VIDEO: NDR Info live: Senioren am Steuer - ein zu hohes Risiko? (23 Min)

Fahrsicherheitstrainer: Kognitive Defizite im Alter nehmen zu

Stand: 13.03.2024 21:35 Uhr

Auf die gefahrenen Kilometer bezogen verursachen - neben Fahranfängern - Senioren die meisten Verkehrsunfälle. Wie sollten Senioren und ihre Angehörigen damit umgehen? Darüber haben Experten bei NDR Info live diskutiert.

Bremse und Gaspedal verwechselt, Vorfahrt missachtet, als Geisterfahrer auf der Autobahn unterwegs: Häufig sind von Senioren verursachte Unfälle besonders gravierend. Erst am vergangenen Wochenende verletzte in Berlin ein 83-jähriger Autofahrer eine Fußgängerin und ihr Kind tödlich. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte kürzlich dennoch, die Unfallzahlen von Senioren seien unauffällig.

Forscher: Unfallrisiko von Senioren so hoch wie bei Fahranfängern

Eine ältere Dame stellt den Seitenspiegel im Auto ein. © picture alliance / dpa | Alexander Körner Foto: Alexander Körner
Hör- und Sehvermögen nehmen ab 75 Jahren deutlich ab. Daher wird die Kontrollfähigkeit beim Autofahren vielfach geringer.

Bei NDR Info live stellte Unfallforscher Siegfried Brockmann am Mittwoch klar, dass das nur gelte, wenn man als Bezugsgröße 100.000 Personen der Altersklasse über 75 mit entsprechenden jüngeren Alterskohorten vergleiche. Doch sei der wichtige Bezugspunkt eigentlich ein anderer: die gefahrenen Kilometer. Denn die Fahrleistung von Senioren sei "viel, viel geringer" - und hier zeige sich dann, dass das darauf bezogene Unfallrisiko ähnlich hoch sei wie bei den ganz jungen Fahrern, also den 18 bis 24-Jährigen.

Bei drei Viertel der Unfälle, an denen Personen über 75 Jahren beteiligt seien, sei der Senior auch der Verursacher. "Das ist sogar etwas mehr als bei den ganz jungen Fahrern", so Brockmann. Demzufolge gebe es eine "statistische Evidenz", dass Senioren häufiger Unfälle verursachen. Senior definiert Brockmann übrigens nicht wie sonst gängig ab 65 Jahren. Denn zwischen 65 und 75 Jahren gebe es eigentlich gar keine Probleme. Doch ab 75 und dann vor allem ab 80 Jahren steige das Risiko rapide an.

Seh- und Hörleistung werden schlechter im Alter

Die Seh- und Hörleistung nehme in jenem Alter rapide ab, sagt Fahrsicherheitstrainer Bernd Ackermann aus dem Landkreis Diepholz in Niedersachsen. "Auch das Gelenkige lässt nach, sodass man den Kopf nicht mehr so gut drehen kann." Dadurch gehe der Überblick darüber, was rund um das eigene Auto passiert, verloren. Unfallforscher Brockmann nennt das "kognitive Defizite", komplexe Situationen schnell zu erkennen und dann ebenso schnell zu entscheiden. Er fasst es so zusammen: Die Festplatte bleibt im Alter voll. Doch der Arbeitsspeicher, der das gespeicherte Wissen auch abrufen kann, wird immer kleiner.

Senioren dürfen in Norwegen und Finnland nur mit Attest fahren

Aufgrund dieser Erkenntnisse gelten in manchen Ländern strenge Regeln für das Autofahren im Alter. In Norwegen etwa muss man ein ärztliches Attest vorlegen, wenn man über 80 Jahre alt ist und noch Auto fahren möchte. Zudem ist der Führerschein dann nur noch drei Jahre gültig - ehe ein neues Attest vorgelegt werden muss. In Finnland sind die Regeln noch strikter: Hier gilt die Attestpflicht sogar schon ab 70. Ein Modell für andere Länder ist das jedoch nicht: Das EU-Parlament hat sich kürzlich gegen europaweite Gesundheitstests für ältere Autofahrer ausgesprochen. In Deutschland gibt es somit weiterhin keine verpflichtenden Checks.

Einige Senioren nehmen an freiwilligen Fahr-Trainings teil, wie sie etwa die Verkehrswacht anbietet. Dabei gibt der Fahrlehrer dem Teilnehmer am Ende eine vertrauliche Rückmeldung. Zu Bernd Ackermanns Trainings kämen Leute, die noch mit beiden Beinen im Leben stehen und die von ihm auf ihren Fahrstil bezogen "grundsätzlich mal wissen wollen, ob es noch funktioniert". Oft sei dann die Erkenntnis, dass das Fahren schon noch gut geht, sagt Ackermann.

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Eine ältere Dame stellt den Seitenspiegel im Auto ein. © picture alliance / dpa | Alexander Körner Foto: Alexander Körner

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Trainings-Teilnehmer: "Schulterblick verbesserungswürdig"

So war auch die Erkenntnis für Dieter Buch. Der 80-jährige Hamburger hat bereits zwei Mal an einem Fahrsicherheitstraining teilgenommen. "Mein Schulterblick sei verbesserungswürdig", sagt Buch. Dank der Rückmeldung des Fahrlehrers sei er beim Schulterblick nun aufmerksamer geworden. Ansonsten ist Buch noch sicher unterwegs - und sollte das einmal nicht mehr so sein, dann werde er sich einsichtig zeigen, sagt er: "Wenn mir einer erzählt, das ist nichts mehr mit deinem Fahren, dann würde ich es auch sein lassen."

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