St.-Pauli-Trainer Schultz: "Sind mehr als konkurrenzfähig"
Statt in der Zweiten Liga vorne mit dabei zu sein, hat der FC St. Pauli nur zwei Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. Der Präsident schlägt Alarm. Die Kiezkicker in der Krise? Trainer Timo Schultz und Manager Andreas Bornemann strahlen weiter Optimismus aus.
"Wir haben wirklich eine sehr gute Mannschaft, die eine Reaktion gezeigt hat", sagte Bornemann mit Blick auf das 0:0 gegen den 1. FC Heidenheim. Das Team habe im vergangenen Jahr die Erwartungshaltung nach oben geschraubt. Nun suche es "ein Stück weit verändert und verjüngt" wieder den Rhythmus. Für den Manager steht allerdings fest:
"Vom Potenzial her müsste die Mannschaft deutlich besser positioniert sein." St.-Pauli-Manager Andreas Bornemann
Das hatte zuletzt Präsident Oke Göttlich in einem Interview mit "kicker" angemerkt und mit seiner Unzufriedenheit mit der sportlichen Entwicklung für Unruhe beim Kiezclub gesorgt. Allerdings nur im Umfeld und nicht im Verein selbst, wie Schultz und Bornemann betonten. Es sei "sein gutes Recht", sich auch öffentlich zur Lage zu äußern, sagte der Chefcoach.
Und Bornemann erklärte: "Der Präsident sagt ja nicht, wir müssen auf den ersten zwei oder drei Plätzen stehen. Sondern wir müssten besser stehen. Wir sind ambitioniert, wir haben das Ziel, uns unter den Top 25 in Deutschland zu etablieren. Das heißt, wir laufen im Moment so vier, fünf Punkte den Plätzen sieben, sechs, fünf hinterher - wo wir uns eigentlich auch sehen."
"Sturmflaute" der Hauptgrund für die Misere?
Für viele Fans und Vereinsbeobachter liegt das Problem auf der Hand: Mit Guido Burgstaller und Daniel-Kofi Kyereh, die an 47 der 61 Treffern in der Vorsaison direkt beteiligt waren, sind die beiden besten Offensivspieler gegangen - und auf dem Transfermarkt wurde nicht genügend neue Qualität verpflichtet. Dass die beiden Ausnahmekönner gleichwertig zu ersetzen wären, hat wohl eh niemand erwartet.
Aber auch ohne das Duo haben die Hamburger in den ersten zehn Saisonspielen immerhin 14 Treffer erzielt. Dem Tabellenfünften Heidenheim gelangen auch nicht mehr, der Hamburger SV hat nur zwei mehr und führt die Tabelle an. Der große Unterschied: Der HSV (6) und Heidenheim (7) stellen die besten Defensivreihen der Liga. Und so hat der Stadtrivale 13 Punkte mehr als St. Pauli auf dem Konto und Heidenheim auch sechs Zähler mehr.
Plan mit dem Team (noch) nicht aufgegangen
Fest steht trotzdem, dass Bornemanns Plan, die Abgänge von Burgstaller und Kyereh "durch weniger Gegentore und mehr Standardtore und mehr Tore aus dem Mittelfeld" zu kompensieren, bis dato nicht aufgegangen ist. Ging es mit neun Treffern an den ersten vier Spieltagen noch verheißungsvoll los, gelangen den Braun-Weißen in den sechs sieglosen Partien zuletzt insgesamt nur noch fünf - dreimal blieben sie gar ohne eigenes Tor.
Auch gegen Heidenheim, aber Coach Schultz hatte "trotzdem viele gute Sachen gesehen. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir gegen Heidenheim die Null halten. Die Jungs haben wirklich alles reingeworfen. Das sind sicherlich Aspekte, auf denen man aufbauen kann."
