Energieexpertin: Nord Stream 2 war geostrategisch motiviert

Stand: 10.03.2023 14:15 Uhr

Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klimastiftung MV hat die Energieökonomin Claudia Kemfert wirtschaftliche Beweggründe für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 in Zweifel gezogen. Der Bau der Leitung sei von Russland aus geostrategischen Motiven vorangetrieben worden.

Schwerin: Claudia Kemfert, Sachverständige vom Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, spricht vor ihrer Vernehmung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern zur Klimastiftung MV mit Sebastian Ehlers (CDU) Ausschussvorsitzende des Untersuchungsausschuss. © Jens Büttner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Jens Büttner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Energieökonomin Claudia Kemfert sagte, dass auch ohne den Bau der Pipeline keine Lücke bei der Erdgas-Verfügbarkeit in Europa entstanden wäre.

Der am Freitag in Schwerin tagende Untersuchungsausschuss wollte die Frage klären, welche Argumente seinerzeit für beziehungsweise gegen den Bau einer weiteren Pipeline durch die Ostsee sprachen. Dazu hatte das Gremium die Wissenschaftlerin Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sowie den Energieberater und früheren CDU-Politiker Friedbert Pflüger geladen. Kemfert hatte den Bau von Nord Stream 2 frühzeitig als überflüssig angesehen, Pflüger, der auch dem Aufsichtsrat des Lobbyverbands "Zukunft Gas" vorsitzt, hatte das Projekt dagegen unterstützt.

Expertin: Auch ohne Pipeline keine Gas-Lücke in Europa

Kemfert sagte in Schwerin, dass auch ohne den Bau der Pipeline keine Lücke bei der Erdgas-Verfügbarkeit in Europa entstanden wäre. Sie stellte die wirtschaftlichen Gründe für das Projekt infrage. Schon vor dem Bau habe es ausreichend freie Kapazitäten für den Import von Flüssigerdgas (LNG) in Europa gegeben. Zudem sei eine Steigerung der Erdgas-Lieferungen durch die Ukraine um mindestens die Kapazität der Nord-Stream-2-Pipeline möglich gewesen.

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Nord Stream 2 sollte Gas-Transit über Ukraine überflüssig machen

Aus ihrer Sicht war der Bau der Pipeline für Russland geostrategisch motiviert. Wirtschaftliche Gründe stellte Kemfert in Abrede. Den Kosten für den Bau der Pipeline von 17 Milliarden US-Dollar hätten angenommene Ersparnisse an Durchleitungsgebühren von 700 Millionen Euro jährlich gegenüber gestandenen. Dies gehe sowohl aus Erkenntnissen einer norwegischen Forschungsgruppe als auch aus einer Analyse der russischen Sberbank hervor, wonach das Projekt aus russischer Sicht unrentabel war. Vielmehr sei es darum gegangen, eine alternative Infrastruktur zu errichten, um den Transit von russischem Erdgas durch die Ukraine zu verhindern.

Erdgas keine "Brückentechnologie"

Kemfert stellte auch das von der Landesregierung immer wieder ins Feld geführte Argument von Erdgas als Brückentechnologie im Zuge der Energiewende infrage. Das Label "Brückentechnologie" habe vielmehr dazu gedient, den Konzernen ein Fortführen ihres Geschäfts zu ermöglichen. Der Neubau von Gasinfrastruktur sei jedoch nicht mit den Klimazielen vereinbar, dies binde langfristig an die Nutzung der entsprechenden Technologie. Die klimaschädliche Wirkung von Erdgas, das größtenteils aus Methan bestehe, sei lange deutlich unterschätzt worden. Seit spätestens 2016 habe es jedoch robuste wissenschaftliche Erkenntnisse dazu gegeben.

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Pflüger schließt geostrategische Gründe für Russland nicht aus

Dass Russland geostrategische Gründe bewogen hätten, die Pipeline Nord Stream 2 zu unterstützten, schloss auch Pflüger nicht aus. Trotzdem sei aus der damaligen Perspektive nicht absehbar gewesen, dass Russland als zuverlässiger Lieferant ausfallen würde. Pflüger sieht Erdgas-Projekte wie Nord Stream 2 auch rückblickend als notwendig an. 2015 habe ein EU-Szenario eine nahezu gleichbleibende Gas-Nachfrage prognostiziert, etwa zeitgleich sei eine sinkende Produktion in Europa absehbar gewesen, so der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete.

Pflüger: Damals kam nur Russland infrage

Pflüger sagte, er habe sich vor dem Bau der Pipeline dafür eingesetzt, auch weitere Herkunftsländer für Gaslieferungen zu erschließen. Jedoch seien alternative Lieferanten zu Russland zum damaligen Zeitpunkt nicht wettbewerbsfähig gewesen. Zur Pipeline Nord Stream 2 fügte er an, dass diese Pipeline laut Gesprächen mit Vertretern der Betreibergesellschaft für die Zukunft auch zum Transport von Wasserstoff geeignet gewesen wäre.

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Nordmagazin | 10.03.2023 | 19:30 Uhr

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