CDU und Grüne Politiker*innen sitzen an einem Tisch, die Presse im Hintergrund © Stefan Böhnke Foto: Stefan Böhnke

Sondierungen: Jamaika bleibt möglich

Stand: 17.05.2022 19:16 Uhr

Nach ersten Sondierungsgesprächen hat die CDU erst mit den Grünen, dann mit der FDP Gemeinsamkeiten ausgelotet. Die möglichen Partner wollen eigentlich am liebsten allein mit der CDU regieren - sind aber offen für Gespräche.

von Constantin Gill

Der Sondierungstag beginnt mit Stau. Kurz vor 9 Uhr steht vor dem Hotel in der Kieler Innenstadt noch der Wagen einer Wäscherei. Die Karossen der CDU-Verhandler müssen erst einmal dahinter parken. Hotelgäste schieben ihre Koffer an der Menschentraube vor dem Eingang vorbei. Ministerpräsident und CDU-Chef Daniel Günther erreicht als erster Verhandler das Hotel. Gut gelaunt, aber auch mit der klaren Erwartung, dass sich das Wahlergebnis der CDU "auch in den Gesprächen widerspiegeln muss, dass sich das auch in einem Koalitionsvertrag widerspiegeln muss."

Dennoch sei er zuversichtlich, dass man das Jamaika-Bündnis fortsetzen könne, sagt Günther. Die Skepsis gerade der Grünen sieht Günther gelassen: "Natürlich bedeuten Verhandlungen auch, dass man mit einer starken Position hier reingehen will, das machen wir aber als CDU umgekehrt auch." Während des Interviews fällt der Windschutz eines TV-Mikros auf Günther herab. Gelächter.

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Grüne Hosen und klare Präferenzen

Inzwischen hat sich der Stau vor dem Hotel aufgelöst, das CDU-Verhandlungsteam ist komplett. Fraktionschef Tobias Koch trägt eine grüne Hose - verweist aber, auf die Farbwahl angesprochen, auch auf seine gelbe Krawatte. Später wird die CDU noch mit der FDP sprechen.

Aus der Kleidung der Verhandlungsteilnehmer Koalitions-Präferenzen herauslesen zu wollen, ist an diesem Tag ohnehin müßig: Sowohl Grünen-Spitzenkandidatin Monika Heinold als auch CDU-Innenministerin Sabine-Sütterlin Waack tragen schwarz-rot.

Drei Viertel des Verhandlungsteams der Grünen kommen an, schließen ihre Fahrräder ab und treten lächelnd vor die Journalisten. "Wir sind gut drauf, wir sind gut vorbereitet", sagt Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré. "Wir haben eine Präferenz für schwarz-grün, sind aber offen auch für weitere Gespräche, die möglicherweise geführt werden. Und schauen uns mal an, wie das wird gleich."

Gemeinsamkeiten und schwarz-grüne Getränke

Angesprochen auf mögliche Knackpunkte bei den Gesprächen mit der CDU sagt der Grünen-Abgeordnete Lasse Petersdotter: "Viel auffälliger sind die Gemeinsamkeiten. Wir haben natürlich alle Programme übereinandergelegt und wir sehen: Ein schwarz-grünes Bündnis ist möglich." Dann verschwinden alle im Hotel. Ein Taxifahrer räumt Gepäck in den Kofferraum.

Im ersten Stock des Hotels nehmen die ersten Politikerinnen und Politiker inzwischen ihre Plätze im Verhandlungszimmer ein. In der Mitte steht ein schlichter Tisch, vier Stühle auf jeder Seite. Grüne Gläser stehen bereit - und schwarzer Johannisbeersaft. Noch sind nicht alle Teilnehmer da.

Umringt von Journalisten stehen die Anwesenden sich gegenüber. Es hat etwas von Schach. "Vielleicht sollten wir etwas singen", schlägt jemand vor. Dazu kommt es nicht, denn die Verhandlungsrunde ist nun komplett und die Türen schließen sich.

Gemeinsamkeiten im Fokus

Fünf Stunden später treten alle Verhandlungsteilnehmer gemeinsam vor die Presse. Es habe ein bisschen länger gedauert, sagt Daniel Günther. Aber es sei eine angenehme Gesprächsatmosphäre gewesen. Günther betont, dass eine künftige Regierung, "das, was wir an Herausforderungen haben, jetzt sehr offensiv angehen muss" - und darin sei man sich einig. Vor allem im Ziel, einen ehrgeizigen Klimaschutz umzusetzen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Über manche Themen müsse man im Detail noch reden, sagt Günther. Aber es gebe viele Überschneidungen. Auch die Grünen betonen die inhaltliche Nähe zur CDU - aber auch eine Präferenz für Schwarz-Grün. Spitzenkandidatin und Finanzministerin Monika Heinold sagt: "Ende der Woche werden wir alle miteinander schlauer sein."

Nach den Grünen kommt die FDP

Kurze Zeit nach dem Statement mit den Grünen kommen schon die nächsten Gäste - das Verhandlungsteam der FDP. Die liberale Fahrgemeinschaft aus Wirtschaftsminister Bernd Buchholz und Parteichef Heiner Garg, sowie Fraktionschef Christopher Vogt und Bundesvize Wolfgang Kubicki trifft um 15 Uhr vor dem Hotel ein. Heiner Garg erläutert, dass für die FDP schwarz-gelb die bevorzugte Koalitionsvariante wäre. Aber man sei auch offen für andere Möglichkeiten: "Man muss ausloten, wie stabil eine solche Regierung ist."

Die Atmosphäre beim Zusammentreffen mit den CDU-Verhandlern ist betont gelassen. Wolfgang Kubicki sagt, er sei "tiefenentspannt" und Bernd Buchholz reizt vor lauter Gelassenheit die Lehne seines Stuhls soweit aus, dass ein Fotograf ihn fürs Gruppenfoto zum Geradesitzen bewegen muss. "Setz Dich mal ordentlich hin!", witzeln die FDP-Kollegen. Dann schließen sich auch hier die Türen.

Läuft es auf Jamaika hinaus?

Diesmal dauert das Gespräch nur zwei Stunden. Ministerpräsident Günther begründet das damit, dass es mehr inhaltliche Übereinstimmungen mit der FDP gibt. Dennoch bleibt er dabei: Jamaika sei "aus unserer Sicht das beste Bündnis." Auch FDP-Chef Heiner Garg ist "hochzufrieden" mit dem Gespräch. Bundesvize Wolfgang Kubicki sagt: "Das ist meine persönliche Empfindung jetzt - es wird auf eine Jamaika-Konstellation hinauslaufen."

Die CDU will beide Gespräche nun auswerten. Und dann entscheiden, wen sie zu weiteren Gesprächen einlädt. Abgeschlossen werden sollen die Sondierungen noch in dieser Woche.

Den erkenntnishungrigen Journalisten verspricht Daniel Günther noch: "Wir lassen Sie nicht lange hängen." Dann verlassen die FDP-Verhandler den Ort des Geschehens. Einer wartet noch auf seine Mitfahrer. Daneben steigt ein Hotelgast ins Taxi.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.05.2022 | 20:00 Uhr

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