Super-Hinrunde 2021 als Fluch
In gewisser Weise sind die St.-Pauli-Fans in der Vorsaison geblendet worden, als die Mannschaft eine herausragende Hinrunde hinlegte (Herbstmeister mit sensationellen 36 Punkten). Dabei spielten die Profis wohl ein Stück weit über ihren Verhältnissen. Gleichzeitig spiegelten wohl auch 21 Punkte und Rang 13 in der zweiten Saisonhälfte nicht so ganz die wahre Leistungsfähigkeit wider.
Schultz: "Mein Job als Trainer, das hinzubekommen"
Nun wäre es ein ganz normaler Vorgang, wenn eine Mannschaft, vor allem eine junge, sich zunächst finden muss und dann Schritt für Schritt besser wird. Ob das gelingt? Bornemann ist überzeugt, dass "wir das hinbekommen", wenn die Spieler weiter eine Intensität, Energie und Bereitschaft wie gegen Heidenheim zeigen.
Da setzt auch der Trainer an. "Wir haben genug gute junge Spieler, die Bock haben zu arbeiten, jeden Tag gerne zum Training kommen und versuchen, sich zu verbessern. Und es ist mein Job als Trainer, das hinzubekommen", sagte der Ex-Profi, der betonte, dass er die jüngste Mannschaft der Liga unter seinen Fittichen habe. "Wir versuchen jetzt, ein bisschen mehr Tempo reinzubekommen, damit wir auch mal die Früchte ernten können."
Schultz erinnert an Christoph Daum und Ulf Kirsten
Vor dem gegnerischen Tor gelte es, nie den Mut zu verlieren. Trainerikone Christoph Daum habe einst zu seinem Mittelstürmer Ulf Kirsten gesagt, er müsse "einfach immer wiederkommen, immer wieder klingeln an der Tür und den Leuten auf gut Deutsch auf den Sack gehen". Damit traf Daum bei Kirsten den richtigen Ton - und irgendwann platzte jeder Knoten des Torjägers.
"Wenn wir beharrlich bleiben, weiter an unseren Themen arbeiten und den Prozess fortsetzen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns wieder mit einem Sieg belohnen." St.-Pauli-Coach Timo Schultz
Nebenschauplätze können sich die Kiezkicker dieser Tage nicht leisten. Und so reagieren die sportlichen Entscheider des Clubs auch mit Unverständnis auf Nachfragen zum zwischenmenschlichen Miteinander. Gerüchte, es könnte rund um die Personalentscheidungen im Sommer einen Bruch zwischen Trainer und Manager gegeben haben, weisen beide von sich.
Bornemann und Schultz betonen Einigkeit
Bornemann sieht dafür keinerlei Anzeichen - zumal er auf all seinen Manager-Stationen stets sehr loyal zu seinen Cheftrainern gestanden ("Ich bin ein großer Überzeugungstäter") und vor allem auch Nachwuchscoach Schultz erst das Vertrauen geschenkt habe. Dass es in bestimmten Themen mal unterschiedliche Meinungen gebe, sei ganz normal. Der Coach sagte: "Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, erfahrene Spieler abzugeben und den Kader deutlich zu verjüngen." Kein Wort über Differenzen.
Schultz: "In diversen Statistiken in Top Drei der Liga"
Es sei Geduld gefragt, es gelte aber auch, die Spieler in die Verantwortung zu nehmen, die Punkte zu holen, sagte Schultz. "Das ist sicherlich ein Spagat, den wir momentan noch nicht ganz so gut hinbekommen." Wenngleich sein Team "in diversen Statistiken in der Liga, in den Top Drei steht. Wir sind in jedem Spiel drin, mehr als konkurrenzfähig und in den meisten Spielen sogar überlegen." Sorgen mache er sich deshalb keine.
Vielmehr setzt der Trainer auf die Ausgeglichenheit in der Liga: "Die Zweite Liga ist seit Jahren dafür bekannt, dass man mit einer Miniserie sehr schnell große Sprünge machen kann. Wir tun gut daran, uns auf unsere Themen zu konzentrieren. Die liegen auf der Hand: Wir müssen einfach effektiver und effizienter werden."