Stand: 08.04.2009 09:15 Uhr

Massenkeulung auf Kosten der Steuerzahler: Tötung von Puten war laut Experten unnötig

Zitate aus der Meldung frei bei Nennung "NDR Info"

Die nach dem Ausbruch der Vogelgrippe im Landkreis Cloppenburg im Dezember 2008 vorgenommene Massenkeulung von 610.000 Puten war nach Meinung von Experten überzogen und unnötig. Die Tiere seien kurz vor Weihnachten zu einem großen Teil schlachtreif gewesen und hätten laut der bundesweit geltenden Geflügelpestverordnung für den Verbraucher ohne Bedenken auf den Markt gebracht werden können. Das bei Tests festgestellte H5N3-Virus sei für die Tiere harmlos und vergleichbar mit einem Schnupfen, sagten unabhängig voneinander die Vogelgrippe-Experten Sievert Lorenzen von der Universität Kiel und Johan Mooij vom Wissenschaftsforum Aviäre Influenza dem Informations-Radioprogramm NDR Info. Bei dem ungefährlichen H5N3-Virus handelt es sich um eine Untergruppe der hochansteckenden Vogelgrippe H5N1. Unter bestimmten Auflagen hätten die Tiere geschlachtet werden können, eine Keulung ist laut Verordnung nicht zwingend erforderlich.

Wissenschaftler und Tierärzte vermuten, dass hinter der Massenkeulung eine Marktbereinigung zum bestehenden Überangebot gesteckt habe, eine Art Konjunkturprogramm für die Putenwirtschaft. Hinzu kam, dass nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums bereits vor der Keulungsaktion im Raum Cloppenburg mehrere Länder - darunter EU-Staaten sowie Russland und die USA - einen Importstopp für Putenfleisch aus der betroffenen Region verhängt hatten. Durch die Massenkeulung wurde das Angebot an Fleisch verknappt.

Die Ausfälle für die Putenproduzenten glich die Tierseuchenkasse Niedersachsen mit mehr als 14 Millionen Euro aus. Die Hälfte davon bezahlte das Land Niedersachsen aus Steuergeldern. Nach Angaben der Kasse war es das erste Mal, dass die Einrichtung für Verluste durch die Vogelgrippe aufkommen musste. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs im Dezember 2008 seien rund 14 Millionen Euro in dem Topf gewesen.

Sowohl der Staatssekretär im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, Friedrich-Otto Ripke, als auch der Präsident des Niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes, Wilhelm Hoffrogge, wiesen die von den Wissenschaftlern und Experten geäußerten Vermutungen als "Blödsinn" zurück. Bei der Entscheidung über die Keulung der Puten sei keine Zeit für die Frage gewesen, wie sich die Schritte auf dem Markt auswirkten, so Ripke.

Ein Experte des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI), des obersten Forschungszentrums der Bundesregierung für Tierseuchen, sagte NDR Info, die Massenkeulung sei eine Ressourcenverschwendung gewesen und das Vorgehen der Beteiligten im Landkreis Cloppenburg unbefriedigend. Offiziell wollte das FLI zu dem Thema keine Stellungnahme abgeben und verwies an das Landwirtschaftsministerium in Hannover.

8. April 2009 / JS

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