Stand: 15.11.2023 09:30 Uhr

SZ-Chefredaktion entschuldigt sich für Fehler in Berichterstattung zu Jens Söring

Der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung (SZ), Wolfgang Krach, räumt in der SZ-Berichterstattung zum Fall des verurteilten Doppelmörders Jens Söring gegenüber „ZAPP“ Fehler ein und bittet in dem NDR Medienmagazin seine Leserinnen und Leser um Entschuldigung.

Die SZ-Reporterin und heutige Leiterin der „Seite 3“, Karin Steinberger, hatte den in den USA für den Mord an den Eltern seiner damaligen Freundin verurteilten Söring über zwölf Jahre bis zu seiner Freilassung im Dezember 2019 begleitet und mehr als ein Dutzend Artikel über seinen Fall geschrieben.

Wie aus Emails hervorgeht, die dem NDR vorliegen, stand Steinberger in engem Austausch mit Unterstützern aus dem so genannten „Freundeskreis“ Sörings. Sie beriet diese bei der Formulierung von Leserbriefen als Reaktion auf Presseberichte, die sich kritisch mit Sörings Unschuldserzählung und Steinbergers eigener Berichterstattung in der SZ auseinandersetzten. Nach Einschätzung von Kritikern wie dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier eine klare journalistische Grenzüberschreitung.

Gegenüber „ZAPP“ sagte Wolfgang Krach: „Wenn man die Mails liest, dann muss man sagen, dass sie zumindest zum Ende der Recherche nicht mehr die nötige journalistische Distanz hatte zu Jens Söring. Auch nicht zu dem Freundeskreis. Das ist ein Fehler, ganz klar. Und ein Fehler, der ihr heute leidtut. Uns als Chefredaktion genauso. Ein Fehler, für den ich als Chefredakteur nur sagen kann: Ich bitte unsere Leserinnen und Leser um Entschuldigung. Das sollte nicht vorkommen.“

Auch Karin Steinberger äußerte sich gegenüber „ZAPP“ erstmals öffentlich zu dem Vorgang: „Die Mails, die in Ihrer Sendung gezeigt werden und in denen ich die journalistische Distanz zu Söring und dem so genannten Freundeskreis nicht gewahrt habe, waren ein Fehler. Nach meiner jahrelangen Recherche zu dem Thema und nach unzähligen Gesprächen mit Experten, Ermittlern und mit dem Fall Vertrauten sind in den genannten Mails Grenzen überschritten worden. Dafür bitte ich um Entschuldigung.“

Der NDR hat die Geschichte Jens Sörings und die Rolle der Medien in seinem Kampf um Freiheit und Rehabilitation jüngst in einem Dreiteiler mit dem Titel „Mord. Macht. Medien“ für die ARD Crime Time sowie in einer begleitenden „ZAPP“-Dokumentation mit dem Titel „Medienkarriere eines Mörders“ kritisch nachgezeichnet. Beide Sendungen waren am 31. Oktober in die ARD Mediathek eingestellt worden.

In ihnen geht es auch um die herausgehobene Bedeutung von SZ-Journalistin Karin Steinberger für die öffentliche Wahrnehmung des Falls in Deutschland und Sörings Narrativ als Justizopfer.

Der NDR hatte Karin Steinberger und die Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung vor der Ausstrahlung in der ARD Mediathek mit dem Inhalt der Emails und der Kritik an Steinbergers Verhalten konfrontiert. Für ein Interview stand Karin Steinberger zu dem Zeitpunkt nicht zur Verfügung. Die SZ-Chefredaktion erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme zunächst lediglich, die Emails seien ihr nicht bekannt, sie betrachte sie als „privaten Mailverkehr“.

Nach der Veröffentlichung von „Mord. Macht. Medien“ und „ZAPP“ gab es laut eines Berichts des Portals „Übermedien“ eine kritische Auseinandersetzung innerhalb der SZ-Redaktion über das Verhalten Steinbergers und den öffentlichen Umgang der Chefredaktion mit der Kritik. Inwiefern diese Diskussion den SZ-Chefredakteur dazu bewogen hat, sich nun auch öffentlich für das Verhalten seiner Redakteurin zu entschuldigen, wollte Krach gegenüber „ZAPP“ nicht beantworten. „Der andere Blick auf die Mails ist einfach erst entstanden, als ich sie gekannt habe“, so Wolfgang Krach. „Solange wir sie als Chefredaktion nicht gekannt haben, konnte ich sie einfach nicht beurteilen. Und deswegen haben wir darum gebeten, dass Frau Steinberger uns die Mails gibt. Das hat sie auch getan.“

Personelle Konsequenzen kündigte Krach nicht an. Er wolle den Vorgang zum Anlass nehmen zu sagen, wie wichtig es ist, dass alle Kolleginnen und Kollegen Distanz halten zu denjenigen, über die sie berichten.

Die aktualisierte „ZAPP“-Dokumentation „Medienkarriere eines Mörders“ ist am 15. November um 23.00 Uhr im NDR Fernsehen zu sehen. Die bisherige Fassung der „ZAPP“-Sendung zu Jens Söring in der ARD Mediathek wird entsprechend ausgetauscht. Die ARD Crime Time „Mord. Macht. Medien“ finden Sie in der ARD Mediathek.

VIDEO: Jens Söring: Medienkarriere eines Mörders (37 Min)

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 15.11.2023 | 23:00 Uhr

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