Das Landtagsgebäude mit seinem gläsernen Parlamentssaal. © picture alliance/dpa Foto: Markus Scholz

Landtagsdebatte: Wie krisenfest ist Schleswig-Holstein?

Stand: 31.08.2022 20:30 Uhr

Am Mittwoch gab es im schleswig-holsteinischen Landtag eine lebhafte Debatte zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Kernfragen: Wie kurzfristig kann auf aktuelle Krisen reagiert werden - und wie können sie langfristig vermieden werden - auch, um den sozialen Frieden zu wahren.

von Constantin Gill

Meteorologisch gesehen ist es der letzte Sommertag. Im Landtag wirft der Herbst schon seine Schatten voraus. Weil sich viele fragen, wie die künftige Gasrechnung aussehen oder wie kalt es im Winter wird, diskutieren die Parteien in der ersten Sitzung des schleswig-holsteinischen Landtags nach der parlamentarischen Sommerpause darüber, was die Politik unternehmen kann, um Schleswig-Holstein durch die nächste Krise zu steuern.

Denn es ist nicht die erste Krise. Zwei Corona-Winter liegen hinter dem Land. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verspricht, man werde alles tun, um auch das gemeinsam durchzustehen - und gibt sich zuversichtlich: "In Schleswig-Holstein halten wir zusammen. Wir können auch Krise."

Erst die Krise, dann der Wohlstand

Für diejenigen, die sich wegen hoher Preise und Energiekosten sorgen, kündigt Günther Hilfe an. Man setze sich in Berlin für Entlastungen bis in die Mittelschicht ein. Das Land helfe da, wo es der Bund nicht tut. Der Staat könne aber nicht jede Härte ausgleichen: "Die wirklich starken Schultern werden ihr Päckchen selbst tragen müssen", sagt Günther.

Langfristig will Günther mit seiner schwarz-grünen Regierung das Land dauerhaft krisenfest machen. Indem es bis 2040 klimaneutral wird. Das werde "uns nachhaltigen Wohlstand bringen." Es folgt ein Ritt durch die im Koalitionsvertrag beschriebenen Pläne: Mehr Kita-Plätze, mehr Geld für mehr Kita-Personal, Ausbau des ÖPNV, schnellere Genehmigungsverfahren.

Opposition vermisst Konkretes

Die Oppositionsfraktionen haben lange auf die Regierungserklärung gewartet - sie hätten gern schon vor der Sommerpause mehr über die Pläne von Schwarz-Grün gehört. Die Erwartungen sind bei Thomas Losse-Müller, SPD-Fraktionschef, in der Zwischenzeit nicht gerade kleiner geworden. Doch gelohnt hat sich das Warten aus seiner Sicht nicht: "Ihre Rede hätte eine Rede sein sollen, die den Menschen in unserem Land in herausfordernden Zeiten Orientierung gibt. Das war sie leider nicht."

Thomas Losse-Müller wirft der Landesregierung vor, zu viel Verantwortung an den Bund abzuschieben. Er fordert, das Land müsse sich mehr engagieren, ob nun bei Investitionen für den Klimaschutz und Infrastruktur - oder beim Thema Fachkräfte: "Wie bekommt denn der Elektriker bei mir im Dorf Kontakt zu den Fachkräften aus Potsdam, Portugal oder Puerto Rico? Das muss doch das Land unterstützen können."

Klebezettel und Lustlosigkeit

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter kontert: Viele der von Losse-Müller geforderten Maßnahmen plane man doch bereits: "Ich hab wirklich in der kompletten Rede nicht eine klimapolitische Maßnahme gehört, die nicht in unserem Koalitionsvertrag steht." Auch CDU-Fraktionschef Tobias Koch weist die SPD-Kritik zurück und lobt die Leistungsbilanz der neuen Regierung und listet dazu die Maßnahmen aus dem 100-Tage-Programm der Landesregierung auf.

SSW-Fraktionschef Lars Harms nimmt selbiges aufs Korn, indem er bei seiner Rede mit dem Papier wedelt, an dem etliche gelbe und pinke Klebezettel hängen: Damit hat Harms die Maßnahmen aus dem 100-Tage-Programm markiert, die ihm nicht konkret genug sind. "Das ist wirklich dünne", so sein Fazit.

Auch FDP-Fraktionschef Christopher Vogt nennt das Programm "lust- und belanglos" - und vermisst konkrete Antworten. Und Entscheidungen - wenn sie auch schmerzhaft sein mögen - wie etwa die von der FDP geforderte Rückkehr zur Kernenergie.

Warnung vor einem heißen Herbst

Lebhaft geht es am Mittwoch zu im Landtag. Zwischenrufe begleiten die meisten Reden. Ein paar Formalitäten haben die Abgeordneten noch zu erledigen: In der Landtagssitzung werden noch die letzten Ämter besetzt, ein Nachrücker wird begrüßt - und der Ministerpräsident bekommt noch ein paar verspätete Glückwünsche zu seiner Wahl: Bei der letzten Landtagssitzung war Günther krank.

Die Krisenthemen werden den Landtag weiter beschäftigen. Anträge zu Energiekosten, Benzinpreisen und auch zur künftigen Corona-Strategie werden in den kommenden Tagen eine Rolle spielen. Bei allem geht es immer auch darum, wie sich der soziale Frieden im Land wahren lässt: "Da draußen rennen Demokratiefeinde durch die Gegend, die sagen: 'Euch Demokraten machen wir einen heißen Herbst!' Und das darf uns nicht passieren", sagt Lars Harms vom SSW in seiner Reaktion auf die Regierungserklärung: "Wir müssen den Menschen da draußen helfen und schnell helfen, weil wir damit eben auch unsere Demokratie sichern!"

Dass die Herausforderungen groß sind - darin sind sich alle Fraktionen einig. Meteorologisch gesehen beginnt morgen der Herbst.

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Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) steht am Rednerpult im Landtag. © dpa-Bildfunk Foto: Christian Charisius

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 31.08.2022 | 13:00 Uhr

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) steht am Rednerpult im Landtag. © dpa-Bildfunk Foto: Christian Charisius

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