Klima und Verkehr: So kann der Umstieg auf E-Lkw gelingen
Beim Klimaschutz in Deutschland ist der Verkehr weiterhin ein Sorgenkind. Um die CO2-Emissionen herunterzufahren, könnten Elektro-Lkw ein wichtiger Baustein sein - als Ersatz für die Diesel-Lkw. Zwei Logistik-Firmen haben im Norden erste Praxis-Erfahrungen gesammelt.
Wer mit Lkw-Fahrer Jan Marzilger unterwegs ist, merkt schnell, wie begeistert der 56-Jährige von seinem E-Lkw ist. "Also, der zieht ab! Das ist der Hammer. Da kann man wirklich sagen: Ziel erreicht." Mit 17 Jahren hat Marzilger seinen Lkw-Führerschein gemacht, dann fuhr er 39 Jahre lang Diesel-Lkw. Unzählige Kilometer auf deutschen Autobahnen. Seit sechs Monaten testet er nun Elektro-Lkw. Anfangs war er skeptisch, ob die Batterie-Fahrzeuge im Alltag mit dem klassischen Diesel mithalten können. Aber schnell hat er die Vorzüge erkannt - vor allem die Ruhe am Lenkrad. Höchstens der Fahrtwind ist zu hören - oder mal der Blinker. Seine Arbeitstage sind jetzt viel angenehmer als im lauten Diesel-Truck. "Es ist ein entspannteres Fahren, entspannteres Arbeiten. Dadurch, dass kein Lärmpegel mehr da ist, bin ich zum Feierabend viel ruhiger und ausgeglichener als früher."
Und zur Not geht's zu McDonalds
Auch das Thema Laden sei kein Problem, sagt Marzilger. An den Autobahnen gebe es immer mehr Ladesäulen. Nur einmal wurde es richtig eng. Da musste er bei McDonalds auf dem Parkplatz laden. "Da war wirklich Not am Mann. Da stand ich im Stau und die Batterie ging immer weiter runter", erzählt der Lkw-Fahrer. "Und weil dann noch eine Ladesäule, wo ich war, kaputt war, musste ich eben zu einer Ladesäule bei McDonalds." Das ging nur, weil er zuvor seinen Auflieger abgestellt hat und nur mit der Zugmaschine vorgefahren ist.
Die Reichweiten sind inzwischen viel größer
Jan Marzilger arbeitet für das Transport-Unternehmen Contargo, das europaweit als Vorreiter in Sachen E-Lkw gilt. Die ersten Lastwagen mit Batterie wurden im Unternehmen schon im Jahr 2019 angeschafft. Diese frühen Modelle hatten lediglich eine Reichweite von 80 bis 90 Kilometer. Zum Vergleich: Die neuesten E-Lkw bei Contargo haben unter Last - also mit einem Container hinten drauf - rund 300 Kilometer Reichweite, ohne Last sind es mehr als 400 Kilometer. Neuere Modelle sollen nach Hersteller-Angaben 500 Kilometer und mehr schaffen.
"Anfangs wurden wir belächelt"
Contargo legt sich nach und nach E-Lkw zu. Ende des Jahres sollen in der eigenen Flotte mehr als zehn Prozent der Lastwagen mit Batterie unterwegs sein - in der Branche insgesamt sind es erst grob zwei Prozent. Am Standort Hamburg fahren aktuell sechs E-Lkw für Contargo Schiffscontainer durch die Gegend. "Am Anfang war ich selber skeptisch", sagt Vertriebsleiter Christian Schäfers im Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise". "Aber ich bin positiv überrascht: Es läuft reibungslos." Seit gut einem Jahr setzen sie die Elektro-Lkw ein. "Am Anfang wurden wir in der Branche belächelt", erzählt Schäfers. Mittlerweile habe sich die Stimmung aber geändert. "Da hören wir jetzt eher: 'Hut ab, was das für einen Drive nimmt bei euch!'"
