Bandscheibenvorfall: Symptome, Ursachen und Behandlung

Stand: 13.01.2024 12:26 Uhr

Ab einem gewissen Alter sind Bandscheibenvorfälle ganz normal. Über 40 gibt es kaum jemanden, bei dem die Bandscheiben nicht geschädigt sind. Treten Symptome auf, ist Bewegung wichtig, eine OP oft vermeidbar. 

von Levke Heed

Die Bandscheiben sind elastische Stoßdämpfer zwischen unseren Wirbelkörpern. 23 gibt es, sie verteilen den Druck gleichmäßig auf die gesamte Wirbelsäule. Sie bestehen aus einem weichen Gallertkern, umgeben von einem Faserring. Die Elastizität der Bandscheiben entsteht dadurch, dass sich die Gallertmasse bei Entlastung wie ein Schwamm mit Nährflüssigkeit füllt. Je älter wir werden, umso mehr nimmt die Fähigkeit der Bandscheibe ab, Flüssigkeit zu binden. 

Bandscheibenvorfall: Das sind die Symptome

Viele Menschen bemerken den Bandscheibenvorfall zunächst nicht, oft ist er ein Zufallsbefund. Ein Bandscheibenvorfall, auch Bandscheibenprolaps genannt, kann im gesamten Bereich der Wirbelsäule auftreten, mit Abstand am häufigsten (ca. 90 Prozent) ist die Lendenwirbelsäule betroffen (LWS). Hier ist die mechanische Belastung für die Wirbelsäule am stärksten. Es folgen Halswirbelsäule und - eher selten - die Brustwirbelsäule (BWS).

Symptome im Bereich der Lendenwirbelsäule 

Bei einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule sind folgende Symptome typisch: 

  • Starke stechende Schmerzen im Rücken und/oder Bein sowie in den Füßen 
  • Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Beinen und Füßen 
  • Kraftverlust in den Beinen 
  • Lähmungserscheinungen in den Beinen 
  • Problemen bei der Blasen- und Stuhlentleerung 

 

VIDEO: Bandscheibenvorfall: Was tun? (5 Min)

Symptome an Hals- und Brustwirbelsäule 

Bei einem Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule sind folgende Symptome typisch: 

  • Nackensteife und Nackenschmerzen (Schulter-Nacken-Schmerz) 
  • Ausstrahlende Schmerzen in Kopf, Arm, Hand und Finger 
  • Taubheitsgefühl oder Kribbeln in Hand oder Arm 
  • Schwäche oder Lähmung der Armmuskulatur 
  • schlimmstenfalls Gangstörungen und Lähmungen der Beine 

Bei einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Brustwirbelsäule sind die Schmerzen häufig auf den betroffenen Wirbelsäulenabschnitt begrenzt. Von den Schultern aus laufen die Beschwerden um den Brustkorb herum. 

Bandscheibenvorfall: Die Diagnose 

In den meisten Fällen sind ein Gespräch und eine körperliche Untersuchung für eine Diagnose ausreichend. Erst, wenn die Schmerzen auch nach Wochen intensiver Behandlung nicht nachlassen, ist eine Bilduntersuchung sinnvoll. Zu den bildgebenden Verfahren zählen unter anderem Röntgen, Kernspin- beziehungsweise Magnetresonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT). Zu frühe Bilddiagnostik birgt die Gefahr, dass Ärztinnen und Ärzte aus den Bildern falsche Schlüsse ziehen. Oft zeigen sie Veränderungen im Bereich der Bandscheiben, die gar nicht für die Beschwerden verantwortlich sind, und können Anlass zu unnötigen Operationen geben. 

Ursachen für einen Bandscheibenvorfall 

Bei Entlastung nehmen die Bandscheiben Nährflüssigkeit auf und geben sie bei Belastung wieder ab. Einige Faktoren, die häufig auch zusammenwirken, können den Nährstoffaustausch stören und dazu führen, dass die Bandscheiben an Elastizität verlieren:  

  • Vererbung 
  • Stress 
  • Bewegungsmangel 
  • Fehlhaltung 
  • Überbelastung 
  • Fehlbelastung 
  • mangelnde Bewegung 
  • schwache Rumpfmuskulatur 
  • Übergewicht 
  • Rauchen 

Behandlung eines Bandscheibenvorfalls: OP meist nicht nötig 

Bei rund 90 Prozent der Bandscheibenvorfälle verschwinden die Beschwerden innerhalb von sechs bis zwölf Wochen. Die Selbstheilungskräfte des Körpers sind der Grund. Das ausgetretene Gewebe wird abgebaut. Die Maßnahmen zur Behandlung hängen vor allem von den Beschwerden ab. Viele Studien haben gezeigt, dass konservative Therapien eine mindestens genauso gute Erfolgsquote haben wie eine Operation. Eine zeitnahe Behandlung ist wichtig, um der Gefahr einer sogenannten Chronifizierung, der Entstehung eines Schmerzgedächtnisses, vorzubeugen. Zudem kann es auf Dauer zu Fehlhaltungen kommen. Eine Therapie ist ratsam, wenn Betroffene Schmerzen und Taubheitsgefühle haben.  

Bei der konservativen Behandlung ist es wichtig, die Betroffenen zu mobilisieren und aus dem Schmerz zu bekommen. Es folgt ein gezielter Aufbau der Muskulatur, um die Haltung zu verbessern. Die Stabilisierung der Muskulatur sorgt für eine stabile Wirbelsäule. Und: Je besser Betroffene sich bewegen können, um so besser ist die Ernährung der Bandscheibe.  

Die Bausteine der konservativen Behandlung im Überblick:  

Schmerztherapie: Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente wie Paracetamol oder sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac kommen zum Einsatz. Verspannungen lösen sich und Bewegung wird wieder leichter.  Unter Röntgenkontrolle werden bei der Infiltration ein Betäubungsmittel und ein entzündungshemmendes Medikament wie Kortison gespritzt.

