Lauterbach will elektronische Patientenakte verpflichtend einführen

Stand: 09.03.2023 20:12 Uhr

Von 2024 an soll jeder Krankenversicherte in Deutschland eine elektronische Patientenakte haben - es sei denn, man lehnt dies ausdrücklich ab. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat in Berlin entsprechende Pläne vorgestellt.

Jeder Krankenversicherte soll nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab 2024 eine elektronische Patientenakte (ePA oder auch E-Akte) erhalten. Das kündigte Lauterbach am Donnerstag in Berlin an. Mit ihr sollen Patientendaten, die bisher an verschiedenen Orten wie Praxen oder Krankenhäusern abgelegt sind, zusammengetragen werden. Das elektronische Rezept soll laut Lauterbach ebenfalls zum selben Zeitpunkt verbindlich sein.

Eine elektronische Patientenakte © Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa Foto: Jens Kalaene
In der elektronischen Patientenakte sollen alle wichtigen Daten des Versicherten zusammengeführt werden.

Er wolle die Digitalisierung des Gesundheitswesens deutlich beschleunigen, sagte Lauterbach: "Deutschlands Gesundheitswesen hängt hier um Jahrzehnte zurück." Bereits bis Ende 2025 sollten 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine ePa erhalten. Zwei dafür nötige Gesetze - das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz - würden "in den nächsten Wochen vorgelegt".

Versicherte erhalten Zugriff auf Unterlagen

Zu den Unterlagen, die in der Akte elektronisch abgespeichert werden sollen, könnten unter anderem Röntgenbilder, Befunde, Arztbriefe, der Impfausweis und auch das Zahnbonusheft gehören. Ärzte oder Krankenhäuser können dann darüber ihre Befunde auf digitalem Wege austauschen. Und auch Mehrfachuntersuchungen und gefährliche Wechselwirkungen bei Medikamenten sollen laut Lauterbach damit verhindert werden. Die Versicherten erhalten über eine App Zugriff auf ihre Unterlagen.

Weitere Informationen
Eine Ärztin sitzt an einem Laptop. © Colourbox Foto: -

Elektronische Patientenakte: Das müssen Versicherte wissen

2025 sollen alle gesetzlich Versicherten eine E-Patientenakte erhalten. Welche Vorteile hat sie, wie funktioniert sie? mehr

Wer aktiv ablehnt, bekommt keine E-Akte

Mit dem jetzigen Vorstoß soll ein jahrelanges Gezerre um die elektronische Patientenakte beendet werden. Die Idee zur Digitalisierung von Befunden hatte Lauterbach schon vor 20 Jahren mit der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) entwickelt. Doch erst seit 2021 können gesetzlich Versicherte freiwillig solch eine digitale Patientenakte anlegen lassen. Die Möglichkeit dazu nutzen aber bisher nur weniger als ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten.

Eine elektronische Patientenakte © Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa Foto: Jens Kalaene
AUDIO: Lauterbach: Ab 2024 elektronische Patientenakte für alle (5 Min)

Auch gibt es bislang bei der Vernetzung der Praxen Verzögerungen, bei mehreren Fragen schwelt Streit über den Datenschutz. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP daher vereinbart, das Prinzip "Opt-out" anzuwenden - also, dass alle automatisch eine E-Akte bekommen und man aktiv widersprechen muss, statt wie bisher aktiv eine E-Akte zu beantragen. "Wer aktiv widerspricht, für den wird auch keine ePa angelegt", erklärte Lauterbach.

Daten sollen auch der Forschung zugutekommen

Zudem will der Minister mit einem eigenen Gesetz der Forschung mehr Patientendaten zur Verfügung stellen. "Wir haben schon jetzt eine Menge Daten, die aber in getrennten Silos liegen und nicht miteinander verknüpft werden können", sagte er. "Der Grundgedanke ist, dass diese Daten in pseudonymisierter Form für Forschungszwecke kombiniert werden können." Ohne eine solche Möglichkeit werde Deutschland in der pharmazeutischen Forschung bald keine Rolle mehr spielen, so Lauterbach.

