Alexandra Popp bejubelt einen Treffer. © IMAGO/Shutterstock

EM-Heldin Alexandra Popp: Eine für die große Fußballbühne

Stand: 12.09.2022 09:25 Uhr

Ihre Auftritte bei der Fußball-EM haben die Popularität von Alexandra Popp auf ein neues Level gehoben. Talkshows, Galaveranstaltungen oder Tigerbaby-Taufpatin im Tierpark Hagenbeck: Es gibt viel Anerkennung für die DFB-Kapitänin, die in England ihr persönliches Sommermärchen schrieb und dann vor dem Finale die bittersten Momente ihrer Karriere erlebte.

von Inka Blumensaat

Dass bei Alexandra Popp an diesem 31. Juli im Wembley-Stadion etwas nicht stimmt, fangen die Kameras nur kurz ein und die Szene ist im Live-Bild des deutschen Fernsehens nicht zu sehen: Ein schmerzverzerrtes Gesicht bei der Stürmerin nach einem Torschuss, wenig später realisiert sie, dass sie das Finale wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel nicht spielen kann. "Im ersten Moment wollte ich in die Kabine flüchten, kurz alles rauslassen. Am liebsten hätte ich irgendetwas kaputtgemacht", sagt Popp im exklusiven NDR Interview.

"Es ist zunächst einfach alles zerbrochen wie ein Kartenhaus. Ich konnte mich zum Glück relativ gut sammeln, ich wollte ja auch der Mannschaft kein schlechtes Gefühl geben." Alexandra Popp

Am Tag zuvor hatte sie sich im Abschlusstraining verletzt, die Hoffnung, im Endspiel doch noch auf dem Platz stehen zu können, zerschlägt sich jedoch wenige Minuten vor dem Anpfiff: "Ich konnte nicht schießen. Es hätte keinen Sinn gemacht." Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg muss somit auf ihre mit sechs Treffern beste Torschützin im Turnier verzichten.

Comeback nach Knieverletzung und Corona-Infektion

Popp war vor der Euro beinahe die ganze Saison wegen eines Knorpelabrisses im Knie ausgefallen, danach wurde die Stürmerin des VfL Wolfsburg noch von einer Corona-Infektion zurückgeworfen.

Es gelingt ihr ein Comeback, mit dem sie selbst nicht gerechnet hat. Popp schießt Deutschland ins Finale - und muss dann passen. "Da gebührt ihr der allergrößte Respekt, nach so einem Turnier und nach so einer Geschichte zu sagen: Ich spiele nicht. Das zeichnet große Persönlichkeiten aus und da gehört sie zu", so Voss-Tecklenburg.

Bis zur B-Jugend in einem Jungs-Team

Die gebürtige Gevelsbergerin ist für ihre Durchsetzungskraft bekannt. Bei ihrem Heimatverein Schwarz Weiß Silschede spielt sie bis zur B-Jugend in einem Team mit und gegen Jungs. "Da kam immer mal wieder ein blöder Kommentar, es wurde über mich gelacht. Für mich war immer klar, dann zeige ich denen das auf dem Platz. Dann habe ich die ausgespielt. Da wussten sie dann relativ schnell: Okay, dieses kleine Mädchen kann doch Fußball spielen!"

Aus dem "kleinen Mädchen" ist eine der erfolgreichsten deutschen Fußballerinnen geworden. Siebenmalige deutsche Meisterin mit dem VfL Wolfsburg. Zwei Champions-League-Titel, insgesamt elf Pokalsiege und Olympiasiegerin von Rio.

"Die Euro in England zu spielen, war für mich sehr emotional"

Nur eine Euro hatte Popp nie gespielt. Nach 2013 verpasste sie verletzt auch das Turnier 2017, dann das Bangen um die EM in diesem Jahr. "Ich weiß, was ich für einen Weg hinter mir habe. Ich habe öfters mal gedacht: Vielleicht soll es nicht sein. Und dann doch die Euro in England zu spielen, war für mich sehr emotional."

"Dass wir es geschafft haben, uns in die Herzen der Gesellschaft und von Deutschland zu spielen, ist schön. Vielleicht ist das mehr wert als ein Titel." Alexandra Popp

Ohne ihre beste Torschützin verliert das Team gegen England im Finale mit 1:2 und hat doch so viel gewonnen: Nie verfolgten in Deutschland mehr Zuschauer die Spiele einer Europameisterschaft der Frauen, nie war das Interesse so groß.

"Das war unser Ziel, das haben wir nie öffentlich so ausgesprochen. Aber wir wussten intern, dass wir diesen Druck haben. Und dass wir es geschafft haben, uns in die Herzen der Gesellschaft und von Deutschland zu spielen, ist schön", sagt Popp - und ergänzt: "Vielleicht ist das mehr wert als ein Titel."

EM-Euphorie auf die Bundesliga übertragen

Das Ziel lautet jetzt: die Euphorie aus England mitnehmen in die Bundesliga. "Da hoffe ich, dass jetzt viel mehr Zuschauer kommen, gerade die Leute, die wir neu begeistert haben. Und ganz ehrlich: Wenn nicht jetzt, wann dann. Wir haben den Grundstein gelegt und für den Rest sind nun andere zuständig: Gremien und Funktionäre. Und da hoffe ich, dass da jetzt etwas passiert."

Damit meint Popp auch, dass sich die Rahmenbedingungen in der Bundesliga verbessern müssten. Die Vize-Europameisterin wird zum Sprachrohr des Frauenfußballs und fordert bei ihren vielen Auftritten abseits des Platzes eine verstärkte Professionalisierung der Vereine sowie eine bessere Bezahlung der Spielerinnen.

Popp: "Weltmeisterschaft 2023 im Blick"

Die 31-Jährige hat ihren Vertrag beim VfL Wolfsburg unlängst bis 2025 verlängert und will auch weiter für die Nationalmannschaft spielen. "Ich bin da nach meinem Bauchgefühl gegangen und das hat mir signalisiert, dass es in Wolfsburg und auch beim DFB noch richtig cool werden kann", sagt Popp.

"Ich hatte im Nationalteam schon mit den Gedanken eines Rücktritts gespielt, aber dieses Turnier und diese Mannschaft haben mir so viel Spaß gemacht. Es kann natürlich doch passieren, dass ich in ein oder zwei Jahren sage, jetzt ist es doch vorbei. Aber Stand jetzt habe ich die Weltmeisterschaft 2023 im Blick."

Bereits jetzt hat Alexandra Popp auf dem Rasen fast alles erreicht, sie gehört, wie der "Spiegel" schrieb, zu den "Gigantinnen des deutschen Fußballs."

Weitere Informationen
Fußballerin Alexandra Popp © IMAGO / ANP

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 11.09.2022 | 23:35 Uhr

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