Von "DW" bis "RT": Was wollen die Auslandssender?
Deutschland ist für Auslandssender offensichtlich ein äußerst beliebter Markt. "RT Deutsch", der Ableger des russischen "Rossija Sewodnja" ("Russland heute" oder auch "Russia Today") sendet hierzulande bereits seit 2014, wenn auch nur auf YouTube, Facebook und Instagram. Auch Ableger chinesischer Staatsmedien drängen längst in den deutschen Markt. "China Radio International" produziert schon seit Jahrzehnten Angebote auf Deutsch. Mit "China Watch" liegt unter anderem auch dem "Handelsblatt" immer wieder ein Magazin bei, das die offizielle chinesische Perspektive transportiert. Und nun produziert von Berlin aus auch ein Ableger des türkischen "TRT" ein Angebot für die Bundesrepublik, gerade etwa nach dem rechtsextremen Anschlag in Hanau.
"TRT Deutsch" ein Propaganda-Medium Erdogans?
In einem Video deutet "TRT Deutsch" beispielsweise an, Grünen-Politiker Cem Özdemir habe keinen Respekt vor den Opfern des Anschlags. Der Beleg: Özdemir sei kurz nach seiner öffentlichen Trauerbekundung schon wieder in ausgelassener Stimmung beim Fasching gesichtet worden. Der "TRT"-Clip machte die Runde in sozialen Netzwerken. Dass mit Cem Özdemir ein relativ profilierter Kritiker des Türkischen Präsidenten Erdogan von "TRT" in Frage gestellt werde, ist für Kommunikationswissenschaftler Lennart Hagemeyer von der Hochschule in Hannover wenig überraschend. "Wenn man sich den Muttersender 'TRT World' anguckt, dann tendiert der schon sehr stark dazu, z.B. Recep Tayyip Erdogans als legitimen Akteur auf dem internationalen Parkett zu inszenieren, wenn es um außenpolitische Krisen geht."
Die Deutschtürken als Zielgruppe
"TRT Deutsch", das seit Januar neben Kanälen in sozialen Netzwerken auch ein eigenes Nachrichtenportal im Internet betreibt, sei in seinen ersten Wochen zwar noch nicht so stark als Propaganda-Medium Erdogans aufgetreten. Allerdings seien - siehe die Kritik an Özdemir - "bestimmte Muster" erkennbar. Der deutsche Ableger habe auch eine klare Zielgruppe: die mehrere Millionen Deutschtürken. Sie sind eine wichtige Gruppe bei Wahlen in der Türkei. Erdogan selbst hat für sie eigens Wahlkundgebungen in der Bundesrepublik veranstaltet.
"TRT Deutsch"-Chefredakteur betont Unabhängigkeit
Gegenüber ZAPP betont "TRT Deutsch"-Chefredakteur Kaan Elbir jedoch seine journalistische Unabhängigkeit: "'TRT Deutsch' trifft die Entscheidungen innerhalb der Redaktion, die regierungsunabhängig arbeitet. Es besteht keinerlei Einfluss auf unsere Berichterstattung." "RT Deutsch" ist neben dem Onlineangebot "Sputnik" und der Nachrichtenagentur "Ruptly" wiederum Teil einer ganzen Medienoffensive der Regierung um Wladimir Putin. Das Ziel: Das Bild Russlands zu verbessern und eine eigene Sichtweise auf nationale wie internationale Ereignisse bieten. Kritiker werfen RT aber vor, als "Putins Propaganda-Kanal" zu fungieren und die Stimmung in Deutschland anzuheizen, um das Vertrauen in die Regierung anzugreifen.
"RT Deutsch" mit sichtbaren "Propaganda-Bausteinen"
Zur politischen Destabilisierung beigetragen hatte 2016 etwa die Berichterstattung russischer Medien zum "Fall Lisa". Das 13-jährige Mädchen mit deutsch-russischen Eltern sei angeblich von Flüchtlingen vergewaltigt worden, die deutschen Ermittlungsbehörden würden den Fall jedoch nicht verfolgen, so die Berichte. Sie führten zu Demonstrationen Russlanddeutscher, sogar Russlands Außenminister Lawrow warf den deutschen Behörden Vertuschung vor. Doch die Geschichte erwies sich später als falsch.
