AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl in MV: "Wir sind die Therapie!"

Stand: 21.05.2024 18:07 Uhr

Korruptions- und Spionagevorwürfe verhageln der AfD gerade den Europawahlkampf. In Mecklenburg-Vorpommern tritt für die Partei ein Kommunalpolitiker für das Rennen um das Europäische Parlament an. Steffen Beckmann will eine radikal andere EU.

von Frank Breuner

Kaiserwetter in Stralsund, die Sonne strahlt über dem Fischmarkt der Hansestadt. Ganz so himmelblau läuft's für die AfD allerdings derzeit nicht, auch wenn Helfer den Platz mit blauen Parteiflaggen und Folienballons mit Schlumpfmotiven geschmückt haben. Wahlkampfauftakt der AfD im Landkreis Vorpommern-Rügen und aus Schwerin ist auch Steffen Beckmann angereist. Er ist der Spitzenkandidat zur Europawahl in Mecklenburg-Vorpommern, steht allerdings nur auf Platz 28 der Bundesliste der AfD, seine Chancen für Brüssel wären selbst bei erdrutschartigen Gewinnen seiner Partei gering.

Infrastruktur für MV verbessern

Klappt es doch, dann will Beckmann, Jahrgang 1978, vor allem erreichen, dass Mecklenburg-Vorpommern besser ans europäische Schienen- und Straßennetz angeschlossen wird. "Wir sehen es gerade bei den Eisenbahnen, aber natürlich auch beim Individualverkehr, dass wir die große strategische Anbindung an andere Metropolregionen nicht haben." Gerade die Verbindungen nach Skandinavien müssten deutlich verbessert werden. Das könne nur auf EU-Ebene erreicht werden, meint Beckmann, der als Geschäftsführer eines AfD-nahen Bildungsträgers arbeitet.

Beckmann will das EU-Parlament auflösen

Die Frage ist bloß, mit welchen Partnern er das erreichen will. Denn Beckmann möchte in ein Parlament gewählt werden, dass er und seine Partei abschaffen wollen. Die AfD lehnt die Europäische Union in ihrer jetzigen Form ab, möchte stattdessen in einer abgespeckten Version vor allem den Binnenmarkt und den gemeinsamen Außenschutz der Grenzen erhalten. Beckmann nennt das eine Reform, de facto wäre es eine Rückkehr zu den klassischen Nationalstaaten. Die SPD wolle einen Bundesstaat, seine Partei einen Staatenbund, so der AfD-Politiker Beckmann. "Dadurch erklärt sich dann auch die Aufhebung der Notwendigkeit eines Europäischen Parlaments", weil alles Wichtige dann zwischen den Regierungen der Länder ausgehandelt werde.

AfD fordert Therapie für Europa

Beckmann war bisher als Kommunalpolitiker in Schwerin bekannt. Auch auf seinem Facebook-Profil geht es vor allem um die Wahl zur Stadtvertretung der Landeshauptstadt, in der er bereits sitzt. Er selbst bezeichnet sich als nationalliberal und pragmatisch, seine durchaus radikalen europapolitischen Ziele verpackt er in moderaten Worten. Bei seiner Rede auf der Wahlkampfveranstaltung in Stralsund sagt er zur Diskussion um einen EU-Austritt Deutschlands: "Der Dexit ist eine Ultima Ratio, ähnlich einer Beziehung, die nach allen Gesprächen, allen Therapieversuchen gescheitert ist. Aber wir sind die Therapie! Wir wollen eine bessere EU." Der Applaus bei den Zuhörerinnen und Zuhörern auf dem Fischmarkt hält sich in Grenzen, vielleicht hatten manche auf deftigere Worte gewartet.

Affären drücken die Stimmung bei der AfD

Was nicht in Beckmanns Rede in Stralsund vorkommt: die Vorermittlungen gegen den eigenen Spitzenkandidaten Maximilian Krah und der Spionageverdacht gegen einen Mitarbeiter Krahs oder die Korruptionsvorwürfe gegen die Nummer zwei der AfD-Europaliste, Peter Bystron. Die Auswirkungen der Affären lassen sich auch in den aktuellen Umfragen ablesen. Beim neuesten MV-Trend von infrastest dimap im Auftrag des NDR Anfang Mai blieb die AfD zwar stärkste Partei, verlor aber sechs Prozentpunkte. Dass es nicht optimal läuft zurzeit, das merken auch die Wahlkämpfer in Stralsund. Auf die Frage, ob er noch hinter den Spitzenkandidaten seiner Partei stehe, macht Steffen Beckmann eine lange Denkpause, dann sagt er: "Wenn solche Vorwürfe kommen, die schwerer Natur sind, müssen die unbedingt aufgeklärt werden. Solange es Vorwürfe sind und nicht faktenreich belegt wurden, stehen wir natürlich hinter unseren Kandidaten."

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Nordmagazin | 22.05.2024 | 19:30 Uhr

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