Wo Natur berührt: Neu gedachter Artenschutz in Eggebek
Auf einem ehemaligen Militärgelände im Kreis Schleswig-Flensburg schlägt der Kreis Brücken zwischen Mensch und Natur. Das Artenschutzzentrum in Eggebek will nicht belehren, sondern verzaubern. Ein Rundgang.
Wenn Thorsten Roos über Naturschutz spricht, fallen zuerst Worte wie "Schönheit", "Willkommensein" und "Wertschätzung". Von einem erhobenen ökologischen Zeigefinger, von Geboten oder Verboten - keine Spur. "Der Naturschutz macht meiner Meinung nach häufig den Fehler, zu suggerieren, dass der Mensch stört", sagt Roos, Leiter des Fachdienstes Umwelt im Kreis Schleswig-Flensburg.
Eggebeker Willkommenskultur: "Der Mensch ist Teil der Natur - und willkommen"
Um eben diesen Fehler zu vermeiden, hat Thorsten Roos mit dem Artenschutzzentrum in Eggebek nach neuen Wegen gesucht, die Mensch und Natur miteinander verbinden sollen. Auf einem ehemaligen Militär-Tanklager ist so seit Herbst 2020 eine Begegnungsstätte der besonderen Art entstanden. "Wir wollen hier ausdrücken: Der Mensch ist Teil der Natur und natürlich auch willkommen - darf sich hier aufhalten, darf genießen", erklärt Roos. Von dem knapp 40 Hektar großen Areal sind etwa zwei Hektar für Besucherinnen und Besucher zugänglich.
Naturschutzmaßnahmen im Miniaturformat
Im "Arten Eden", einem Wildstaudengarten am Eingang des Artenschutzzentrums, kann der Besucher oder die Besucherin auch viele heimischen Insekten beobachten. Dort gibt es Totholz oder Steinhaufen als Lebensgrundlage für die Insekten. "Wenn die Menschen sich öffnen, sich die Herzen auch öffnen, dann interessieren sich die allermeisten auch für die Informationen, die wir hier kompakt vermitteln. Über die Ästhetik der Landschaft, über die Schönheit, über das Willkommensein erreichen wir eine Öffnung für unsere inhaltlichen Themen", sagt Roos. Auf dem Gelände des ehemaligen Bundeswehr-Tanklagers gibt es auch außergewöhnliche Projekte, etwa die Aufzucht der bedrohten Zauneidechse.
Coworking im Gewächshaus
Für den technischen Leiter im Artenschutzzentrum, Marco Annies, bietet das Konzept des Artenschutzzentrums viele Freiheiten: "Das Schönste an dieser Tätigkeit ist, dass man von der Planung bis zur Umsetzung alles selbst gestalten kann - und dann auch noch bei so einem sinnvollen Projekt: Das ist natürlich ein Traum für jeden Handwerker", sagt er. Was das Thema Arbeitsbedingungen angeht, steht im Artenschutzzentrum das nächste Projekt in den Startlöchern. Bald soll das Gewächshaus in der kleinen Baumschule mit WLAN ausgestattet sein. Dann könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreises zwischen standortheimischen Steckhölzern Büroarbeit erledigen. Einige Meter weiter steht das Bildungshaus Treenelandschaft. Auch für Bildungsveranstaltungen werden die Räumlichkeiten kostenfrei vermietet.
Finanziert über Ersatzleistungen
Das Geld für das Artenschutzzentrum, in den vergangenen Jahren sind laut Roos mehrere Hunderttausend Euro in das Gelände geflossen, kommt zum Großteil von Unternehmen, die sogenannte Ersatzzahlungen leisten. Wenn also zum Beispiel ein Windpark entsteht, zahlt der Investor an den Kreis eine Ersatzzahlung. Der Kreis wiederum investiert dieses Geld in Eggebek, um so die Eingriffe in die Natur zu kompensieren. So bekommen Besucherinnen und Besucher dort fast nebenbei einen Eindruck davon, wie die öffentliche Hand Geld für Naturschutz ausgibt. Ein Konzept, das Schule machen könnte - auch über Schleswig-Holstein hinaus.