Baubeginn Ostküstenleitung: Eine Gemeinde wehrt sich dagegen

Stand: 25.04.2023 19:51 Uhr

Eine 120 Kilometer lange Höchstspannungsleitung soll Windstrom aus Norddeutschland in das bundesweite Stromnetz einspeisen. Der offizielle Spatenstich ist erfolgt, aber die Gemeinde Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) wehrt sich bisher erfolgreich gegen den Baubeginn im Gemeindegebiet.

von Ole ter Wey

Mit dem Spatenstich im schleswig-holsteinischen Stockelsdorf (Kreis Ostholstein) begann am Dienstag offiziell der Bau an der sogenannten Ostküstenleitung. Die geplante Höchstspannungsleitung ist eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte Deutschlands und soll bis 2027 fertiggestellt werden. Ziel des Großprojekts ist es, den in Norddeutschland produzierten Windstrom ins bundesweite Stromnetz einzuspeisen. Bisher gelinge das noch viel zu selten, so Peter Hilffert vom Stromnetzbertreiber TenneT. Das niederländische Unternehmen ist mit dem Bau der Ostküstenleitung beauftragt.

"Zuerst wurden die Windkraftanlagen gebaut, erst jetzt folgt die notwendige Infrastruktur“, führt Hilffert aus. "Tatsächlich wird in Schleswig-Holstein im Moment mehr Strom produziert, als im ganzen Land verbraucht werden kann. Und weil ohne die nötige Infrastruktur der zusätzliche Strom nicht ins bundesweite Netz eingespeist werden kann, werden ständig Windkraftanlagen abgeschaltet." Die Ostküstenleitung soll da Abhilfe schaffen. Über insgesamt 120 Kilometer soll die Höchstspannungsleitung den Strom aus dem ostholsteinischen Göhl über Lübeck bis nach Henstedt-Ulzburg transportieren, wo er mithilfe eines geplanten Umspannwerks schließlich für ganz Deutschland nutzbar gemacht werden kann.

Feldweg gesperrt - Baubeginn verhindert

Viele Gemeindevertreter in Henstedt-Ulzburg sind mit diesen Plänen aber überhaupt nicht einverstanden. "Dieses bis zu 20 Hektar große Umspannwerk ist unser Hauptproblem hier in Henstedt-Ulzburg. Denn wir brauchen gerade hier in der Metropolregion Hamburg dringend Flächen für Wohnungsbau, für Gewerbeansiedlung, aber natürlich auch für den Erhalt der Natur für unsere Bürger", so Stephan Holowaty (FDP). Er ist der Vorsitzende im Planungs- und Bauausschuss der Gemeinde. Kritiker bemängeln, die 380-Kilovolt-Leitung sei ein zu starker Eingriff in die Natur. Der Bau sei außerdem unnötig teuer, das Umspannwerk stehe zu nah am Ort und außerdem führe der Streckenverlauf teilweise quer durch die Gemeinde, heißt es aus mehreren Parteien.

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Bauarbeiter stehen auf einer Baustelle vor Leerrohren für Drehstromerdkabel. © dpa-Bildfunk Foto: Cindy Riechau/dpa

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Bei reinen Unmutsbekundungen blieb es allerdings nicht. Zuerst klagte die Gemeinde vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den vorgezogenen Baubeginn, scheiterte aber aus formalen Gründen. Die Planfeststellungsbehörde hatte eine Sondergenehmigung für vorbereitenden Baumaßnahmen erteilt. Der zweite Schritt war hingegen wirkungsvoller: Mit knapper Mehrheit verbot die Gemeinde dem Stromnetzbetreiber TenneT die Nutzung eines bestimmten Feldwegs - der einzigen Zufahrt zur Baustelle.

TenneT nutzt rechtliche Schritte

Der Baubeginn in Henstedt-Ulzburg verzögerte sich deshalb immer weiter. Erst die endgültige Baugenehmigung der Planfeststellungsbehörde würde dafür sorgen, dass die Gemeinde den Weg freigeben muss. Eine Entscheidung wird für den kommenden Sommer erwartet. "Wir bereiten jetzt schon rechtliche Schritte vor mit dem Ziel, dass dann mit dem Planfeststellungsbeschluss umgehend gebaut werden kann. Ein solcher Schritt ist zum Beispiel ein Besitzeinweisungsverfahren", so der Gesamtprojektleiter der Ostküstenleitung Till Grabes. Eine vorzeitige Besitzeinweisung ist im Grunde mit einer Enteignung gleichzusetzen. An dieser Stelle sei eine erneute Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht möglich, so Gemeindevertreter Holowaty. Allerdings dürfte TenneT sogar während der Klage weiter bauen, bestätigte ein Sprecher des Unternehmens.

Moderate Stimmen in Henstedt-Ulzburg

Während sich in Henstedt-Ulzburg Widerstand formiert, mehren sich aber auch die moderaten Stimmen. Die Fraktionsvorsitzende der Wählergemeinschaft Henstedt-Ulzburg, Karin Honerlah, etwa nimmt "keine große Aufregung in der Bevölkerung wahr". "Durch die Erdkabeltrasse statt einer oberirdischen Leitung haben wir einen sehr guten Erfolg erzielen können. Irgendwo müssen die Leitungen verlaufen. Alle wollen wir unseren Strom aus der Steckdose haben, unsere E-Autos, unsere neuen Heizungen mit Strom betreiben. Wie soll das funktionieren?", sagt sie.

Die Kommunalwahl am 14. Mai wird über die Stimmverteilung im kommunalen Bauausschuss entscheiden - und damit auch über die Klageabsichten der Gemeinde. Seit 2015 ist die Ostküstenleitung in Planung. Ursprünglich hätte der Abschnitt bei Henstedt-Ulzburg bereits 2021 fertig sein sollen. Nun ist weiterhin vollkommen unklar, wann und ob die Bagger in Henstedt-Ulzburg überhaupt anrollen werden.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 25.04.2023 | 18:00 Uhr

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