"Bei 'RT' ist das klassische Beispiel die Krise rund um die Krim oder auch das jetzige Eingreifen der russischen Armee in Syrien und die Verbindung von Putin zu Assad", sagt Wissenschaftler Hagemeyer. Da würden "immer wieder Propaganda-Bausteine sichtbar". Ob 'RT Deutsch', 'TRT Deutsch' oder 'China Radio International': Hagemeyer sagt, politische PR sei per se natürlich völlig in Ordnung. Sie solle jedem Akteur zugestanden werden. "Nur findet hier politische PR unter einem journalistischen Deckmantel statt", sagt der Kommunikationsexperte. Er rechnet beispielsweise damit, dass chinesische Staatsmedien einzelne Proteste in Hongkong klein halten oder gar ausblenden. "Da geht es eben auch darum, ein bestimmtes Weltbild zu verbreiten."
"Deutsche Welle" soll Pressefreiheit in die Welt tragen
Nun betreibt auch die Bundesrepublik einen eigenen Auslandssender. Die "Deutsche Welle" (DW) sendet in die andere Richtung: von Deutschland aus in die Welt. Auch sie ist formal ein Staatssender. Ihr Budget kommt - anders als etwa bei den neun Landesrundfunkanstalten der ARD, ZDF und Deutschlandradio - direkt aus dem Bundeshaushalt, auf Antrag der Regierung. Und: Auch die "Welle" verfolgt ein politisches Ziel. Sie soll Pressefreiheit in die Welt bringen, "damit Despoten die Freiheit genommen wird, alles zu tun", wie es etwa CDU-Politikerin Gitta Connemann in der letzten Bundestagsdebatte als Auftrag der "Welle" bezeichnete. SPD-Politiker Martin Rabanus sprach davon, die "Welle" solle "Fakten statt Fake News" verbreiten. Die "Welle", so der Tenor diverser Reden, ist der Gegenentwurf etwa zu "RT".
"TRT Deutsch" war seinerzeit, im Sommer 2018, noch nicht am Start. Die "Welle" bekam aber explizit mehr Geld, um Pressefreiheit auch in das Land Erdogans zu bringen, der regierungskritischen Journalismus bekämpft und ins Exil treibt unter anderem nach Deutschland. Die "Deutsche Welle" hat gemeinsam mit den anderen westlichen Auslandssendern "BBC", "France 24" und "Voice of America" den YouTube-Kanal "+90" gestartet, der inzwischen auf mehr als 200.000 Abos kommt.
"DW" will "gegen Propaganda, gegen bestimmte Narrative angehen"
Es gehe darum "gegen Propaganda, gegen bestimmte Narrative anzugehen", erklärt Nadja Scholz, die sich um die Strategie der DW kümmert. Die "Welle" sendet auf Englisch praktisch weltweit. In einigen Regionen auch auf Deutsch, Spanisch und Arabisch, vor allem im Radio und online, aber in insgesamt 30 Sprachen. Zu einer Art weltweiten Grundversorgung kommen Schwerpunkte, etwa in Afrika und speziell auch im Nahen Osten. Letztlich behält Scholz die Weltlage immer im Blick. "Das bringt permanente Verschiebungen mit sich." In Venezuela habe die Redaktion etwa mit den Unruhen ihr Angebot verstärkt.
Die Strategie sorgt im Sender, an den Standorten in Berlin und vor allem am Stammsitz in Bonn, durchaus auch für Unmut: Die "Welle" hat ihr deutschsprachiges Angebot für zusätzliche Angebote im Ausland, vor allem auch auf Englisch, zurückgefahren. Der Personalrat lehnte allerdings eine Interviewanfrage von ZAPP "in der zur Zeit angespannten Situation in der Deutschen Welle" ab. "Wir erreichen 95 Prozent unserer Nutzer in den nicht-deutschen Angeboten", erklärt wiederum Peter Limbourg, der Intendant der Deutschen Welle. Er habe deshalb "klar entschieden, in Richtung internationales Angebot zu gehen".