Frust bei Marvin Eilerts vom Fußball-Regionalligisten Kickers Emden © IMAGO / Claus Bergmann
Frust bei Marvin Eilerts vom Fußball-Regionalligisten Kickers Emden © IMAGO / Claus Bergmann
Frust bei Marvin Eilerts vom Fußball-Regionalligisten Kickers Emden © IMAGO / Claus Bergmann
AUDIO: Kickers Emden und die Hoffnung auf das Fußball-Wunder (2 Min)

Kickers Emden: Sie haben keine Chance - und wollen sie nutzen

Stand: 13.01.2023 08:55 Uhr

Der BSV Kickers Emden hat vor Beginn der Restrunde in der Fußball-Regionalliga Nord einen zweistelligen Rückstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz. Der Klassenerhalt käme für die Ostfriesen einem Wunder gleich. Aufgegeben hat sich der Traditionsclub aber noch längst nicht.

von Hanno Bode

Für Vafing Jabateh war es im Alter von 29 Jahren noch einmal ein Karrieresprung. Im vergangenen Sommer wechselte der Liberianer vom VfL Oldenburg nach Emden und stand damit erstmals in seiner Laufbahn bei einem Viertligisten unter Vertrag. Zuvor war der Stürmer jahrelang in Liga fünf auf Torejagd gegangen, nun war er einer der Hoffnungsträger des Aufsteigers.

Auch viele andere Zugänge der Kickers, die über die Relegation den Sprung in den semiprofessionellen Fußball schafften, kamen ohne jegliche Regionalliga-Erfahrung zum Barenburger Sportverein Kickers Emden. Dem Traditionsclub fehlten schlichtweg die finanziellen Mittel, um den Kader mit namhaften Akteuren zu verstärken. Ein Umstand, der sich in den ersten 21 Saisonspielen zumeist überaus deutlich bemerkbar machte.

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Nur zwei Siege und zwei Remis schlagen für die Niedersachsen zu Buche. Dem stehen 17 teilweise hohe Pleiten entgegen. Zudem kassierte das Team von Coach Stefan Emmerling die mit Abstand meisten Gegentore. Bereits 68 Mal schlug es im Gehäuse des vormaligen Oberligisten ein.

"Wunder sind immer möglich - besonders im Fußball"

Die Zahlen des Grauens lassen nur eines vermuten: Für den Aufsteiger wird es im Sommer sofort wieder in die Oberliga Niedersachsen runtergehen. Wer in Anbetracht des bis dato desolaten Abschneidens nun aber glaubt, dass Verantwortliche und Spieler die Saison bereits mehr oder minder abgehakt hätten, der irrt gewaltig.

"Wir glauben in jedem Fall noch an den Klassenerhalt. Wir schenken gar nichts ab. Wunder sind immer möglich - besonders im Fußball. Und wieso sollte uns das nicht gelingen - das Wunder von Emden?", sagte Kickers-Kapitän Bastian Dassel im NDR Interview.

Sein Trainer schlägt in dieselbe Kerbe. "Ich bin ja schon lange im Geschäft. Und ich weiß, dass es auch immer mal wieder Wunder gibt", erklärte der langjährige Erst- und Zweitliga-Profi: "Aber dafür muss man viel investieren."

Alle Kickers-Spieler sind berufstätig

Kapitän Bastian Dassel vom Fußball-Regionalligisten Kickers Emden © IMAGO / Claus Bergmann
Geht neben dem Fußball wie alle seine Teamkameraden arbeiten: Kickers-Kapitän Bastian Dassel.

Nun ist das mit dem Investieren bei den Kickers in vielen Bereichen so eine Sache. In neue Beine zu investieren, fällt dem Club schwer. "Die finanzielle Lage bei den Kickers ist angespannt", sagte Präsident Dr. Jörg Winter kurz vor dem Jahreswechsel der "Ostfriesen-Zeitung". Und auch in zusätzliche Trainingsstunden zu investieren, ist nicht mal eben so einfach möglich, weil alle Spieler berufstätig sind.

"Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir nicht ins absolute Risiko gehen wollen. Sonst hätten wir schon von Amateurfußball auf Profitum umgestellt. Das wollten wir jedoch nicht", verrät Emmerling, bevor er ein bitteres Fazit dieser Entscheidung zieht: "Das fällt uns vielleicht jetzt ein bisschen auf die Füße. Wir trainieren nur dreimal, maximal viermal die Woche, während der VfB Lübeck beispielsweise acht Trainingseinheiten hat."

Ambitionierter Fußball für Emden schwer zu finanzieren

Emmerling ist seit 2019 wieder Kickers-Trainer. Der 56-Jährige hatte den Verein bereits von 2007 bis 2009 gecoacht. Seinerzeit führte er die Ostfriesen in die neu geschaffene eingleisige Dritte Liga. Ein paar Jahre später war Emden insolvent und musste einen Neuanfang in Liga sechs machen. Geld im Überfluss stand für das sportliche Aushängeschild der knapp 50.000 Einwohner zählenden Stadt auch zu Profizeiten der Kickers nicht zur Verfügung.

"Es war nie so, dass Rechnungen immer pünktlich bezahlt wurden, dass man finanziell aus dem Vollen schöpfen konnte. Es war immer eine große Herausforderung für den Verein, in der jeweiligen Liga die Voraussetzungen zu schaffen", erklärte Emmerling.

Emmerling wehrte sich gegen einen Sportdirektor

Trainer Stefan Emmerling vom Fußball-Regionalligisten Kickers Emden © IMAGO / Hübner
Stefan Emmerling ist seit 2019 wieder Coach der Kickers Emden.

Es ist also Kreativität und ein gutes Scouting von den Kickers gefragt, um den treuen Fans Jahr für Jahr eine gute Mannschaft präsentieren zu können. Vor dieser Saison wollte sich der Club im Management eigentlich breiter aufstellen. In Ex-Profi Daniel Franziskus wurde ein Sportdirektor verpflichtet. Doch der frühere Angreifer von Jahn Regensburg und dem VfB Lübeck trat den Posten beim Aufsteiger nie an.

Nicht, weil der gebürtige Auricher einen Rückzieher machte, sondern weil Emmerling intervenierte. "Ich halte seit drei Jahren die Zügel in der Hand und kann mir definitiv nicht vorstellen, dass der Club an mir vorbei einfach einen Sportdirektor installiert hat", erklärte der Coach seinerzeit dem "kicker". Emmerling bestand darauf, weiter der Alleinverantwortliche für den sportlichen Bereich zu sein - und er bekam seinen Willen.

Franziskus übt harsche Kritik am Kickers-Coach

Franziskus, der zuvor Co-Trainer bei Phönix Lübeck war, stand trotz Vertrags ohne Betätigung da. An Emmerling übte der 31-Jährige daraufhin harsche Kritik. "Stefan hat am Telefon gesagt, er sei 'Mister Emden'. Dann frage ich mich schon, wer von uns der Selbstdarsteller ist. Er hat ein paar Dinge falsch verstanden und dachte, ich prahle rum. Das stimmte aber nicht", sagte er dem "kicker".

Mit Blick auf die von Emmerling zu verantwortende Transferpolitik legte Franziskus dann noch einmal nach: "Bis auf Nick Köster wurde kein Spieler mit Regionalliga-Erfahrung verpflichtet. Da hätte ich auch für die kleinen finanziellen Mittel in Emden noch viele in petto gehabt, aber Stefan hat sich auf gar nichts mehr eingelassen. Ein Spieler mit 70 Regionalliga-Partien, der überall gespielt hat, sollte erst mal zum Probetraining kommen. So etwas verstehe ich nicht. Stattdessen wurden nur Spieler aus der Landesliga und der Oberliga geholt."

Bereits sieben Abgänge während der Saison

Davon, dass Emmerling bei der Zusammenstellung seines Kaders kein glückliches Händchen hatte, zeugen bereits sieben Abgänge während der Spielzeit. Unter ihnen ist auch jener Vafing Jabateh, dem in 14 Partien nur ein Treffer gelang. Das Regionalliga-Intermezzo des Stürmers war also ein sehr kurzes. Und vieles spricht dafür, dass auch für die Kickers die Viertliga-Zeit in einigen Monaten abgelaufen sein wird...

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