Physiotherapie und Bewegungsprogramm 

In der Physiotherapie erlernen Betroffene, sich rückengerecht zu bewegen, um Ihren Rücken bestmöglich zu entlasten. Kräftigungsübungen dienen dazu, die geschwächte Rückenmuskulatur, besonders die Tiefenmuskulatur, gezielt aufzubauen. Bewegung befördert den Heilungsprozess, Schonung dagegen ist kontraproduktiv.

Als eine der effektivsten Maßnahmen zur Behandlung von Rückenschmerzen gilt das funktionelle Rückentraining. Expertinnen und Experten empfehlen, zeitnah mit einem Bewegungsprogramm und Physiotherapie zu starten. So bleiben Kraft und Beweglichkeit erhalten. Hat der Körper das ausgetretene Gewebe resorbiert, ist der Rücken in der Regel wieder voll belastbar. Jetzt ist es wichtig, durch regelmäßiges Training in Bewegung zu bleiben. 

Anwendungen: Ergänzend können Massagen oder Wärme- beziehungsweise Kältebehandlungen hilfreich sein. Auch Akupunktur kann ein Baustein in der konservativen Behandlung sein. 

Bandscheibenprolaps: Wann ist eine Operation notwendig? 

Eine Operation ist bei den meisten Betroffenen nicht nötig. Sie wird dann zwingend notwendig, wenn die ausgetretene Bandscheibe angrenzende Nerven dauerhaft schädigt. Medizinerinnen und Mediziner nennen folgende Indikatoren:  

  • Starke neurologische Ausfälle wie Lähmung der Arme oder Beine, Blase oder Enddarm können nicht mehr kontrolliert werden 
  • Massive, nicht beherrschbare Schmerzen, die das alltägliche Leben stark einschränken und sich trotz konservativer Behandlung nicht verbessert haben 

Der Vorfall kann mikrochirurgisch oder endoskopisch entfernt werden. Ziel ist, möglichst schonend nur das störende Gewebe zu beseitigen, um die Funktion des verbliebenen Bandscheibengewebes so gut wie möglich zu erhalten. Bei fast allen Betroffenen kann die OP die starken Schmerzen schnell lindern, da der bedrängte Nerv wieder entlastet wird. Der Klinik-Aufenthalt dauert in der Regel nur wenige Tage.  Die Betroffenen können meist bereits wenige Stunden nach der OP wieder aufstehen, sind zügig wieder belastbar. 

Wann ist eine künstliche Bandscheibe sinnvoll?

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine defekte durch eine künstliche Bandscheibe ersetzt werden. Diese Bandscheibenprothesen sind allerdings nur in sehr wenigen Fällen sinnvoll, vor allem bei jüngeren Betroffenen mit einem isolierten Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule. Voraussetzungen für eine Bandscheibenprothese sind stabile Wirbelknochen und intakte Wirbelgelenke. Die einer natürlichen Bandscheibe nachempfundene Prothese soll den Abstand zwischen den Wirbeln sowie deren normale Beweglichkeit erhalten und so die Schmerzen lindern.

Eine letzte Behandlungsoption ist eine Versteifung der Wirbelsäule (Spondylodese). Dabei werden Wirbelkörper miteinander verschraubt. An dieser Stelle bleibt die Wirbelsäule dauerhaft unbeweglich. 

Bandscheiben-Operation? Entscheidung in Ruhe treffen 

Bevor Betroffene sich für eine Operation entscheiden, sollten sie folgende Faktoren berücksichtigen: 

  • Gibt es eine klare Diagnose für eine OP, die auf Basis der allgemeinen Leitlinien basiert? 
  • Bei Unsicherheiten: Patientinnen und Patienten haben das Recht auf eine Zweitmeinung 
  • Eine OP sollte in einer Klinik durchgeführt werden, die auf die Behandlung von Bandscheiben-Erkrankungen spezialisiert sind. Denn: Bei Ärztinnen und Ärzten mit viel Erfahrung ist die Aussicht einer erfolgreichen Therapie besser 

Bandscheibenvorfall: So kann man vorbeugen 

Auf Dauer hilft nach einem Bandscheibenvorfall keine Schonung, sondern regelmäßiges Training und Bewegung mit dem Ziel, die Muskulatur zu stärken und die Bandscheiben zu entlasten. Bewegungsmangel ist Gift für die Bandscheiben. So ist das funktionelle Rückentraining nicht nur in der Behandlung sinnvoll, sondern auch für die Vorbeugung. Training für die Tiefenmuskulatur seitlich der Wirbelsäule ist dabei wichtig. Aber auch die untere Bauchmuskulatur muss gestärkt werden, da sie im Gegensatz zur Rückenmuskulatur meist schwächer ist. Ein Gleichgewicht sorgt für mehr Körperstabilität und verbessert die Haltung.  

Da der Stoffwechsel der Bandscheibe über Bewegung funktioniert, ist Gehen oder auch anderer Ausdauersport wie Walken sinnvoll. Zudem kann Übergewicht die Gefahr für einen Bandscheibenvorfall erhöhen. 

Bandscheibenvorwölbun: Unterschied zum Bandscheibenvorfall  

Wenn der Faserring der Bandscheibe vorgepresst wird, aber nicht einreißt, handelt es sich um eine Bandscheibenvorwölbung. Ähnlich wie bei einem Bandscheibenvorfall kann die Vorwölbung heftige Schmerzen verursachen, bildet sich aber meist nach einigen Wochen wieder zurück. 

Expertin aus dem Beitrag:

 

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Visite | 16.01.2024 | 20:15 Uhr

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