkrete Pläne zum Umgang mit solchen Krisenfällen gibt es kaum noch. Doch das soll sich jetzt ändern. Bei einer auswärtigen Kabinettssitzung im Landeskommando Schleswig-Holstein informierte Oberst Axel Schneider die Vertreter der Landesregierung über den Stand des "Operationsplan Deutschland" (OPLAN).
Strukturen entstauben, entrosten und neu bauen
"Nur gemeinsam können wir unsere Bürgerinnen und Bürger schützen und verteidigen", sagte Schneider. Dazu müssten Strukturen entstaubt, entrostet und zum Teil neu gebaut werden. Als Beispiele nannte er das Straßen- und Verkehrsnetz, dass bereit gehalten werden müsse, damit alliierte Truppen durch Schleswig-Holstein marschieren können. Zudem müssten Gemeinden in der Lage sein, Truppenverbände müssten zum Beispiel gegebenenfalls für eine Zeit von drei Wochen versorgt und in Turnhallen untergebracht werden können, Verletzte behandelt werden. Der Operationsplan, so Schneider, liefere dafür die notwendige Vorsorge.
Innenministerium für Koordination zuständig
Das Ziel des "Operationsplans Deutschland" ist, die Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Militär neu auszurichten. Hervorgegangen ist der Plan aus der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgegebenen Zeitenwende. Er wurde im Territorialen Führungskommando der Bundeswehr erarbeitet. Viele der Details sind als geheim eingestuft. In Schleswig-Holstein ist vorrangig das Innenministerium für die Koordination in den Ministerien und den Kreisen zuständig.
Sicherheitspolitische Herausforderungen
Laut Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) geht es um vor allem um Absprachen und Strukturen, um in den Ländern den zivilen Beitrag zu möglichen militärischen Verteidigungsplänen zu leisten. Das sei notwendig, sagte Günther (CDU), um auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen vorbereitet zu sein. "Deutschland ist seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine in einer neuen Wirklichkeit angekommen."
Positive Resonanz bei Gemeinden
Seit Anfang des Jahres hat das Landeskommando im Rahmen einer Informationskampagne mit über 1.000 verantwortliche Personen in den Städten, Kommunen und Gemeinden über den Plan gesprochen. Sie sollen als Multiplikatoren aktiv werden und das neue Bewusstsein in die Fläche tragen. Bisher sei Oberst Schneider nach eigenen Angaben mit offenen Armen empfangen worden. "Ich habe festgestellt, dass alle bereit sind, sich den gemeinsamen Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung zu stellen."
Bülow: Maßnahmen werden weiter konkretisiert
Auch Jörg Bülow, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetags, war bei den Gesprächen mit kommunalen Vertretern dabei. Vor allem während der Corona-Pandemie hätten die Kommunen gute Erfahrungen in der Arbeit mit der Bundeswehr gesammelt. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das in Zukunft auch so sei.
Konkrete Aufgaben für die einzelnen Kommunen ließen sich aus den bisher vorgestellten Plänen noch nicht ablesen, so Bülow. "Ich gehe davon aus, dass sich die notwendigen Maßnahmen immer weiter konkretisieren werden. Uns ist es auch wichtig, hierzu verlässliche Informationen für die Gemeinden zu erhalten."
Im Kern hätten sich vor allem zwei Themen herausgestellt, die für die Gemeinden besonders bedeutsam seien, so Bülow. Das sei zum einen der Schutz wichtiger Infrastruktur und zum anderen die Unterstützung, wenn eine große Zahl an Soldaten durch Deutschland verlegt werden.
Deutschland ist Host-Nation
Vor allem für Letzteres soll der Operationsplan sensibilisieren. Aufgrund der zentralen Lage in Europa und laut Nato-Vereinbarungen ist Deutschland sogenannte Host-Nation und muss im Krisenfall als Drehscheibe den Transit alliierter Truppen unterstützen. Das Bild Zehntausender Soldatinnen und Soldaten auf Schleswig-Holsteins Straßen, wie es bereits 1986 bei der Nato-Übung Bold-Guard der Fall war, könnte sich dann wiederholen.