Erst im Nahverkehr, dann im Fernverkehr
Contargo fährt bislang mit den Elektro-Lkw vor allem Touren im Nahverkehr, rund um den Hamburger Hafen. Manche Touren gehen nach Hannover oder Lübeck. Neuerdings sind die E-Lkw von Contargo aber auch im Fernverkehr unterwegs: nach Leipzig. Etwa 400 Kilometer für eine Strecke. Und auch da laufe es besser als gedacht, sagt Schäfers. Die Batterie reicht, wenn der Fahrer unterwegs in seiner Pause ein wenig nachlädt. "Klar, so eine Tour mit dem E-Lkw muss gut vorbereitet sein. Man kann nicht einfach volltanken, losfahren und Pause machen, wo man will. Aber die Fahrer wissen mittlerweile ganz genau, welcher Rastplatz Ladesäulen hat. Es hat mich wirklich überrascht, dass es mit den E-Lkw auch im richtigen Fernverkehr läuft."
Eigene Ladesäulen sind am besten
Die Contargo-Fahrer haben das erste Jahr lang ihre E-Lkw stets an Ladesäulen entlang der Autobahn geladen. Dort sind die Stromkosten allerdings sehr hoch - gerne mal 80 bis 90 Cent pro Kilowattstunde. Wesentlich günstiger ist es an eigenen Ladesäulen auf dem Betriebsgelände zu laden. Die Kosten dort liegen eher bei 35 Cent. Deshalb ist Contargo nun auch dabei, am Standort Hamburg fünf eigene Ladesäulen zu errichten. Dort können die E-Lkw bequem über Nacht geladen werden. "Der Vorteil ist natürlich auch: Auf dem eigenen Gelände ist immer eine Ladesäule für uns frei. Die kann uns niemand blockieren", sagt Christian Schäfers. "Und: Es sind Ladesäulen mit entsprechend Power." Denn je mehr Power eine Ladesäule hat, umso kürzer ist die Ladezeit.
Allerdings muss Contrago dafür auch erstmal tief in die Tasche greifen. Mit rund 100.000 Euro muss man pro Ladesäule rechnen. Zudem ist ein neues Trafohaus nötig. So rutschen Firmen bei den Investitionen leicht über die Millionen-Marke, wenn sie fünf oder mehr Ladesäulen aufstellen.
Noch sind viele Transporte mit Diesel-Lkw günstiger
Apropos Kosten: In der Anschaffung sind die Elektro-Laster noch etwa dreimal so teuer wie ein Diesel. Aber Experten gehen davon aus, dass die Preise bald sinken werden. Denn die Hersteller steigen erst in diesem Jahr in die Großproduktion von E-Lkw ein. Schon jetzt sind die Betriebskosten niedriger als beim Diesel. Und für die E-Lkw ist keine Maut fällig - auch der CO2-Aufschlag, der seit Ende 2023 für Diesel-Lkw hinzukommt, landet nicht auf der Rechnung. Trotzdem ist es aktuell noch so: Unterm Strich müssen Kunden bei Contargo für einen Transport mit einem E-Lkw mehr zahlen. "Man denkt immer: Das wäre exorbitant teurer, ist es aber nicht,", sagt Vetriebsleiter Schäfers. "Teurer ja, definitiv, aber es ist nicht so schlimm."
Nicht alle Kunden sind bereit, mehr zu zahlen
Ein Beispiel aus dem Alltag: Ein Container-Transport über 20 Kilometer kostet mit einem Diesel-Lkw etwa 220 Euro, für einen E-Lkw kommen etwa 40 Euro oben drauf, sagt Schäfers. Nicht jeder Kunde sei bereit, mehr zu zahlen. Aber manche Firmen buchen die klimaschonenden Transporte ganz bewusst, um ihre CO2-Bilanz aufzubessern. "Bei uns war es so: Wenn ein Kunde den E-Lkw bucht, sieht das ein anderer Kunde und sieht: 'Hey, Moment, das klappt ja. Und es ist nicht übermäßig viel teurer.' Und dann gibt es so einen Schneeball-Effekt: Der eine oder andere Kunde springt mit auf. Aber es ist natürlich noch ein langer Weg."
