Dänemark plant Bornholm als Energieinsel mit Anschluss nach MV

Stand: 12.10.2022 17:09 Uhr

Die Dänen planen, Bornholm zu einer Insel für grünen Strom und Wasserstoff umzubauen. Ganz Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen könnten so mit Energie versorgt werden. Die Leitungen könnten in Lubmin anlanden.

von Martin Möller

Die Dänen haben die Weichen für ihre Energiewende "Den grønne omstilling" schon in den 1980-er Jahren gestellt. Selbst kleine Städte wie Gedser haben ihre Fernwärme- und Stromversorgung klimafreundlich gemacht. Das örtliche Fernwärmewerk wird mit Solarwärme versorgt. Im Winter verbrennen sie Stroh, das örtliche Landwirte liefern. Im Königreich ist der Einbau von Öl- und Gasheizungen seit sechs Jahren verboten. Gefördert werden stattdessen elektrische Wärmepumpen. In der Ostsee vor Gedser liefern seit 2003 Offshore-Windräder Strom. Weht viel Wind und scheint die Sonne, dann ist der Stromtarif besonders günstig. Zwischen 17 und 20 Uhr, wenn der Strombedarf besonders hoch ist, sind Preise hingegen gut dreimal so hoch. Solche flexiblen Tarife sind nur möglich, weil in Dänemark seit Langem alle Häuser mit elektronischen Stromzählern ausgerüstet sind. Trotzdem steigen auch hier die Energiepreise seit Beginn des Ukrainekrieges.

Anschluss von MV an Energieinsel Bornholm

Mit zwei Energieinseln in Nord- und Ostsee wollen sich die Dänen künftig fast komplett von fossilen Energieträgern unabhängig machen. Eine davon entsteht vor der Haustür von Mecklenburg-Vorpommern auf Bornholm. Offshore-Windparks rund um die Ferieninsel sollen künftig drei Gigawatt Leistung liefern. Damit ließen sich theoretisch alle Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen versorgen. Die Dänen bezeichnen das Projekt deshalb auch "als ihre gemeinschaftliche Mission zum Mars". Berechnete Kosten: 28 Milliarden Euro. Das Geld ist bereits im Haushalt eingeplant, im Hafen der Inselhauptstadt Rønne haben erste Arbeiten begonnen. Bis 2030 soll alles am Netz sein. Allerdings gibt es auch Widerstand. Manche Inselbewohner befürchten, dass das ambitionierte Projekt Bornholm von einer Ferien- zu einer Industrieinsel verwandeln könnte, mit Industriehafen, Umspannstationen und Hochspannungsleitungen.

Leitungen nach Vorpommern schon vertraglich festgehalten

Eine dieser Leitungen soll nach Vorpommern führen. Ein entsprechender Vertrag wurde im vergangenen Jahr von den Netzbetreibern Energinet und 50hertz unterzeichnet. Verbindungen nach Schweden und Polen sollen folgen. Trine Villumsen Berling, Energiexpertin vom dänischen Institut für internationale Studien gibt zu bedenken, dass Deutschland dafür seine Stromnetze schnell ausbauen muss, besonders die Nord-Südverbindungen. Im Hinblick auf die Sabotageakte gegen die Nord-Stream-Pipelines führt sie aus: "Unterseekabel lassen sich zwar relativ einfach zerstören, aber auch schnell wieder reparieren, ganz anders als Gasröhren. Es sind keine Auswirkungen auf die Meeresumwelt zu erwarten, weil sich die Kabel bei einer Trennung der Leitung automatisch abschalten."   

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Strom und Wasserstoff für Lubmin

Zu den geplanten Energieinseln gehören auch jeweils Elektrolyseanalagen. Sie sollen überschüssigen Windstrom in grünen Wasserstoff umwandeln. Dazu wird Meerwasser entsalzt und mithilfe von Windstrom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der Energieträger Wasserstoff lässt sich per Schiff oder Leitung transportieren. Laut Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) würde Mecklenburg-Vorpommern eigentlich lieber eigenen Wasserstoff in Lubmin produzieren wollen. Den Strom dafür haben allerdings die Dänen, Wasserstoff könnten sie ebenfalls liefern.

Auch deshalb hat die Schweriner Delegation im Kopenhagener Energieministerium Station gemacht. Schwesig: "Es geht darum, wie kommt diese Energie dann nach Deutschland und hier spielt Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Hafen Lubmin und der großen Infrastruktur in Lubmin, die landseitigen ehemaligen Nord-Stream-Leitungen, eine große Rolle und wir werden die Gespräche fortsetzen und schauen, wie wir als Bundesland und Deutschland Dänemark unterstützen können."

Unklar, wer den Wasserstoff verbraucht

Allerdings fehlt es dazu auch beim Wasserstoff die nötige Infrastruktur. Wasserstoff ist flüchtiger als Erdgas. Die Gasleitungen, die an Nord Stream anschließen, NEL und OPAL, sind zwar geeignet, müssen aber umgerüstet werden. Hinzu kommt: In Deutschland mangelt es noch an Verbrauchern für den grünen Ostsee-Wasserstoff und überhaupt an tragfähigen Geschäftsmodellen. Unklar ist auch, wie teuer der Energieträger Wasserstoff überhaupt wird und wo er als Erstes eingesetzt werden soll. Regionen, wie Neubrandenburg, der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und Wismar haben bereits Projekte, wie "HyStarter" begonnen, um Wasserstofferzeugung und Verbrauch zusammenzubringen. Auch auf Rügen und in Stralsund wird in entsprechenden Projekten, wie beispielsweise "HyExpert", am Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft gearbeitet.

Energiespeicher für Windkraftanlagen

Möglich ist der Einsatz als Energiespeicher für Windkraftanlagen und Photovoltaik, als Ersatz für Dieselgeneratoren, als Treibstoff in Bussen und Bahnen, aber auch als Brennstoff für Kraftwerke. Größte Hoffnung aber ist: Wo viel und günstige Energie zur Verfügung steht, siedeln sich künftig Industrie und Gewerbe an. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Die Umstellung von billigem russischem Gas auf nicht-fossile Energieträger scheint auch für Mecklenburg-Vorpommern zur Mission zu einem anderen Planeten zu werden, der den meisten Bürgerinnen und Bürgern wohl noch immer sehr fern und unbewohnbar erscheint.

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