Qi Gong: Sanfte Übungen für Tiefenentspannung und Stressreduktion

Stand: 29.04.2025 10:18 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Qi Gong ist ein Element der traditionellen chinesischen Bewegungskunst Tai-Chi. Es verbindet fließende Bewegungen mit Meditation und Atemübungen. Qi Gong kann die Lungenfunktion verbessern und Stress reduzieren.

von Ines Bellinger

In China wird Qi Gong (gesprochen: tschii gung) seit mehr als 2.500 Jahren praktiziert. Qi steht für Lebensenergie oder Lebenskraft, Gong für Arbeit, Übung oder auch Gesetz. Die Bewegungstherapie ist Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Sie soll Entspannung und Wohlbefinden steigern, indem sie energetische Dysbalancen im Körper beseitigt.

Wie funktioniert Qi Gong?

Beim Qi Gong (auch: Qigong, Chi Gong, Tschi Gong, Chi Kung) werden fließende, sehr langsam ausgeführte Bewegungen mit Übungen für eine gezielte Atmung und zur besseren Konzentration kombiniert. Das Training soll Blockaden in den Meridianen, den Energiebahnen, lösen, damit das Qi wieder ungehindert durch den Körper fließen kann. Denn nach Auffassung der Traditionellen Chinesischen Medizin entstehen Krankheiten, wenn dieser Energiefluss gestört ist.

Typisch für Qi Gong sind die zeitlupenartige Verlagerung des Gewichts von einem Bein auf das andere und sich wiederholende, harmonische Bewegungen mit den Armen. Es gibt auch Übungen, die im Sitzen oder Liegen gemacht werden können. Bei Übungen in Ruhe geht es darum, durch Atemtechnik und Vorstellungskraft das Qi an bestimmte Stellen im Körper zu lenken, beispielsweise in die Schulter oder ins Knie.

Welche Wirkung hat Qi Gong?

Das regelmäßige Praktizieren von Qi Gong fördert die Körperwahrnehmung und den Abbau von Stress. Ziel ist es, Körper und Seele in einen Gleichklang zu bringen und damit mehr Ruhe und Gelassenheit zu erlangen. Die sanften Bewegungen schulen Gleichgewicht, Koordination und Beweglichkeit. Durch tiefe Bauchatmung nimmt der Körper mehr Sauerstoff auf und gibt mehr Kohlendioxid ab. Mehr Sauerstoff regt unter anderem die Regeneration der Zellen und die Darmtätigkeit an. Die meditativen Übungen beruhigen das vegetative Nervensystem, Blutdruck und Herzfrequenz sinken.

Geübten Menschen gelingt es, mit ihrer Atmung Lebensenergie in bestimmte Körperbereiche oder auf Organe zu lenken, die möglicherweise schmerzen oder erkrankt sind. Das kann die Heilung positiv beeinflussen. Qi Gong wird in Kliniken und Reha-Einrichtungen oft als Entspannungstechnik bei Schmerztherapien, Krebsbehandlungen, psychischen und chronischen Erkrankungen eingesetzt.

Ist die positive Wirkung von Qi Gong wissenschaftlich belegt?

Zu Qi Gong und Tai-Chi als Begleitbehandlungen in der Medizin existieren mittlerweile zahlreiche Studien und Metaanalysen. Hinweise für eine positive Wirkung gibt es bei Parkinson, Arthrose, Osteoporose und Sturzprophylaxe, bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) und zur Steigerung des Atemvolumens. Eine Übersichtsstudie aus China von 2019 zeigte, dass das Praktizieren von Qi Gong bei stabilen COPD-Patienten die Lungenfunktion, die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität steigern kann.

Ist Qi Gong auch für Senioren geeignet?

Menschen jedes Alters und jeder Statur können die Bewegungsform praktizieren. Aufgrund der geringen Trainingsintensität ist Qi Gong auch für Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen wie Asthma geeignet. Qi Gong löst Verspannungen und kann Menschen mit Rückenschmerzen oder Gelenkbeschwerden Linderung verschaffen. Qi Gong-Übungen sind leicht zu erlernen. Jeder übt auf seinem Niveau und der Erfolg stellt sich meist recht schnell ein - in Form von gesteigertem Wohlbefinden. Das Verletzungsrisiko bei Qi Gong ist sehr gering. Zur Fettreduktion, Steigerung der Grundlagenausdauer oder Kraftaufbau ist die Bewegungstherapie eher nicht geeignet.

Was ist der Unterschied zwischen Qi Gong und Tai-Chi?

