Alan Gilbert & Antoine Tamestit in der Elbphilharmonie
Doppelte Bratschen-Power und eine sinfonische Revolution: Beim ersten Auftritt von Artist in Residence Antoine Tamestit gibt’s Werke von Bach, Hindemith und Beethoven.
Bratsche rules! Tamestit als Residenzkünstler
Antoine Tamestit ist einer der wenigen echten Bratschen-Stars. Der französische Streicher, Mitte 40, besticht mit seinem Farbsinn, seiner Virtuosität und Vielseitigkeit. All das demonstriert er auch beim Auftakt zu seiner Residenz, wenn er als Solist zum NDR Elbphilharmonie Orchester kommt.
Bach: Barocker Battle
Das sechste Brandenburgische Konzert hat einen besonderen Sound. Weil Johann Sebastian Bach dort auf Geigen verzichtet. Wobei - das Wort "Verzicht" passt eigentlich nicht. Es ist eher ein Gewinn, dass man endlich die Bratschen besser hört, mit ihrem warmen Timbre. Erst recht, wenn jemand wie Antoine Tamestit dieses Timbre leuchten lässt. Der Artist in Residence übernimmt den einen Bratschensolopart. Den anderen spielt Chefdirigent Alan Gilbert, seines Zeichens gelernter Streicher. Ein barocker Bratschen-Battle auf Augenhöhe.
Hindemith: Draufgänger-Musik
Der Groove, mit dem Bach die beiden schnellen Sätze zum Schwingen bringt, hallt auch im zweiten Stück des Programms nach: der Kammermusik Nr. 5 von Paul Hindemith, einem verkappten Bratschenkonzert. Nach einer knackig-kurzen Fanfare treibt das mit Bläsern und tiefen Streichern besetzte Kammerorchester die Bratsche vor sich her. Und die hat hier einiges zu fiedeln. In dem 1927 entstandenen Stück hat Hindemith sich selbst eines der schwierigsten Solowerke für Bratsche in die Finger geschrieben - und sich in seiner Lust an schrägen, manchmal auch bizarren Ideen ausgetobt. Das Hindemith-Forum hat seine sieben Kammermusiken einmal als "Musik eines Draufgängers" überschrieben.
Beethoven: Neues Kapitel
Ein musikalischer Draufgänger war auch Ludwig van Beethoven. Er hat mit vielen Konventionen gebrochen und nicht nur das Publikum oft irritiert und aufgeschreckt. Sicher auch mit seiner ersten Sinfonie, die Alan Gilbert nach der Pause dirigiert. Das Stück beginnt mit einem dissonanten Akkord. Als wollte Beethoven im April 1800, am Beginn eines neuen Jahrhunderts, demonstrativ auch ein neues Kapitel der Sinfonik aufschlagen. Seine Sinfonie steht zwar noch in der Tradition der Vorbilder Haydn und Mozart - aber Beethoven schlägt schon unüberhörbar einen ganz eigenen Ton an. Indem er die Hörerinnen und Hörer mit Trugschlüssen foppt, den langsamen Satz mit Pauken und Trompeten begleitet und im "Menuetto" bereits ein waschechtes Scherzo schreibt.