Dachser: Ein Blueprint für alle Standorte
Diese Erfahrung macht auch das Transport-Unternehmen Dachser. Dort werden ebenfalls Elektro-Lkw getestet, bundesweit an drei Standorten, einer davon ist Hamburg. "Diese Standorte testen jetzt alles, was am Markt ist, was für Möglichkeiten es gibt, was für Stolpersteine", erklärt der Hamburger Niederlassungsleiter Ralf Hansen. "Und der Blueprint, der da erstellt wird, wird auf alle anderen Häuser von Dachser ausgerollt."
Noch sind die Ladezeiten mitunter zu lang
Bei Dachser in Hamburg sind momentan sechs E-Lkw im Einsatz. Sie fahren viel im Nahverkehr durch die Stadt. Im Fernverkehr - wie zum Beispiel bei der Tour nach München - setzt Dachser noch ganz auf Diesel-Lkw. Das hat mit den Ladezeiten der E-Lkw zu tun. Denn jede Minute zählt. "Jeder Stau, jede Baustelle wird bei uns schon mit einberechnet. Und von daher tun wir uns schwer, wenn wir jetzt plötzlich zwei, drei Stunden einfach nur an der Ladesäule stehen", sagt Hansen. Er hofft, dass sich die Ladezeiten durch die technische Entwicklung bald deutlich verkürzen. Idealerweise auf die 45 Minuten, die Lkw-Fahrer ohnehin Pause machen müssen.
Im Fernverkehr trumpft der E-Lkw auf
Dabei wäre schon jetzt ein E-Lkw auf der Strecke nach München günstiger unterwegs als ein Diesel. "Bei uns rechnet sich der Elektro-Lkw aktuell bei circa 650 Kilometern. Das kann sicherlich noch erheblich gedrückt werden, wenn die Stromkosten fürs Laden nach unten fallen und auch die Preise der Lkws. Aber unter aktuellen Voraussetzungen sind es 650 Kilometer", sagt Hansen. Denn je länger eine Tour ist, umso höher wirken sich Lkw-Maut und CO2-Aufschlag aus.
Laden ist günstiger als tanken
Sind E-Lkw bereits wettbewerbsfähig? Ja, sagt Julius Jöhrens. "Bei den Kosten liegen sie ungefähr auf demselben Niveau wie ein Diesel-Lkw." Er ist Physiker und Antriebsforscher am Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg. Sein Argument: Die hohen Anschaffungspreise für E-Lkw machen nur grob ein Drittel der sogenannten Vollkosten aus, also der Kosten über die ganze Lebensdauer des Fahrzeugs. Fast ebenso wichtig ist, was ein Unternehmen für den Diesel oder den Strom bezahlt. "Das heißt: Die Energiekosten sind ein sehr großer Hebel in der gesamten Kostenbilanz - und die sind in aller Regel deutlich günstiger bei elektrischen Fahrzeugen als bei Diesel-Fahrzeugen."
Im Industriegebiet gibt es zu wenig Strom
Dachser-Manager Ralf Hansen hat am Standort Hamburg ein Problem, das ihm zu schaffen macht. Er könnte gar nicht 30 E-Lkw gleichzeitig laden, denn dafür fehlt der Strom. "Die Problematik ist, dass sowohl die Industriegebiete nicht ausgelegt sind für den Strom, den wir brauchen, aber auch unsere eigene Technik mit einer Trafostation so weit noch gar nicht vorbereitet ist." Bei der Trafostation rüstet Dachser jetzt nach. Aber bei den Stromleitungen im Industriegebiet ist der örtliche Netzbetreiber gefragt. Hansen ist skeptisch, ob er jemals die Strommengen zur Verfügung haben wird, um seine Flotte komplett auf E-Lkw umzustellen.
"Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut"
Solche Stolpersteine sind es, die viele in der Branche zweifeln lässt, ob ein Abschied vom Diesel-Lkw überhaupt möglich ist. Aber Vorreiter wie Contargo und Dachser zeigen: Der Start im Kleinen mit den E-Lkw läuft überraschend gut. Klar ist aber auch: Manchen geht der Umstieg auf klimaschonende Lkw nicht schnell genug. Aber da könnte man es mit dem Lkw-Fahrer Jan Marzilger halten. Sein Motto lautet: "Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut, hat mein Opa immer gesagt. Das passt schon."