Bei Krügers in Anklam wird das Möbelhaus zum Tortentempel

Stand: 17.12.2023 09:25 Uhr

30 Jahre lang gab es bei Möbel Krüger in Anklam Schrankwände, Couchtische und Sessel. Durch den Online-Handel brach das Geschäft ein und eine neue Idee musste her, um den Laden am laufen zu halten.

von Friederike Witthuhn

Quark-Sahne-Torte, Marzipan-Torte, Stachelbeer-Baiser-Torte, Zitronen-Maracuja-Torte - all diese süßen Kombinationen schiebt Stefan Krüger in den mehrstöckigen Torten-Schrank, der auf dem Tresen im ehemaligen Möbelhaus seiner Eltern seht. Das Möbel-Geschäft gibt es in Anklam schon seit 30 Jahren. Eigentlich wollte Stefan Krüger vor drei Jahren in die Welt hinausziehen – Australien, Neuseeland, Asien entdecken, hier und da gegen Kost und Logi arbeiten. Das Flugticket und sein erstes Hostel in Bangkok hatte er schon gebucht. Doch dann kam dem gelernten Kaufmann im Einzelhandel die Corona-Pandemie in die Quere. Was machen? Der Job in Hamburg war längst gekündigt. Also zog Stefan Krüger - mit kurz vor 40 - wieder in sein altes Kinderzimmer ein, verbrachte viel Zeit mit seinen Eltern, seinem Bruder. Irgendwann kam ihm die Idee: "Ich bleibe hier, steige in Muttis Geschäft ein".

Altes Rezeptbuch mit falschen Marzipan-Kartoffeln

Muttis Rezeptbuch. © NDR
In Muttis altem, schon etwas mitgenommenem Rezeptbuch finden sich viele Rezepte aus der DDR.

Zusammen bauen sie so das traditionelle Möbelhaus zu einem Café um. Da, wo früher Anbauwand und Couch zum Verkauf standen, heißt es heute: "Einfach Platz nehmen, Kaffee trinken, es sich gut gehen lassen!" Und wo immer an Tischen, Stühlen und Dekoartikeln ein Preisschild hängt, darf weiter geshoppt werden. Ihr Café mit den vielen individuellen Sitz-Ecken ist zu einem Treffpunkt für alle Kuchen und Torten liebenden Generationen geworden. Einmal die Woche gehört das Küchen-Museum mit Inventar aus Omas Zeiten den Kartenspielerinnen des Ortes. Heute sitzt Stefan an dem langen Küchentisch. Er blättert vorsichtig in Muttis altem Rezeptbuch, das schon etwas zerfleddert und voller Fettflecke ist. Er sucht nach dem alten DDR-Rezept für die Marzipan-Kartoffeln. Die hat seine Mutter jedes Jahr zu Weihnachten gemacht: eine Tüte Kindernährgries, eine Tüte Puderzucker, zweimal Bittermandel, 174 Gramm Sana – alles kneten, eventuell Wasser zugeben, in Kakao wälzen. Das ist schon alles und schnell gemacht, denn Stefan Krüger hat alle Zutaten da. Beim Kneten des Teiges erinnert er sich, dass er erst viel später gemerkt hat, dass das überhaupt keine Marzipankartoffeln sind: "Als ich selbst mal Marzipan-Kartoffeln gekauft hatte, dachte ich: die schmecken nicht so wie die, die wir gemacht haben. Die waren viel intensiver. Dann habe ich Mutti gefragt. Und die klärte mich auf: Unsere waren keine echten Marzipankartoffeln".

Aus einem Hobby wurde ein Beruf

Gerade jetzt zur Weihnachtszeit versetzen den heute 41-Jährigen so manche Gerüche und Geschichten in Erinnerungen. 18 Jahre war er aus Anklam - der Stadt an der Peene - weg. Heute liebt er mehr denn je die Ruhe, die Menschen hier, die Gespräche mit seinen Stammgästen. All seine Energie steckt er gerade in die Arbeit, hat sich zwischendurch auch noch coachen lassen, von einer Berliner Konditorin. Aus dem jahrelangen Back-Hobby ist jetzt sein Beruf geworden. Immer an seiner Seite seine Mutti: "Er kommt morgens hierher und sagt: Ah, Mutti, heute mache ich eine neue Torte. Und dann denke ich: Watt, schon wieder ne neue Torte? Er hat sich zum Ziel gesetzt, jede Woche eine neue Kreation, und das schafft er." Stefan Krüger ergänzt schmunzelnd und irgendwie stolz zugleich: "Was wir hier haben, ist das Vertrauen. Und das denke ich mal, hast du mit wenigen anderen Menschen. Schon gar nicht mit Kollegen, wie jetzt mit der eigenen Familie“. Und gleich verschwindet er wieder, ist in seiner kleinen, diesmal richtigen Küche. Das Baiser für die nächste Stachelbeer-Baiser-Torte hat die richtige Konsistenz, muss jetzt auf die Torte. Dass das Baiser so schön cremig aus der Spitztüte kommt, daran hat er fast anderthalb Jahre getüftelt - der Tortenbengel von Anklam - Stefan Krüger.

Rezept: DDR-Marzipankugeln vom "Tortenbengel"

  • 250g Kindernährgrieß
  • 250g gesiebter Puderzucker
  • Zwei Fläschchen Bittermandelaroma
  • 200g weiche Sana, alternativ Margarine
  • Eventuell etwas Wasser zugeben, damit sich die Masse besser zu Kugeln rollen lässt

Alle Zutaten miteinander verkneten und kleine Kugeln von zwei Zentimeter Durchmesser formen. Anschließend in Backkakao wälzen. Die Marzipankugeln für ein paar Stunden in einer geschlossenen Dose im Kühlschrank durchziehen lassen.

Rezept: Knusperflocken vom "Tortenbengel"

  • 90 g Roggen-Knäckebrot
  • 30 g Haferflocken
  • 40 g Zartbitter-Schokolade, in Stücken
  • 260 g Vollmilchkuvertüre, in Stücken
  • halben Teelöffel Salz

Knäckebrot und Haferflocken mit einem Zerkleinerer sehr fein mahlen. Zartbitterkuvertüre, Vollmilchkuvertüre und Salz schmelzen. Zerkleinertes Knäckebrot zur Schokolade geben und unterrühren. Ein Backblech mit Backpapier belegen und einen Spritzbeutel mit Sterntülle bereit legen. Die Schokoladen-Knäckebrotmischung in den Spritzbeutel füllen und auf das vorbereitete Backbleche ca. 60 Tupfen spritzen. Wenn die Tupfer verlaufen etwas abwarten, dass die Schokolade abkühlt und dadurch fester wird. Knusperflocken trocknen lassen.

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