Unterstützer von US-Präsident Trump stürmen das Kapitol in Washington. © John Minchillo/AP/dpa

ARD und ZDF beim Sturm auf das Kapitol: Late to the party?

Stand: 07.01.2021 18:52 Uhr

Nach den Ausschreitungen im US-Kapitol stehen ARD und ZDF mal wieder in der Kritik: Zu wenig und zu spät hätten sie über das historische Ereignis berichtet. Was ist dran an den Vorwürfen?

von Nils Altland & Daniel Bouhs

Ein historisches Ereignis war das gestern, darin sind sich die Kommentare einig. Als der Mob der Trumpisten in das US-Kapitol eindringt, überschlagen sich die Push-Nachrichten, die ganze Welt, so scheint es, schaut nach Washington. Doch im Ersten und im Zweiten deutschen Fernsehen zunächst: das geplante Programm. Auf Twitter ernten die öffentlich-rechtlichen Sender dafür reichlich Spott und Kritik. Selbst der ehemalige tagesschau-Chef Ulrich Deppendorf schreibt:

Tatsächlich haben das Erste und das ZDF ihre Programme geändert. Die ARD sendet um 21.45 Uhr ein zehnminütiges "Tagesthemen extra". Es besteht im Wesentlichen aus einer Schalte mit der Korrespondentin Claudia Buckenmaier, allerdings ohne die zu dem Zeitpunkt im Netz kursierenden, teils schockierenden Videos zu zeigen. Die für 23.20 Uhr geplante reguläre Ausgabe bringt die ARD zwanzig Minuten früher und verlängert sie. Die ARD erklärt auf Anfrage: "Wegen der unsicheren Situation vor Ort konnte eine Live-Schalte erst ab 23.00 Uhr angeboten werden."

Das ZDF sendet ein "heute-journal spezial" um 23 Uhr und ein "heute journal update" nach Mitternacht. Allerdings: Davor und dazwischen laufen die geplanten Filme.

Live-Berichte im Spartenprogramm

Dabei gab es schon deutlich früher am Abend öffentlich-rechtliche Live-Berichterstattung von vor Ort - nur eben nicht im linearen Hauptprogramm, das laut Programmauftrag eben kein Nachrichtensender sein soll. Ab ca. 20.15 Uhr bringt das Team von ZDFheute einen professionellen Online-Livestream aus dem Studio, mit einer zugeschalteten Expertin und einem Korrespondenten inmitten des Geschehens, dessen Team im Laufe des Abends mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen hat:

Der gemeinsame Kanal Phoenix sendet ab 20.40 Uhr vom US-Kapitol, tagesschau24 ab kurz vor 21 Uhr, auf dem Fernsehkanal wie auf Facebook. Ganz zu schweigen vom Radio und den weiteren zahlreichen Online-Angeboten.

Der Livestream von tagesschau24 wirkt allerdings streckenweise unbeholfen: minutenlang unkommentierte Webcambilder vom Kapitol, zwischendurch schaltet sich ein Mitarbeiter des Social-Media-Teams ein, seinem Hintergrund zufolge vermutlich aus dem Homeoffice. Dabei gäbe es ein Studio dafür - nur ist das nach 20 Uhr nicht mehr besetzt.

ARD will tagesschau24 stärken

Zumindest das dürfte bei einem nächsten Großereignis anders sein: Der NDR, bei dem die "Tagesschau" produziert wird", teilt ZAPP auf die Frage, wie man künftig mit tagesschau24 plane, mit: "Die Studiopräsenz von tagesschau24 wird ab Montag, den 18. Januar 2021 im Hauptabend erweitert." Dann sollen bis zum Beginn der "tagesthemen", die der Kanal übernimmt, drei redaktionell Mitarbeitende weiter für den Kanal arbeiten - inklusive Moderation. "Damit können wir künftig in Breaking News-Fällen noch schneller reagieren und ein umfassendes Programmangebot im linearen Fernsehen anbieten." Es soll zudem auch eine weitere "tagesschau"-Ausgabe gegen 21:30 Uhr geben.

Wie man jedoch mit wenigen, einfachen Mitteln bei solchen Nachrichtenlagen berichtet, macht nach anfänglichen Stümpereien inzwischen die BILD vor - auch sie sendete gestern stundenlang live. Das fand in der Szene sogar Anerkennung:

Die Diskussion offenbart mal wieder: Das öffentlich-rechtliche Programm ist vielfältig und aktuell, an Live-Berichten und schnellen Analysen mangelte es auch gestern Abend nicht. Doch das alles ist nicht nur für die Otto-Normal-Zuschauer, sondern selbst für andere Journalisten offenbar zu unübersichtlich und komplex. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht es sich zu leicht, wenn er jetzt einfach auf die bestehenden Nischenangebote verweist - auf Phoenix oder das Liveangebot von tagesschau24. "Ja, dieser Hinweis wäre gestern Abend richtig gewesen", heißt es dann auch gegenüber ZAPP aus der Programmdirektion des Ersten in München.

Und schließlich wäre es angesichts aktueller Sparmaßnahmen und verschobener Beitragserhöhung sinnvoll, die unstrittig vorhandenen journalistischen und technischen Kompetenzen zu bündeln - anstatt mehrere einzelne, teils durchwachsene Angebote zu senden, von denen kaum jemand etwas mitbekommt.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 21.01.2021 | 23:20 Uhr

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