Mülltüten aus Bioplastik: Nicht überall dürfen sie in die Biotonne

Stand: 16.01.2023 10:39 Uhr

Mülltüten aus Bioplastik sind angeblich zu 100 Prozent kompostierbar - doch sie lösen sich nicht komplett auf. Für viele Entsorgungsbetriebe ist das ein Problem. Umweltchemiker schätzen die Müllbeutel dennoch.

von Tobias Deckert

Es scheint so unkompliziert: Der Biomüll kommt in eine stabile Plastiktüte, die direkt über den Biomüll mitentsorgt werden kann. Die Hersteller von Bioplastiktüten versprechen genau das. Ein weiteres Werbeversprechen: Die Beutel seien zu 100 Prozent kompostierbar - eine Zertifizierung nach DIN-Norm garantiere diese Kompostierbarkeit.

Höherer Preis für Biomülltüten aus Bioplastik

Dafür kosten die Mülltüten aus Bioplastik auch deutlich mehr als andere. Das große Problem: Die meisten Entsorgungsbetriebe in Norddeutschland wollen solche Tüten trotzdem nicht im Biomüll haben. Einige lassen sogar die gesamte Biomülltonne stehen, wenn Verbraucher Tüten aus Bioplastik verwendet haben.

Verunreinigter Kompost: DIN-Norm nicht ausreichend

Im Kompostierwerk in Bützberg bei Hamburg beispielsweise werden Bioplastiktüten aussortiert und anschließend verbrannt. Die Betreiber halten die DIN-Norm zur Kompostierbarkeit nicht für ausreichend, denn das Bioplastik verschwinde nicht: "Kleine Teile bleiben im Kompost und führen zu einer Verunreinigung, die wir nicht weiter kontrollieren und verfolgen können", sagt Anke Boisch, die Chefin der Kompostieranlage. Laut DIN-Norm dürfen immer noch Fetzen mit einer Größe von bis zu zwei Millimetern nach der Kompostierung in der Erde bleiben.

Kompostierbar heißt nicht biologisch abbaubar

Auch bei der Stadtreinigung Hamburg heißt es, die Tüten seien nicht wirklich zu "100 Prozent kompostierbar". Trotzdem darf es so auf den Verpackungen stehen. Ein Hersteller erklärt: Die Beutel würden desintegrieren - das sei nicht zu verwechseln mit dem vollständigen biologischen Abbau. Es blieben tatsächlich noch kleine Bestandteile des Bioplastiks in der Erde.

Wissenschaftler: Bioplastik in der Umwelt ist Gewinn für die Natur

Umweltchemiker wie Michael Braungart sehen in den Tüten aus Bioplastik dennoch einen Gewinn für die Natur. Der Grund: Bioplastik ist ein ganz anderer Stoff als herkömmliches Plastik und besteht zum Beispiel aus Mais- oder Kartoffelstärke. "Im Gegensatz zu herkömmlichen Kunststoffen ist Bioplastik nicht giftig", sagt Braungart. Auf den Bioplastik-Fetzen bildeten sich sogar kleinste Organismen und nutzten ihn als Lebensraum.

Er plädiert dafür, dass auch andere Produkte aus Bioplastik hergestellt werden sollten und dass herkömmliches Plastik verboten wird. Braungart hat 2022 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten.

Betriebe dürfen Bioplastik ablehnen

Entsorgungsbetriebe dürfen Bioplastik dennoch ablehnen und die Biotonnen stehen lassen, wenn sie darin Beutel aus Bioplastik entdecken. Um Biomüll bestmöglich zu entsorgen, empfehlen sie Müllbeutel aus Papier. Notfalls könne man auch kleine Mengen Zeitungspapier nehmen oder die Abfälle einfach lose wegwerfen.

Weitere Informationen
Ein Papierkorb gefüllt mit Plastikverpakungen- und Flaschen. © photocase.de Foto: przemekklos

Plastikmüll: Wie kann Kunststoff nachhaltiger werden?

Plastik ist kaum aus unserem Alltag wegzudenken. Doch es belastet die Umwelt enorm. Wie lässt sich das Problem lösen? mehr

Gemüse in Plastik verpackt. © fotolia Foto: diecidodic

Fragen und Antworten zum Plastikwahnsinn

Rund 38 Kilogramm Plastik-Verpackungsmüll produziert jeder Bundesbürger pro Jahr. Wie steht es um die Wiederverwertung? mehr

Zerdrückte Plastikflaschen © Colourbox Foto: pryzmat

Plastikmüll vermeiden: Wie sinnvoll ist Recycling?

Immer mehr Hersteller verwenden Verpackungen aus recyceltem Plastik. Wie umweltfreundlich ist zum Beispiel Ozean-Plastik? mehr

Dieses Thema im Programm:

Markt | 16.01.2023 | 20:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Haushalt

Ein Papierkorb gefüllt mit Plastikverpakungen- und Flaschen. © photocase.de Foto: przemekklos

Plastikmüll: Wie kann Kunststoff nachhaltiger werden?

Plastik ist kaum aus unserem Alltag wegzudenken. Doch es belastet die Umwelt enorm. Wie lässt sich das Problem lösen? mehr

Mehr Verbrauchertipps

Cannabis in einem Plastiktütchen und auf einer Holzfläche. © Colourbox Foto: Nils Weymann

Cannabis: Was bedeutet die Teil-Legalisierung in Deutschland?

Besitz und Erwerb von Cannabis werden ab 1. April teilweise legal. Was ist künftig erlaubt? Was bleibt verboten? mehr