Tariftreue-Gesetz: Kommunalverband feuert gegen rot-rotes Kernprojekt
Der Städte- und Gemeindetag hat an die rot-rote Landesregierung appelliert, das neue Tariftreue-Gesetze zu stoppen. Die Regelung schaffe nur neue Bürokratie und helfe weder Kommunen noch Betrieben, erklärte der Verbands-Chef, Wismars Bürgermeister Thomas Beyer (SPD).
Es ist eine Frontal-Attacke auf eines der wichtigsten Projekte von Rot-Rot: Firmen, die sich um öffentliche Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern bewerben, müssen Tariflöhne oder vergleichbare Löhne zahlen. Wenn nicht, haben sie keine Chance auf die Aufträge. SPD und Linke sehen darin einen Meilenstein für bessere Bezahlung - Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) stellte das Projekt erst in der vergangenen Woche zur Halbzeitbilanz ihrer Regierung auf einen vorderen Platz ins politische Schaufenster.
Kritik von Kommunalverband
Wenn es nach dem Städte- und Gemeindetag geht, müsste es da sofort wieder verschwinden. Der Kommunalverband meint, das Gesetz passe nicht in Zeiten von Konjunkturschwäche und Personalmangel. Das Vergaberecht werde weiter verkompliziert und überfordere die Kommunen zusätzlich, so Verbandschef Beyer, der damit erneut auf Gegenkurs zur Linie der Landes-SPD geht. Wenige Wochen vor der Kommunalwahl setzt Sozialdemokrat Beyer damit ein deutliches Zeichen.
Weniger Interesse an kommunalen Ausschreibungen
Die Politik breche ihr Versprechen von einer Entbürokratisierung, beklagt der Verband. Auch deshalb sinke die Zahl der Firmen, die sich an kommunalen Ausschreibungen beteiligen. "Die Unternehmen wollen sich die erforderliche Bürokratie nicht mehr antun beziehungsweise betrachten diese als so unangemessen, dass eine Angebotsabgabe unterblieben ist und mithin sich der Bewerberkreis weiter reduziert", heißt es in einer Erklärung des Verbandes.
Beyer: Mehrzahl der Betriebe ausgeschlossen
Beyer verweist außerdem auf eine Statistik der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Danach sind in Mecklenburg-Vorpommern nur 24 Prozent der Betriebe tarifgebunden. Damit schließe die Landesregierung 76 Prozent aller Betriebe von öffentlichen Aufträgen aus - vor allem kleine und mittelständische Betriebe, beklagt der Städte- und Gemeindetag. Er fordert, das neue Gesetz zu stoppen. Es ist ein Hilferuf in letzter Minute. Denn das Gesetz ist zwar formell schon zu Jahresbeginn in Kraft getreten. Es greift aber erst, wenn das Wirtschaftsministerium die Vergabe-Verordnung erlassen wird. Das soll demnächst passieren.
SPD sieht Stärkung regionaler Wettbewerbsposition
Die SPD-Fraktion sieht dagegen keine Nachteile durch das Gesetz - eher im Gegenteil. Ein "Nachhaltigkeitsfaktor" fördere Betriebe aus dem Land, denn bei der Vergabe würden "möglichst kurze Transportwege" berücksichtigt. Das stärke die Wettbewerbsposition regionaler und lokaler Betriebe bei öffentlichen Ausschreibungen. Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium hat bisher nicht auf die Kritik des Städte- und Gemeindetags reagiert.
Arbeitgeberverband stützt Kritik
Der Arbeitgeberverband VUMV sieht sich dagegen bestätigt. Beyer bringe es auf den Punkt, heißt es auf Anfrage: "Viel unnütze Bürokratie, regionale Wirtschaftstreibende werden ausgebremst und die Kritik am Gesetz und der Verordnung perlen ungehört an der Landesregierung ab". Rot-rot dürfe sich nicht wundern, "dass die Stimmen derer lauter werden, die der Landesregierung zunehmende Realitätsverweigerung attestieren", erklärte Sven Müller, Vize-Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Eine Reaktion des DGB liegt noch nicht vor.