Qi Gong ist sehr viel älter als die traditionelle chinesische Kampfkunst Tai-Chi, bei der in der Regel Bewegungsmuster des Qi Gong integriert werden. Beide Bewegungsformen regen den Energiefluss an. Beim Qi Gong sind die Übungen jedoch deutlich kürzer. Beim Tai-Chi wurde früher der Aspekt der Kampfkunst stärker betont. Heute dienen beide Bewegungsformen hauptsächlich der Förderung der Gesundheit.

Qi Gong erlernen: Krankenkassen bezuschussen zertifizierte Kurse

Anfänger sollten sich einen Kurs oder einen qualifizierten Lehrer suchen, um die Grundlagen zu erlernen. Später kann Qi Gong auch selbstständig praktiziert werden, im Internet gibt es zahlreiche Lehrvideos. Kurse (auch kombiniert mit Tai-Chi) werden zum Beispiel in vielen Fitnessstudios und Vereinen angeboten.

In China wird Qi Gong als gesundheitliche Prävention staatlich gefördert. Es ist heute noch Tradition, dass Menschen sich in öffentlichen Parks oder auf Plätzen zusammenfinden und gemeinsam im Freien praktizieren. Auch in Deutschland wird Qi Gong als gesundheitsfördernd anerkannt. Die Krankenkassen bezuschussen zertifizierte Kurse in der Regel ein- bis zweimal im Jahr.

Tiere, Brokate, Himmel und Erde: Bekannte Übungen im Qi Gong

Je nach Schule und Methode gibt es im Qi Gong vorgeschriebene Bewegungsabfolgen (Formen). Die Übungen mit fantasievollen Namen sind oft Tieren nachempfunden, zum Beispiel "Der Kranich spreizt sein Gefieder". Bekannte Übungen aus dem Qi Gong sind:

  • Spiel der fünf Tiere: Das ist eine Grundübung im Qi Gong. Hier werden Bewegungen von Bär, Affe, Hirsch, Kranich und Tiger nachgeahmt. Jede Bewegungsform soll bestimmte Organe stärken und den Fluss der Lebensenergie zu ihnen anregen.
  • Zwischen Himmel und Erde: Mit fließenden Bewegungen werden die Meridiane ins Gleichgewicht gebracht. Ziel ist es, das Qi zu sammeln, zu pflegen und zu vermehren. Dazu werden bestimmte Muskeln angespannt, die Arme gehoben und gesenkt und der Bauch massiert.
  • Acht Brokate: Diese Übungen werden auch die acht Schatzstücke genannt. Sie sind eine in sich geschlossene Form und zählen zu den bekanntesten Qi Gong-Übungen in der westlichen Welt. Folgenden Einzelübungen gehören zu den acht Brokaten:

  1. Zwei Hände stützen den Himmel
  2. Den Bogen spannen und auf den Adler zielen
  3. Himmel und Erde verbinden
  4. Die fünf Übel und sieben Leiden hinter sich lassen
  5. Die Ente wackelt mit dem Schwanz
  6. Nach vorne beugen, um die Nieren zu stärken
  7. Mit den Fäusten stoßen und mit den Augen funkeln
  8. Den Rücken schütteln, um die 1.000 Mühsale abzustreifen

Beim Qi Gong gilt sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene: Man sollte sich stets ausreichend Zeit nehmen, um zu üben und an einem Ort praktizieren, an dem man nicht gestört wird. Ideale Übungszeiten sind früh morgens oder am frühen Abend. Vielen fällt es am Anfang schwer, Terminstress auszuschalten und die Gedanken loszulassen. Je mehr man übt, desto besser gelingt das.

Qi Gong-Kugeln für die Hände: Hilfsmittel in der Ergotherapie

Qi Gong-Kugeln werden in der westlichen Welt häufig in der Ergotherapie eingesetzt. Diese meist emaillierten Metallkugeln bestehen aus einer Außen- und einer Innenkugel, die bei Erschütterungen einen Klang erzeugen, daher werden sie auch Klangkugeln genannt. Nach chinesischer Lehre soll das Drehen, Schieben und Rollen der Kugeln in den Händen Reflexzonen aktivieren und den Körper in Harmonie bringen. Ergotherapeuten benutzen Klangkugeln meist, um Feinmotorik, Handkraft und die Hand-Auge-Koordination von Patientinnen und Patienten zu schulen.

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NDR Fernsehen | Visite | 29.04.2025 20:15 Uhr

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