Weitere Informationen
Hörfunkkorrespondentin Birthe Sönnichsen (WDR) aus dem ARD-Hauptstadtstudio im Porträt. © ARD-Hauptstadtstudio/Jens Jeske Foto: Jens Jeske
3 Min

Kommentar: Elektronische Patientenakte kann Leben retten

Es sei richtig, dass Gesundheitsminister Lauterbach jetzt mehr Tempo macht, meint Hauptstadtstudio-Korrespondentin Birthe Sönnichsen. 3 Min

E-Rezept soll Standard werden

Darüber hinaus soll das ebenfalls bislang kaum genutzte E-Rezept zum 1. Januar 2024 Standard werden. Das Rezept kann dann sowohl mit der Gesundheitskarte als auch mit der App für die elektronische Patientenakte eingelöst werden. Dadurch soll auch eine Übersicht von Medikamenten, die der Patient einnimmt, entstehen. Ärzte können so bei neuen Verschreibungen direkt erkennen, ob es schädliche Wechselwirkungen von Arzneimitteln geben könnte.

Patientenschützer begrüßen Vorstoß

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßt die elektronische Patientenakte grundsätzlich. Vorstand Eugen Brysch verwies aber auf einen hohen Anteil von Senioren, die technisch nicht so versiert seien, um per App Widerspruch gegen die Patientenakte oder die Nutzung bestimmter Daten zu erheben. "Dem Bürger darf nicht die Kontrolle über seine medizinischen Informationen entzogen werden. Denn Schweigen bedeutet nicht Zustimmung", betonte Brysch mit Blick auf die geplante Widerspruchslösung. Die Verbraucherzentralen forderten, es müsse einfach festzulegen sein, welcher Arzt auf welche Daten zugreifen dürfe.

Ärzteverbände forderten Lauterbach auf, die geplante elektronische Patientenakte benutzerfreundlich zu gestalten. Die Bundesärztekammer erklärte, die Digitalisierung im Gesundheitswesen werde nur dann Erfolg haben, wenn die Patientenakte Patienten und Ärzten spürbar nutze. "Sie muss sowohl die Sicherheit der Patientendaten gewährleisten als auch eine praktikable Befüllung und einen einfachen Zugriff auf die in der Akte abgelegten Daten sicherstellen", forderte Ärtzekammer-Präsident Klaus Reinhardt. Die Krankenkassen mahnten, dass Ärzte tatsächlich Behandlungsdaten einstellen müssten.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 09.03.2023 | 14:00 Uhr

Kopfhörer liegen auf einem Mischpult. © fotolia Foto: Xandros

Was wünschen Sie sich in den "Themen des Tages" auf NDR Info?

Wie soll sich die Nachrichtensendung am Nachmittag in Zukunft idealerweise anhören? Hörerinnen und Hörer können sich an einer Umfrage beteiligen. mehr

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine junge Frau hält ein Tablett-PC auf dem man den NDR-Info Newsletter sieht. © NDR Foto: Christian Spielmann

Abonnieren Sie den NDR Newsletter - die Nord-News kompakt

Mit dem NDR Newsletter sind Sie immer gut informiert über die Ereignisse im Norden. Das Wichtigste aus Politik, Sport, Kultur, dazu nützliche Verbraucher-Tipps. mehr

Mehr Nachrichten

Ein Gedenkstein steht am Eingang zum Friedhof der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen. © picture alliance/dpa | Holger Hollemann Foto: Holger Hollemann

Bergen-Belsen: Überlebende bleiben Gedenkveranstaltung fern

Die diesjährige Feier aus Anlass der Befreiung des Lagers sorgt für Streit. Eine Gruppe aus Israel fühlt sich übergangen. mehr