Stand: 14.01.2009 23:00 Uhr

Schönes Finanzdebakel: Journalisten sollen für VW-Reise nachzahlen

Anmoderation:

Zunächst geht es um die Affäre „Volkswagen“. Wieder mal, muss man sagen. Denn die Schlagzeilen sind Ihnen sicherlich noch in bester Erinnerung: Der Skandal um Schmiergelder und Sexpartys auf Firmenkosten. Vor zwei Jahren sorgte er für große Empörung. Auch bei Journalisten. Doch ausgerechnet einige von denen stehen seit heute selbst im Verdacht: Auch sie sollen Lustreisen auf Kosten des Konzerns gemacht haben. Kathrin Becker und Maik Gizinski über Journalisten, die jetzt einiges zu erklären haben.

Beitragstext:

Bilder, die die Welt begeisterten. Die Eröffnungsfeier der „Olympischen Spiele“ in Peking vor fünf Monaten. Ein Regime inszeniert sich. Mit dabei: Journalisten, auch aus Deutschland. Von einigen wissen wir seit heute, wer ihre Reise bezahlt hat: „VW“. Der „Volkswagen-Konzern“ ist schon lange in China aktiv. Auch darüber sollten deutsche Reporter berichten. Und deshalb bezahlte der Konzern 30 Journalisten den Trip zu den Olympischen Spielen. Diese Reisen werden jetzt zur Affäre. Denn „Spiegel Online“ enthüllte heute Morgen Brisantes: Die „VW-Reise wird für Journalisten zum Finanzdebakel“. Reporterin: „Gab es denn schon Reaktionen von „Volkswagen“ oder von Journalisten, die davon betroffen sind?“ Christian Wüst, Redakteur „Der Spiegel“: „Von den betroffenen Journalisten gar nicht. Keine Reaktion. Die grämen sich möglicherweise jetzt oder was auch immer. Da gab’s keine Reaktionen. Es gab viele Reaktionen von Kollegen. Die waren hoch interessiert und sind natürlich generell mit dem –  und haben eine sehr kritische Einstellungen zu dieser Art von Reisen, die von der Industrie da finanziert werden. Und das ja auch zurecht.“

VW lädt ein nach Peking

Zapp kennt mittlerweile einige der reisefreudigen Journalisten. Den ganzen Tag über haben wir um Stellungnahmen gebeten vergebens. Keiner wollte Zapp ein Interview geben. Auch „VW“ wollte sich nicht vor unserer Kamera äußern. Telefonisch immerhin bestätigte der Konzern seine großzügigen Reise-Offerten für Journalisten. Als Sponsor der „Olympischen Spiele“ hatte „VW“ schon weit vor Beginn der Wettkämpfe um Berichterstattung gebuhlt. Prominente Fackelträger als „VW - Botschafter“. Und während der Spiele sollten die eingeladenen Journalisten für gute Presse sorgen. Das sei auch gelungen, so ein Konzernsprecher heute gegenüber Zapp 25.000 Euro pro Journalist habe man bezahlt. Und es funktionierte wie in der Werbung. „Hier will man erfolgreich sein und ist es. Bei Volkswagen hat man also offensichtlich alles richtig gemacht.“ Offensichtlich nicht.

Reisefreudige Journalisten schweigen

Denn als “VW“ die Kosten für die Journalistenreisen steuerlich geltend machte, protestierte das zuständige Finanzamt in Gifhorn. Bei den Reisen sei kein dienstlicher Anlass erkennbar. Hans Leyendecker, Redakteur „Süddeutsche Zeitung“: „Wenn ein Finanzamt sagt, die Reise sei nicht dienstlich gewesen, dann heißt es, dass es keinen dienstlichen Anlass gab. Übersetzt: Es war möglicherweise eine Lustreise, sie hatte privaten Charakter und das kann deshalb nicht abgesetzt werden.“ Christian Wüst: „Es ist so, wenn eine Reise vorwiegend den Anlass hat, dass zum Beispiel ein neues Automobil vorgestellt wird, dann ist erkennbar, dass ist möglicherweise auch eine teure aufwendige Reise, aber sie hat einen ganz klar erkennbaren dienstlichen Anlass. Dieser Anlass hat dem Finanzamt ganz offensichtlich gefehlt und „VW“ konnte wohl auch nicht gegen an argumentieren und hat entsprechend dann auch die Journalisten informiert.“

Finanzamt Gifhorn interveniert

Und diese Journalisten haben jetzt ein Problem: Sie müssen die eigentlich von „VW“ finanzierten Reisen selbst versteuern. Als so genannten geldwerten Vorteil. Hans Leyendecker: „Die betroffenen Journalisten bringt das in ne schwierige Situation. Diejenigen, die fest angestellt sind, müssen sich gegenüber ihren Chefredaktionen, gegenüber ihren Verlagen erklären. Da hat es auch ersten Ärger gegeben. Die verweisen darauf, dass so was doch alle tun, aber Chefredakteure scheinen da anderer Meinung zu sein.“ Christian Wüst: „Ich meine sie müssen sich überlegen, ob sie dass hinnehmen können, dass sie sich von einem Industriekonzern auch noch diesen geldwerten Vorteil bezahlen lassen. Ob sie das mit ihrer Berufseinstellung vereinbaren können.“ „VW“ zumindest will alles tun, um den Journalisten zu helfen. Der Konzern bietet pauschale Ausgleichszahlungen an. Im fünfstelligen Bereich.

VW bietet Ausgleich an

Sein zukünftiges Sponsoring will „VW“ allerdings kritisch hinterfragen. Hans Leyendecker: „Für „VW“ kann das die Konsequenz haben, „VW“ hat das auch schon erklärt, dass man, beispielsweise zur Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika, solche Sponsoring-Aktionen nicht mehr machen wird.“ Der Konzern hatte Journalisten eingeladen, damit die über seine Aktivitäten berichten. Manche hatten offenbar keinerlei Skrupel, sich ihren teuren Trip von „VW“ sponsern zu lassen. Bleibt abzuwarten, ob andere Journalisten dieses Verhalten genauso geißeln, wie sie es bei Lustreisen von Politikern tun. Hans Leyendecker: „Der Fall sagt über unsere Branche aus, dass wir ne Branche der Heuchler sind. Das, was da passiert ist, ist weit verbreitet. Viele Verlage machen das, viele Journalisten lassen sich einladen. Und diejenigen, die große Ethikkriege verbreiten sind die selben Leute, die dann auch wieder Anzeigen akquirieren, weil ihre Zeitungen in Not sind. Also, der Journalismus ist auf einem Auge blind. Auf dem Auge, auf dem er sich, mit dem er sich selbst betrachtet.“ Die schönen Bilder von Peking. Manche Journalisten sehen sie heute mit gemischten Gefühlen, denn nicht nur das Finanzamt stellt bohrende Fragen.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 14.01.2009 | 23:00 Uhr

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