Sollen 15 Hektar Stadtwald für die Elbe-Lübeck-Leitung weichen?

Stand: 02.10.2023 12:09 Uhr

Die neue Elbe-Lübeck-Leitung soll die Region mit grünem Strom versorgen. Für den Ausbau der Stromtrasse müssen 15 Hektar Wald gerodet werden. Die Meinungen in Lübeck sind geteilt.

von Margarita Ilieva

Der Stadtwald Moorgarten im Südosten Lübecks ist für Lübecker und Lübeckerinnen ein beliebtes Erholungsgebiet. Jetzt sollen 15 Hektar von ihm abgeholzt werden. Grund ist der Bau der neuen Elbe-Lübeck-Leitung - einer 380 Kilovolt (kV) -Stromtrasse, die ab 2034 Strom aus Windkraft von Ostholstein in Richtung Süddeutschland transportieren soll.

Porträt vom Lübecker Umweltsenator Ludger Hinsen. © NDR Foto: Brit Hansen
Lübecks Umweltsenator Ludger Hinsen wünscht sich Alternativen.

"Das ist erstmal eine Katastrophe. Wir wollen den Wald erhalten. Nicht nur, weil er schön und wichtig ist - für die Natur, für die Biodiversität, sondern auch um des Klimaschutzes Willen", sagt der Lübecker Umweltsenator Ludger Hinsen (CDU) dazu. Eine neue Leitung sei zwar im Sinne der Energiewende wichtig. Hinsen plädiert aber dafür, alternative Routen zu erörtern, die nicht "quer durch eines der schönsten Waldgebiete Lübecks" verlaufen.

Elf Prozent des deutschen Waldes liegt in SH

Nach Angaben des Thünen-Instituts belegt Schleswig-Holstein im bundesweiten Vergleich den drittletzten Platz in Punkto Waldflächen. Elf Prozent beträgt der Waldanteil an der gesamtdeutschen Fläche. Im Vergleich dazu liegen Niedersachsen bei 25,3 und Mecklenburg-Vorpommern bei 26,1 Prozent.

Grafik für Stromtrassenbau in Schleswig-Holstein. © TenneT TSO GmbH
Die neue Leitung soll Strom zwischen Stockelsdorf, nordwestlich von Lübeck, und Krümmel bei Geesthacht transportieren.

Doch eine alternative Trassenführung ist laut Stromnetzbetreiber Tennet zurzeit nicht vorgesehen. Die Pläne sollen zügig abgegeben werden, Fristen müssten eingehalten werden, erklärt Matthias Fischer, Pressesprecher des niederländischen Netzbetreibers. Die Strecke sei ein Kompromiss - andere Ortschaften sollten so entlastet werden, weil zum Beispiel Stromleitungen über Häusern abgebaut würden. Auch Lübeck selbst profitiere davon. "Aktuell überspannen die Bestandsleitungen Wald und teilweise Orte. Diese sind durch Neubebauung teilweise sehr nah an die Stromleitung gerückt. Wenn wir jetzt neu planen, gehen wir weiter weg von den Ortschaften und möglichst nicht mehr durch Wald. Das bringt insgesamt für die Menschen eine Entlastung. Auch für die Natur", so Fischer.

Tennet: Netzbetreiber entscheidet nicht über Erdkabelleitung

Der Mast einer Überlandleitung steht auf einem Feld vor einem Waldstück. © NDR Foto: Magarita Ilieva
Durch das Bauvorhaben soll laut Netzbetreiber TenneT das Übertragungsnetz innerhalb Schleswig-Holsteins und in Richtung Süden verstärkt werden.

Die Stadt Lübeck kritisiert: Um die Waldrodung zu vermeiden, hätten alternative Korridore sowie der Bau einer kostenintensiveren Erdkabelleitung in Betracht gezogen werden können. Tennet sagt dazu, die Stadtverwaltung sei in jedem der Planungsschritte involviert gewesen, Diskussionsraum sei gegeben gewesen. "Tennet ist verwundert über die Forderungen nach einer Erdkabelleitung, denn die Entscheidung darüber liegt nicht beim Netzbetreiber", erklärt der Pressesprecher. "Beim Erdkabel haben wir gar keine Möglichkeit. Es ist nur dort möglich, wo der Gesetzgeber das über Pilotprojekte vorsieht. Aktuell sagt der Gesetzgeber, dass dies bei Drehstromleitungen eine Freileitung sein muss", so Fischer. Das sei die Gesetzeslage, es gebe daher keine andere Möglichkeit als eine Freileitung zu bauen.

50 Hektar Neuwald sollen aufgeforstet werden

Um die gerodeten Waldflächen auszugleichen, plant Tennet die Aufforstung mit 50 Hektar Neuwald an anderer Stelle in der Region. "Zusätzlich wird neuer Wald ganz natürlichen Ursprungs in derselben Größe nachwachsen, weil wir eine alte Leitung abbauen werden, die jetzt den Wald überspannt", sagt Fischer. Lübecks Umweltsenator Hinsen lässt das nicht gelten: "Der ganze Moorgartner Wald ist schon eine Ausgleichsmaßnahme. Das heißt, er kompensiert Eingriffe in die Natur, die schon stattgefunden haben. Dass das jetzt wieder zerstört wird, nachdem er schon so prächtig angewachsen ist, das ist sehr hart." Denn bis ein neuer Wald genauso groß geworden ist wie der Stadtwald, wird es nach Meinung des Umweltsenators noch Jahrzehnte dauern.

Ob die Trasse tatsächlich mitten durch den Stadtwald verläuft oder nicht, das entscheidet sich nach dem Planfeststellungsverfahren. 

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 30.09.2023 | 19:30 Uhr

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