Folgen des Bahnstreiks: Volle Busse, wenige Mietwagen, teure Flüge

Stand: 24.01.2024 14:24 Uhr

Der norddeutschen Wirtschaft droht wegen des Bahnstreiks laut dem Unternehmensverband Nord ein Verlust von 50 Millionen Euro - täglich. Doch es gibt auch Profiteure: Busunternehmen, Autovermieter und Fluggesellschaften.

von Philipp Abresch, Katharina von Tschurtschenthaler und Daniel Sprenger

Der sechstägige Bahnstreik hat am Mittwoch früh um 2 Uhr begonnen. Bis Montagabend um 18 Uhr ist das Zug-Angebot der Deutschen Bahn im Nah- und Fernverkehr stark eingeschränkt. Wenn auf der Schiene nichts oder nur wenig geht, profitieren viele Bahnkonkurrenten.

Am Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) in Hamburg herrscht am frühen Mittwochmorgen zwar noch kein übermäßiger Andrang. Vor der Ticket-Verkaufsstelle und den Automaten gibt es keine Warteschlange. Aber der Bus nach Flensburg ist gut besetzt. Die meisten der Fahrgäste seien wegen des Bahnstreiks auf dieses Verkehrsmittel umgestiegen, sagen sie im Gespräch mit NDR Info.

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Auch Joachim Adam wäre normalerweise mit dem Zug gefahren - von Hamburg nach Bremen. "Jetzt fahre ich Flixbus", sagt der Geschäftsmann. "Es ist schön, dass wir so eine Alternative haben." Auch wenn er sich unsicher ist, ob er im Bus am Laptop so bequem wird arbeiten können wie in der Bahn. Für sein Ticket hat er 13 Euro bezahlt. Das sei sogar günstiger als mit der Bahn - allerdings braucht der Bus auch 40 Minuten länger. Adam sagt, dass er einerseits Verständnis für die Bahnbeschäftigten habe. Aber: "Die Art und Weise des Streiks ist für mich reine Profilierungssucht der Gewerkschaft oder des Kopfs der Gewerkschaft." Er meint damit GDL-Chef Claus Weselsky.

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Philipp Johannis hingegen bezeichnet den Streik als legitimes Mittel, Interessen durchzusetzen. "Ich komme ja auch so noch nach Berlin, vielleicht nicht so schön und komfortabel. Man soll das Streikrecht aber dennoch nicht in Abrede stellen." Johannis ist regelmäßiger Bahnfahrer, hat eine Bahncard 50, muss nun aber den Flixbus nach Berlin nehmen. Dafür zahlt er 49,90 Euro. Das sind rund 20 Prozent mehr als für den flexiblen Bahntarif. Der Bus-Ticketpreis liegt damit auch deutlich höher als an anderen Tagen. Am Dienstag etwa kostete die Busfahrt in die Hauptstadt laut der NDR Info Wirtschaftsredaktion nur rund 15 Euro.

Flixbus will zusätzliche Busse auf stark nachgefragten Strecken einsetzen

"Wir sehen wie meistens, wenn Wettbewerber bestreikt werden, eine deutlich gestiegene Nachfrage", hatte eine Sprecherin von Flixbus vor Streikbeginn gesagt. Sie sprach von einer Verdopplung des Kundeninteresses. "Damit Reisende auch während des Streiks ans Ziel kommen, sind wir jederzeit in der Lage, zusätzliche Busse auf stark gefragten Verbindungen einzusetzen", so die Sprecherin. Auch die Unternehmensschwester Flixtrain verkauft deutlich mehr Tickets als sonst.

Autovermietungen: Viele neue Buchungen seit Montag

Mietwagenfirmen können sich dank des GDL-Streiks ebenfalls über ein Auftragsplus freuen. "Wir haben seit Montag sehr viele neue Buchungen bekommen. Bei uns hat sich das verdoppelt gegenüber einem normalen Montag", sagt Tobias Zisik, der Geschäftsführer der Europcar Mobility Group Germany. Mittwoch und Donnerstag seien für sein Unternehmen immer sehr wichtige Tage, an denen man oft ausgebucht sei. Jetzt gebe es kaum noch verfügbare Fahrzeuge. "Wir versuchen natürlich soweit möglich, unsere Fahrzeuge zu bewegen, um an die Verkehrsknotenpunkte zu kommen", so Zisik. Es sei eine Riesen-Herausforderung. Der Bahnstreik sei sehr kurzfristig angekündigt worden und bis einschließlich Donnerstag seien noch viele Geschäftsreisende unterwegs, die für ihre Reisen nun das Auto statt die Bahn nutzten. Am Freitag und am Wochenende, wenn mehr Privatreisende unterwegs seien, sehe die Buchungslage aber schon wieder entspannter aus.

Die NDR Info Wirtschaftsredaktion hat den Praxistest gemacht und am Mittwoch zum Teil gar kein Auto mehr bekommen. Die verfügbaren waren demnach sehr viel teurer als normal.

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Wenn kaum noch etwas fährt auf der Schiene und eine lange Busfahrt oder der Trip mit dem Mietwagen zu unkomfortabel erscheint, dann bleibt einigen nur die klimaschädlichste Alternative: Auch Fluggesellschaften melden einen größeren Zulauf. "Eurowings verzeichnet in diesen Tagen die höchsten Buchungseingänge seit mehr als vier Jahren", sagte eine Sprecherin der Lufthansa-Tochter am Dienstag. "Dabei stellen wir eine sprunghaft steigende Nachfrage insbesondere auf innerdeutschen Strecken fest." Für die Standorte Düsseldorf und Berlin seien beginnend ab Donnerstag erste Zusatzflüge ins Programm genommen worden. An den Eurowings-Basen Düsseldorf, Köln und Hamburg sowie in München würden größere Flugzeuge eingesetzt. "Dabei gibt es kurzfristig sogenannte Großtäusche, teilweise von einem Airbus A319 auf einen Airbus A321 mit bis zu 50 Prozent mehr Kapazität", so die Sprecherin. 

Auf die Flugbuchungen in Hamburg hat der Streik nach Einschätzung von Airport-Chef Christian Kunsch bislang kaum Auswirkungen. Für ein kurzfristiges Umsteigen von der Bahn in den Flieger fehlten die Kapazitäten. "Die Flieger sind gut ausgelastet", sagt Kunsch. Es gebe nur noch wenige freie Plätze und die Preise seien enorm hoch.

Bis zu eine Milliarde Euro wirtschaftlicher Schaden?

Neben dem Stress für zahlreiche Bahnreisende, die nun umplanen müssen, kommt der Bahnstreik die heimische Wirtschaft nach Prognose von Ökonomen auch teuer zu stehen. "Ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik kostet etwa 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung", rechnet der Konjunkturchef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Grömling, vor. Bei einem mehrtägigen Streik wie jetzt würden die Kosten nicht linear steigen, sondern sich teils multiplizieren. "Wir sind da schnell bei einer Milliarde Euro Schaden", so Grömling mit Blick auf den sechstägigen Streik.

Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UV Nord), rechnet damit, dass allein der norddeutschen Wirtschaft durch den Streik und seine Auswirkungen 50 Millionen Euro pro Tag entgehen könnten. Er sei auch genervt, weil die Corona-Pandemie gerade erst vorbei sei und nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine sowieso schon viele Lieferketten- und Energieprobleme bestünden. "Wir können nur die GDL auffordern, insbesondere die GDL-Spitze, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und Maß und Mitte zu finden", sagt Fröhlich.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | NDR Info | 24.01.2024 | 16:00 Uhr

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