Ein kleiner Roboter fährt über eine Rampe in einen Bus.  Foto: TUHH/Marko Thiel

Fahren ab 2035 automatisierte Busse durch Schleswig-Holstein?

Stand: 01.06.2022 05:00 Uhr

Diskussionen über Verbesserungen im ÖPNV sind ein Dauerbrenner. In Lauenburg haben Forscher eine Möglichkeit getestet: fahrerlose Shuttles. Aktuell ist die Technik noch nicht serienreif, das Projektteam und der Kreis sehen aber Potential.

von Frederike Schneider

Das Ergebnis des Projekts Tabula klingt auf den ersten Blick ernüchternd: Der Betrieb eines fahrerlosen Shuttles wäre aktuell zehn Mal so teuer wie bei einem regulären Linienbus. Außerdem ist es langsamer und kann weniger Fahrgäste mitnehmen. Das ist ein Ergebnis der Forscher der Technischen Universität Hamburg (TUHH), die das Projekt Tabula (Testzentrum für autonome Busse im Kreis Herzogtum Lauenburg) betreuen. Sie kommen nach der Testphase zu dem Schluss, "dass der Stand der Technik es heute nicht erlaubt, auch nicht annähernd oder mit Abstrichen, einen weitgehend automatisierten ÖPNV im ländlichen und kleinstädtischen Raum mit der gewohnten Verlässlichkeit zu erbringen."

Forscher: Tabula-Projekt war Erfolg

Ein junger Mann im Anzug lächelt in die Kamera.  Foto: Matthias Grote
Matthias Grote von der TUHH hat das Tabula-Projekt betreut. Er sieht im autonomen Fahren eine Chance für den ÖPNV.

Dennoch ist Projektkoordinator Matthias Grote zufrieden. "Wir sind in ganz vielen Detailbereichen einzelne Schritte weitergekommen", sagt er und fügt an: Als die Idee im Jahr 2017 aufkam, wusste noch niemand, ob überhaupt ein Testbetrieb auf den Straßen möglich sein würde. Die erste Hürde lag schon darin, dass kein einziger Fahrzeughersteller alle technischen Anforderungen erfüllen konnte. Schließlich lieferte die französische Firma Navya ein Shuttle, das rund 1,5 Jahre in Lauenburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) unterwegs war.

Damit es auf den ausgewählten Strecken auch fahren konnte, mussten diese zum Teil angepasst, Ampeln nachgerüstet und neue Haltestellen geschaffen werden. Insgesamt kostete das Projekt 2,25 Millionen Euro, davon wurden 1,92 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) getragen, der Kreis Herzogtum Lauenburg beteiligte sich mit 200.000 Euro.

Autonomes Fahren keine Utopie mehr

Tabula sei auch deshalb wichtig gewesen, damit die Menschen vor Ort die Technik selbst erleben können, sagt Matthias Grote. Denn er ist sich sicher: Automatisiertes oder sogar autonomes Fahren wird sich durchsetzen. "Das wird sich langsam einschleichen - wie der Saugroboter, der inzwischen bei jedem Zweiten im Wohnzimmer steht." Daher sei es entscheidend, sich mit dem Einsatz für den ÖPNV zu beschäftigen.

Der liegt nach Meinung der Forscher gar nicht so fern: "Es ist konkret vorstellbar, dass bis 2035 der ÖPNV sinnvoll mit dem Einsatz von automatisiert fahrenden Shuttles ergänzt werden kann", heißt es im Abschlussbericht. Bis 2040 sei ein Einsatz auf der sogenannten letzten Meile denkbar, also auf dem Abschnitt von bestehenden Haltestellen zum eigentlichen Ziel. "Wir wollen gar nicht den Gelenkbus in Hamburg ersetzen", erklärt Grote. Gerade in ländlichen Gebieten, in den sich Fahrten schlecht bündeln lassen, sieht der Forscher großes Potential in fahrerlosen Bussen.

Es hakt bei Geschwindigkeit und Digitalisierung

Eine Gruppe von Menschen posieren für die Kamera.  Foto: TUHH/Alexander Greif
Das Projektteam mit dem Tabula-Shuttle und den Transportrobotern.

Dafür muss die Technik aber noch weiterentwickelt werden. Denn bisher waren die Shuttles nur automatisiert und nicht autonom unterwegs. Sie konnten zwar selbstständig bremsen und weiterfahren, aber keine Entscheidungen treffen, ob und wie ein Hindernis umfahren wird. Daher war auch immer Fahrpersonal an Bord, um bei Bedarf eingreifen zu können. Wenn es gelinge, die Shuttles tatsächlich fahrerlos auf die Strecke zu schicken, könnten der Betrieb um rund ein Drittel günstiger sein als bei einer normalen Buslinie, erklärt Grote.

Verbesserungswürdig ist außerdem die Geschwindigkeit. Bisher kommen die Shuttles auf maximal 18 Kilometer pro Stunde. Gerade auf Landstraßen müssten sie deutlich schneller werden, um mit anderen Fahrzeugen mithalten zu können. Ein weiterer "Knackpunkt, wie Grote sagt, liegt in der Digitalisierung. Denn das Shuttle ist auf eine ausreichende Datenqualität, zum Beispiel im Mobilfunknetz angewiesen. Ist der Empfang zu schlecht, bleibt das Gefährt stehen - und das kam während der Testphase leider häufiger vor. Außerdem habe sich gezeigt, dass die Shuttles noch nicht für Menschen mit Behinderung geeignet sind.

Ein Gewinn für Lauenburg und den Kreis

Im Einsatz sind die Shuttles bereits seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr. "Für den Kreis und auch die Stadt Lauenburg waren die Shuttles ein echter Gewinn, nicht nur aus Sicht des ÖPNV, sondern auch als Publikumsmagnet", sagt ein Sprecher des Kreises Herzogtum Lauenburg.

Transportroboter liefert Post aus

Ganz verschwunden ist Tabula aus Lauenburg aber nicht. 2021 wurde das Projekt um einen Transportroboter namens Laura ergänzt, der die Hauspost der Stadtverwaltung verteilte. Die Beförderung von Waren und Personen gemeinsam zu denken, könnte nach Ansicht des Forschungsteams nicht nur nachhaltiger sein, sondern auch eine Lösung für Fachkräftemangel. Landrat Christoph Mager (CDU) unterstützt die Idee: "Wir werden gar nicht umhinkommen, auf ausgewählten, technisch weniger komplexen und schwächer nachgefragten Strecken mittelfristig autonom funktionierende Transportmittel einzusetzen." Für Laborabholungen oder die Lieferung von Medikamenten könne das ebenfalls interessant sein.

Auch der Transportroboter hat seine erste Testphase schon beendet, das nächste Projekt ist aber bereits gestartet. Diesmal geht es um die Interaktion zwischen dem Roboter und anderen Fahrzeugen, Ampeln sowie einer Leitstelle. Im kommenden Jahr soll Laura dann auch wieder auf den Straßen von Lauenburg unterwegs sein.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 01.06.2022 | 08:30 Uhr

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